Sie sind zu Hause geblieben. Und beneiden den unerschrockenen Arbeitskollegen, der gerade auf einer Safari durch Uganda streift und dort Löwen auflauert. Oder vielleicht schwärmen Sie von der engagierten Exotik Ihrer Bekannten, die Ferien auf Spitzbergen macht, wo sie sich um die Eisberge sorgt. Und womöglich haben Sie auch einen Freund, der mit einer Karawane nach Timbuktu reiste, von wo er Ihnen schöne Bilder sandte, auf denen er so braun gebrannt wie erleuchtet auf Sie herabschaut, vom hohen Rücken seines Kamels, im Hintergrund die Lehmmoschee, über deren Architektur er Ihnen schon vor dieser Bildungsreise zu viel erzählte.
Auch Sie suchen das Abenteuer? Bleiben Sie, wo Sie sind. Nirgends ist die Welt so gross, bunt und wild wie vor Ihrer Haustür. Da wartet die wahre Herausforderung. Wer sagt, er reise, um andere Sitten und Menschen kennenzulernen, der macht sich was vor. In Wahrheit flieht er vor ihnen.
Das Kamel sagt nichts
Denn als Tourist in Peking müssen Sie sich nicht mit einem gesprächigen Nachbarn herumschlagen, den Sie nicht mögen. Nie würden Sie dieses Kunststück des beiläufigen Ausweichens entwickelt haben und nie diese Erleichterung verspüren, wenn nach zwei spannungsgeladenen Sekunden der Begegnung – knappes, geistesabwesendes Nicken bei geschlossenem Mund von Ihrer Seite – nur noch Ihre Rücken einander zugewandt sind.
Ein malisches Kamel können Sie gefahrlos beäugen, kontrollierend, musternd, von Kopf bis Fuss. Tun Sie aber dasselbe mit Ihrem Freund oder Ihrer Freundin, ist Ihnen eine Reaktion gewiss. Und wer weiss, welche.
Roggenbrot statt Baguette
Ärgern Sie sich in Buenos Aires über eine unfreundliche Verkäuferin – der Ärger ist nicht der Rede wert. Jedenfalls nicht zu vergleichen mit der Erschütterung, die Sie zu Hause überfällt, wenn Ihnen Ihr Lieblingsbäcker ein Roggenbrot einpackt, wo Sie doch immer eine Baguette nehmen.
Wer verreist, entkommt dem Trott. Das mag guttun, aber mutig ist es nicht. Und lehrreich oft auch nicht, manchmal nicht einmal lustig. Lernen die indischen Touristen in einer Woche die Schweiz kennen? Eben. Sie können das Fremde im Ausland suchen. Oder Sie peilen Ihren Alltag an. Mit einem fremden, frischen, freien Blick. Alles wird anders. Alles wird gut.
Ursula von Arx (51) freut sich nach den Ferien immer auf ihr eigenes Bett und wundert sich jedes Mal, wie selbstverständlich alles so weitergeht wie vorher. Sie schreibt jeden zweiten Montag im BLICK.