Ihr nächster Vortrag handelt von Aliens. Was erzählen Sie da?
Ben Moore: Ich erzähle von der Suche nach dem Leben da draussen und davon, wie ausserirdisches Leben aussehen könnte.
Halten Sie Menschen, die an Aliens glauben, für irr?
Kommt darauf an, in welcher Form sie an Aliens glauben. Ich persönlich wäre erstaunt, wenn es da draussen kein Leben gäbe.
Worauf stützt sich diese Aussage?
Gemäss unseren Hochrechnungen schätzen wir, dass allein in unserer Galaxie 40 Milliarden Planeten existieren, die in der habitablen Zone – der Zone, die aufgrund der Temperatur Leben überhaupt zulässt – um ihren jeweiligen Stern kreisen. Und Wasser ist in unserer Galaxie recht häufig.
Aber es gibt doch viele andere Bedingungen, die es für die Entstehung von Leben braucht?
Ja, aber Leben kann in vielfältigen Umgebungen entstehen. Und Leben verändert ja auch den Planeten, auf dem es sich entwickelt.
Inwiefern?
Denken Sie daran, wie sich das Leben auf der Erde entwickelt hat. Mikroben, die Sauerstoff bilden, was zur Entstehung unserer Atmosphäre führt – was wiederum das Aussterben des ersten Lebens verursacht und anderes, höher entwickeltes Leben ermöglicht. Leben ist sehr anpassungsfähig.
Was braucht es denn, damit es entstehen kann?
Sternenstaub, eine Flüssigkeit und eine Energiequelle. Wir müssen nur in unser Solarsystem schauen: Auf Titan, einem SaturnMond, etwa gibt es liquide Flüsse aus Methan und Ethan bei Temperaturen von minus 200 Grad. Das Leben dort könnte siliziumbasiert sein statt karbonbasiert wie bei uns. Die Organismen würden Wasserstoff atmen statt Sauerstoff. Es wäre ein sehr langsames Leben, weil die Stoffwechsel bei diesen Temperaturen sehr langsam wären.
Wie würden Aliens aussehen?
Ich habe keine Ahnung. Sie könnten acht Tentakel haben wie Oktopusse, die sich im übrigen H. G. Wells als Marsmenschen ausgedacht hat, oder einen chitinartigen Panzer wie das Alien bei Giger. Sie könnten sechsbeinig sein wie Käfer oder molluskenartig wie Schnecken. Man braucht sich ja nur das vielfältige Leben auf unserem Planeten anzusehen, um eine Ahnung zu haben, was alles möglich wäre. Sie wären aber höchstwahrscheinlich ganz anders als die Aliens, die wir darstellen.
Es gibt Menschen, die Zeichnungen aus vergangenen Kulturen als Beweis heranziehen, dass Aliens uns längst besucht haben.
Na ja, alles, was Geld bringt, wird von irgendwem vermarktet …
Sie waren also noch nicht hier?
Es gibt jedenfalls keinen Beweis dafür. Die CIA hat kürzlich all ihre Alien- und Ufo-Akten veröffentlicht. Tausende von Bildern. Alle ziemlich nutzlos und erstaunlich schlecht, in einem Zeitalter, in dem auf unserem Planeten zwei Milliarden hochauflösender Kameras in den Taschen der Weltbewohner stecken. Aber wer weiss, vielleicht waren sie bereits vor einer Million Jahren hier, um den Ameisen einen Besuch abzustatten.
Ameisen?
Sie unterhalten schon seit Millionen von Jahren funktionierende Städte und Zivilisationen und haben vielfältige Arten der Landwirtschaft mittels anderer Spezies und der Bewirtschaftung von Pilzmyzelien erfunden. Die Ameisen sind die wahren Herren dieses Planeten.
Okay, ernsthaft: Warum hat uns ausserirdisches Leben noch nicht gefunden?
Das wird im Vortrag erklärt! Es gibt ungefähr fünfzig Antworten auf Ihre Frage – die Wissenschaft nennt sie übrigens das Fermi-Paradox. Ich nenne zwei: Wären Sie eine hochtechnologisierte Alien-Zivilisation – würden Sie unbedingt uns besuchen kommen wollen? Es gibt wahrscheinlich viel Interessanteres da draussen als uns. Ein anderes Argument ist, dass hochentwickelte Zivilisationen sich zerstören, bevor sie die Entwicklungsstufe der Raumfahrt erreichen – wir sind ja auch
auf dem besten Weg, dies zu tun.
Deprimierend. Sollten wir unsere Anwesenheit ins All senden, um entdeckt zu werden? Wir könnten Hilfe gebrauchen.
Es gibt ja bereits Firmen, die gegen Entgelt SMS auf andere Planeten schicken. Wir schicken also nutzlosen Spam ins All – ich frage mich, ob das im Sinne der Menschheit und eine gute Idee ist.
Oh je, Ausserirdische könnten uns auslöschen, nur weil wir sie mit Dummheit nerven.
Ja, wir könnten sie damit ziemlich verärgern.
Warum haben umgekehrt wir noch kein ausserirdisches Leben gefunden?
Weil die Sterne weit voneinander entfernt sind, was die Suche schwierig macht. Vergleichen wir den Raum unserer Galaxie mit der Grösse eines Ozeans auf der Erde, dann haben wir beim heutigen Wissensstand eine einzige Badewanne voll Wasser herausgefischt – und gehofft, wir würden so zufälligerweise einen Fisch finden.
Wenn wir so weiterforschen wie bis anhin – wie lange dauert es, bis wir diesen «Fisch» fangen?
Ich kann Ihnen das schnell ausrechnen, Moment. Wenn die Menschheit weiterhin so wenig in die Erforschung des Weltraums investiert: so um die hunderttausend Jahre.
Leidet die Erforschung des Alls unter grossen Budgetbeschränkungen?
Nun, es ist peinlich, dass wir noch nicht einmal unser eigenes Sonnensystem besser erforscht haben. Wir wären technologisch so weit, ein Raumschiff zu bauen, das uns zu vielen Sternen des Sonnensystems bringt. Es ist nur eine Frage des Geldes. Und wenn man bedenkt, was die Menschheit für Kriege und Waffen ausgibt, statt den Planeten vor dem Klimawandel zu retten und in Wissenschaft, darunter die Erforschung des Alls, zu investieren … Aber lassen Sie uns nicht über Politik sprechen. Man muss seinen Fokus anders legen, sonst wird man richtig traurig.
Stichwort Traurigkeit: In Ihrem Buch «Da draussen» schreiben Sie, dass das Leben zufällig ist, also keinen Sinn hat. Deprimiert Sie das nicht?
Ist denn das Leben an und für sich nicht Sinn genug? Wir sind für einen kurzen Moment hier, leuchten auf, vergehen wieder und müssen unsere Zeit mit Dingen füllen, die uns glücklich machen. Mit Musik, mit Freunden, mit Schreiben, mit Weitergeben von Wissen. Es gibt so viele erfüllende Dinge. Und das ist doch eine wunderbare Freiheit – das Leben selbst mit Sinn zu füllen.
Der Ausblick für das Leben an und für sich ist ja aber auch eher deprimierend ...
Ja, alles Leben wird irgendwann sterben. Das Universum wird sich immer schneller ausdehnen und dabei kälter werden, bis der allerletzte Stern ausgebrannt ist. Fertig, Schluss. Es wird keine Spur unseres Universums übrig bleiben.
Und es gibt gar keine Hoffnung für gar nichts?
Eigentlich nicht. Nur die Theorie, dass unser sterbendes Universum multiple andere Universen gebären könnte. Für unser eigenes gibt es aber keinerlei Hoffnung. Sorry.
Es müsste doch hinter den Grenzen des Universums noch irgendetwas geben …
Ja, ganz, ganz viele Ameisen! Spass beiseite, da ist entweder etwas, oder da ist nichts. Wir können das niemals wissen.
Weshalb nicht?
Aus physikalischen Gründen. Weil gemäss Einstein keine Information schneller als das Licht reisen kann. Jedes einzelne Experiment dazu hat das bestätigt. Deshalb können wir niemals über diese Grenze hinaussehen.
Wenden wir uns leicht erfreulicheren Dingen zu. Ohne Klimawandel – wie lange hat die Menschheit auf der Erde noch?
In etwa einer Milliarde Jahren gibt es kein Wasser mehr und keine Atmosphäre, weil die Sonne heisser wird. Sie wird das alles wegblasen. Aber wir könnten in dieser Zeit technologisch so fortgeschritten sein, es ist kaum vorstellbar. Vielleicht hätten wir längst die Galaxie besiedelt.
Sonst noch etwas Erfreuliches?
Ja, zwei Dinge: Seien Sie froh, dass Sie hier wohnen. Die Schweiz ist eine paradiesische Blase in einer verrückten Welt. Ich jedenfalls fühle mich privilegiert, hier zu forschen und zu leben.
Und das zweite?
Die Wissenschaft macht Fortschritte. Unsere Forschungsgruppe hat zum Beispiel vielleicht gerade die Antwort auf eine grosse Frage entdeckt, welche die Menschheit beschäftigt, seit sie in den Himmel schaut.
Ja, bitte?
Sag ich Ihnen nicht – die Forschungsresultate werden erst im März veröffentlicht. Sie müssen mich halt dann nochmals interviewen.
Das können Sie jetzt aber nicht ernsthaft machen!
Das muss ich leider. Ich kann Ihnen aber stattdessen eine der coolsten Entdeckungen der letzten Jahre erzählen. Allerdings stammt sie nicht von mir.
Also dann halt …
Gold! Wir wissen endlich, wo es herkommt. Geformt aus der Kollision toter Sterne, ins All geschleudert, in Asteroiden zusammengeklumpt, auf der Erde eingeschlagen, in Mikroben akkumuliert, die wiederum Nuggets geformt haben. Sie tragen da eine Kollision toter Sterne an ihrem Ringfinger! Ist Wissenschaft nicht cool?
Cosmic Talk with Ben Moore (auf Englisch): 20. Dezember, 20.30 Uhr. Forum Kosmos, Lagerstrasse 104, 8004 Zürich.
Tickets für Fr. 25.–, www.kosmos.ch
Der Engländer Ben Moore (52) ist Professor für Astrophysik an der Universität Zürich. Er leitet dort das Zentrum für theoretische Astrophysik und Kosmologie, eine Abteilung innerhalb des Instituts für Computergestützte Wissenschaften. Er und sein Team entwickeln Supercomputer, Programme und Algorithmen, welche die Entstehung des Sonnensystems simulieren. Ben Moore schreibt daneben Bücher und komponiert elektronische Musik. Sein letztes Buch «Da draussen» über den Ursprung des Lebens und mögliches Leben auf fernen Planeten erschien 2014 beim Verlag Kein & Aber. Sein nächstes Buch wird im April nächsten Jahres im gleichen Verlag erscheinen.
Der Engländer Ben Moore (52) ist Professor für Astrophysik an der Universität Zürich. Er leitet dort das Zentrum für theoretische Astrophysik und Kosmologie, eine Abteilung innerhalb des Instituts für Computergestützte Wissenschaften. Er und sein Team entwickeln Supercomputer, Programme und Algorithmen, welche die Entstehung des Sonnensystems simulieren. Ben Moore schreibt daneben Bücher und komponiert elektronische Musik. Sein letztes Buch «Da draussen» über den Ursprung des Lebens und mögliches Leben auf fernen Planeten erschien 2014 beim Verlag Kein & Aber. Sein nächstes Buch wird im April nächsten Jahres im gleichen Verlag erscheinen.