BLICK: Das kommende Ärzte-Album heisst «Hell». Hattet ihr eine Erleuchtung?
Farin Urlaub: Na ja, es kommt darauf an, wie man «Hell» ausspricht.
Gewiss, man kann es auch auf Englisch lesen, dann sind wir in der Hölle. Was nun: Licht oder Dunkelheit?
Wenn Sie mit «Hell» Erleuchtung in Verbindung bringen, dann haben wir alles richtig gemacht. Aber die Doppeldeutigkeit war durchaus beabsichtigt.
«Ich fahr in Urlaub, das mache ich am liebsten.» So spricht 1982 Jan Vetter (56) – und schon hat er einen Künstlernamen innerhalb der damals neugegründeten Berliner Band Die Ärzte: Farin Urlaub. Aufgewachsen in Westberlin und geprägt von den Beatles-Alben der Mutter, nimmt er mit neun Jahren Gitarrenunterricht. Mit 16, noch vor dem Abitur, schneidet und bleicht er sich die Haare und wird Punk. Urlaub (Gitarre) gehört mit Bela B (57, Schlagzeug) zu den Gründungsmitgliedern der Ärzte, die sich 1988 als Band auflösen und seit 1993 mit Rodrigo González (52, Bass, Piano) wieder als Trio wirken. Neben den Toten Hosen sind Die Ärzte die erfolgreichste Deutschrock-Punkband. Zu ihren grössten Hits gehören Lieder wie «Schrei nach Liebe», «Junge» und «Männer sind Schweine». «Hell» ist das 14. Studioalbum der Ärzte und kommt am 23. Oktober in den Handel.
«Ich fahr in Urlaub, das mache ich am liebsten.» So spricht 1982 Jan Vetter (56) – und schon hat er einen Künstlernamen innerhalb der damals neugegründeten Berliner Band Die Ärzte: Farin Urlaub. Aufgewachsen in Westberlin und geprägt von den Beatles-Alben der Mutter, nimmt er mit neun Jahren Gitarrenunterricht. Mit 16, noch vor dem Abitur, schneidet und bleicht er sich die Haare und wird Punk. Urlaub (Gitarre) gehört mit Bela B (57, Schlagzeug) zu den Gründungsmitgliedern der Ärzte, die sich 1988 als Band auflösen und seit 1993 mit Rodrigo González (52, Bass, Piano) wieder als Trio wirken. Neben den Toten Hosen sind Die Ärzte die erfolgreichste Deutschrock-Punkband. Zu ihren grössten Hits gehören Lieder wie «Schrei nach Liebe», «Junge» und «Männer sind Schweine». «Hell» ist das 14. Studioalbum der Ärzte und kommt am 23. Oktober in den Handel.
Doppeldeutigkeit passt auch zu Ihnen: Sie haben stets ein breites Lachen auf dem Gesicht, aber auf dem Albumcover von «Hell» wirkt es dämonisch …
… was uns wieder näher zur Hölle bringt. In uns stecken halt beide Seiten. Wir wollen natürlich auf der guten Seite stehen, aber wir gehen manchmal böse Wege, um dorthin zu gelangen. Das ist gut so, sonst hätten wir nie mit Punkrock angefangen.
Im März während des Lockdowns habt ihr mit dem «Lied für Jetzt» das kommende Album angekündigt und gesungen, dass ihr aus Langeweile ein paar Songs zusammengeschraubt habt. Haben wir «Hell» nur Corona zu verdanken?
Tatsächlich waren wir schon früher im Studio, nämlich im Oktober und November letzten Jahres. Ganz untypisch für Die Ärzte haben wir uns dann eine dreimonatige Pause verordnet, um das Album so entspannt wie möglich aufzunehmen. Aufgrund von Covid-19 sind es dann vier Monate geworden. In diesem Monat der Ungewissheit sind noch ein paar weitere Songs entstanden.
«Das bisschen Quarantäne ist nicht die schlimmste Sache der Welt», singt ihr im «Lied für Jetzt». Seht ihr das immer noch so?
In Deutschland sehen wir gerade, dass viele Menschen den Egoismus, den sie schon immer zelebrierten, ganz offen zur Schau stellen: «Ich will keine Maske tragen, weil es für mich unbequem ist.» Die stellen also ihre eigene Bequemlichkeit über das Leben anderer. Arroganter, egoistischer und dümmer kann man nicht sein.
Ist die Gesellschaft krank? Braucht es mehr Ärzte?
Ha, ha, der Witz musste kommen. Nein, die Gesellschaft ist schon gesund. Wenn man Umfragen anschaut, dann sind 80 bis 90 Prozent fassungslos angesichts der Demonstrationen gegen die Corona-Massnahmen.
Und bei Konzerten hättet ihr den Corona-Leugnern bestimmt Gegengift gegeben. Vermisst ihr die Bühnenauftritte?
Ja, wobei ich die Bühne den falschen Ort finde, um Politik zu machen. Da steht man am Mikrofon und schwadroniert: «Ich bin der Rockstar und sage euch, wo's langgeht.» Das war mir immer zuwider. Ich habe kein Sendungsbewusstsein.
Aber eure Texte bringen doch immer wieder eine dezidierte Haltung zum Ausdruck.
Natürlich, klar.
Und die Haltung eignen sich eure Fans an, sonst wären sie nicht eure Fans.
Ja, aber deswegen formulieren wir immer wieder widersprüchliche Sachen, damit sie sich nicht einfach eine Weltanschauung überstülpen können. Ich möchte die Menschen vielmehr dazu auffordern, intelligent zu sein und nicht einfach etwas nachzuplappern. Sie müssen schon selber denken.
Corona thematisiert ihr auf dem Album «Hell» nicht. Ihr singt lieber über Kindheitsfotos, Gitarristen und Sex mit Alexa. Weshalb?
Wir haben uns bewusst dabei zurückgehalten, Corona auf dem Album zu thematisieren. Da steckt auch die Hoffnung drin, dass das irgendwann vorbei ist. Wir wollten dem Thema nicht noch mehr Wichtigkeit geben, als es sich in unserem Leben ohnehin schon genommen hat. Das blöde Virus!
«Auch», das letzte Studioalbum der Ärzte, ist 2012 erschienen. Warum eine so lange Pause?
Wir hatten zu schnell zu viele Touren gemacht, und dann ist passiert, was wir all die Jahre vermeiden konnten: Wir sind uns in die Haare geraten. Als Konsequenz machten wir eine unbestimmt lange Pause.
Es ist also etwas dran am letztjährigen Gerücht, dass sich Die Ärzte definitiv auflösen könnten?
Es stand schon zur Debatte, ganz ehrlich. Bei mir war es nicht so sicher, ob ich je wieder Musik machen möchte. Ich habe keine Lust, mich zu wiederholen.
Und warum gehts jetzt trotzdem weiter?
Der gute Bela hat uns aus der Versenkung geholt. Er sagte: «Kommt, da steckt noch etwas in der Band.» Und ich muss heute sagen, er hatte recht. Die Band ist nun wieder so, wie sie sein muss: aus einem Guss.
Man hört eure Spiellaune in allen 18 Liedern.
Es ist schön, wenn man das merkt. Wir sind wieder frisch verliebt sozusagen.
Und die Texte strotzen wieder vor blühender Fantasie. Das Highlight «Einmal ein Bier» mit der Zeile «Ich landete als Bier im Glas» – eine schreckliche Vorstellung für Sie als bekennenden Antialkoholiker!
Ich trinke keinen Alkohol. Aber das ist nicht etwas, das ich vor mir hertrage. Es ist einfach ein Fakt.
«Es gibt kein Bier auf Hawaii» ist für Sie also kein Hinderungsgrund, dahin zu reisen. Waren Sie schon dort?
Ja, aber ich war aus anderen Gründen enttäuscht. Ich war leider nicht auf den kleineren Inseln und nur auf Big Island – und das ist wie McDonald’s am Meer.
Farin Urlaub, Ihr Name ist ja Programm: Sie haben sich zum Ziel gesetzt, jedes Land der Erde zu bereisen. Wie viele sind es mittlerweile?
Es sind schon sehr, sehr viele. Aber ich weigere mich mittlerweile, das zu beziffern, weil es Neidgefühle hervorrufen kann und die Leute vielleicht sagen: «Der will sich damit bloss gross hervortun.»
Wie viele fehlen denn noch?
Mir fehlen noch über 50 Länder.
Ist im Corona-Jahr ein weiteres dazugekommen?
Nein.
Es wäre wohl auch schwierig gewesen, ans Reiseziel zu gelangen.
Es wäre nicht komplett unmöglich gewesen, aber ich wollte mich nicht über andere Leute hinwegsetzen. Ich bin genauso zu Hause geblieben wie alle anderen auch.
Im Corona-Jahr hat die Gesellschaft Flugreisen in Frage gestellt. Haben Sie Ihr eigenes Reiseverhalten auch überdacht?
Ich bin noch strikter geworden. Corona war ein willkommener Auslöser: Keine Blödsinnsflüge mehr innerhalb Europas! Ich mache das mit dem Zug oder – wenn es gar nicht anders geht – mit dem Auto.
Kurz vor Weihnachten sollten Die Ärzte für zwei Auftritte ins ausverkaufte Zürcher Hallenstadion reisen, nun wurde das um ein Jahr verschoben. Welches Geschenk legt ihr uns Schweizern dieses Jahr stattdessen unter den Baum?
Das einzige Weihnachtsgeschenk ist unser Album – mehr gibt es vorerst nicht. Aber das ist ja fast noch seltener als ein Auftritt von uns in der Schweiz.
Die Ärzte, «Hell» (Universal). Das Album kommt am 23. Oktober in den Handel.