Es sollte die ganz grosse Transparenz-Offensive werden: 2014 setzte Science Industries, der Wirtschaftsverband der Pharma-, Chemie- und Life-Science-Unternehmen, den sogenannten Pharma-Kooperations-Kodex (PKK) in Kraft – auch um zu zeigen, dass es «nichts zu verstecken gibt», wie Jürg Granwehr, Leiter Pharma bei Science Industries, erklärt.
Mit ihrer Unterschrift auf dem PKK verpflichten sich die Firmen offenzulegen, an wen sie wie viel Geld bezahlen – in Form von Beiträgen zu klinischen Studien, von Spenden, Honorarzahlungen oder der Rückerstattung von Reisekosten und Kongressgebühren.
Empfängerlisten nicht durchsuchbar
60 Unternehmen in der Schweiz haben sich selbst in diese Pflicht genommen – und sich dabei Raum gelassen. Jede Firma publiziert die Offenlegung auf der eigenen Website für sich. Wollen Herr und Frau Schweizer ihren Arzt oder ihre Ärztin suchen, stossen sie an Grenzen: Mal sind die Listen nach Vor-, woanders nach Familiennamen geordnet. Und: Wer mit der Suchfunktion am Computer die Offenlegungen durchforsten will, hackt ein ums andere Mal ergebnislos in die Tastatur.
Denn einige Unternehmen haben mit speziellen Programmen die hochgeladenen Dateien undurchsuchbar gemacht. Oder sie haben gleich Listen in Bilddateien umgewandelt, in denen Computer keine Zahlen oder Buchstaben erkennen können. Gesamtsummen werden immer wieder nicht ausgewiesen. Mundipharma gibt die Adressen ihrer Geldempfänger nicht an – dort steht dann lediglich «Praxis» oder zum Beispiel «St. Gallen». Die Empfänger seien trotzdem «in allen Fällen problemlos zugeordnet werden», so das Unternehmen auf Anfrage.
BLICK hat zusammen mit der «Handelszeitung», dem «Beobachter» und «Le Temps» die Geldflüsse der Pharmaindustrie in die Medizin-Branche transparent gemacht. Haben Sie diesbezüglich eine Frage oder ist Ihnen etwas unklar? Unsere Autoren beantworten Ihre offenen Anliegen gerne in der Kommentarspalte weiter unten!
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«Richtlinien erarbeiten, wo nötig»
Dafür hat Mundipharma jeden einzelnen Empfänger seiner Gelder offengelegt. Insgesamt stieg die Offenlegungsrate aller Firmen von 2015 bis 2017 von gut 68 auf 88 Prozent – im Schnitt. Noch immer gibt es Pharmafirmen, deren Empfänger sich nicht als solche outen wollen. Bei Bayer etwa waren es rund vier von zehn Ärzten, bei Merck ist es nur knapp ein Drittel.
Sehen Sie selbst, welche geldwerten Leistungen die Pharmaindustrie Ärzten, Spitälern und anderen Institutionen der Gesundheitsbranche zukommen liess: Auf www.pharmagelder.ch machen die Schweizer Medien des Ringier Axel Springer Research Network entsprechende Daten zugänglich und für jeden durchsuchbar. Die Daten stammen von 60 Pharmafirmen, die sie gemäss Pharma-Kooperations-Kodex des Verbands Scienceindustries offengelegt haben.
«Pharmagelder Schweiz» ist ein Projekt des Ringier Axel Springer Research Network. Im Netzwerk arbeiten Journalisten verschiedener Medien bei transnationalen, datengetriebenen oder investigativen Projekten zusammen. Teil davon sind: Beobachter, «Blick»-Gruppe, «Handelszeitung» und «Le Temps» (Schweiz), «Welt» und «Bild» (Deutschland), «Pulse» (Nigeria), «Politico» (Belgien), «Onet» (Polen), «Aktuality.sk» (Slowakei), «Libertatea» (Rumänien), «Blic» (Serbien), «Blikk» (Ungarn), «Business Insider» (Vereinigtes Königreich).
Sehen Sie selbst, welche geldwerten Leistungen die Pharmaindustrie Ärzten, Spitälern und anderen Institutionen der Gesundheitsbranche zukommen liess: Auf www.pharmagelder.ch machen die Schweizer Medien des Ringier Axel Springer Research Network entsprechende Daten zugänglich und für jeden durchsuchbar. Die Daten stammen von 60 Pharmafirmen, die sie gemäss Pharma-Kooperations-Kodex des Verbands Scienceindustries offengelegt haben.
«Pharmagelder Schweiz» ist ein Projekt des Ringier Axel Springer Research Network. Im Netzwerk arbeiten Journalisten verschiedener Medien bei transnationalen, datengetriebenen oder investigativen Projekten zusammen. Teil davon sind: Beobachter, «Blick»-Gruppe, «Handelszeitung» und «Le Temps» (Schweiz), «Welt» und «Bild» (Deutschland), «Pulse» (Nigeria), «Politico» (Belgien), «Onet» (Polen), «Aktuality.sk» (Slowakei), «Libertatea» (Rumänien), «Blic» (Serbien), «Blikk» (Ungarn), «Business Insider» (Vereinigtes Königreich).
Jürg Granwehr von Science Industries erklärt, «nicht-durchsuchbare Bilddateien» seien «per se aus Transparenz-Sicht kein Problem». Er will aber bei den Pharma-Reports noch mehr Nutzerfreundlichkeit durchsetzen: «Wir arbeiten kontinuierlich daran, wo nötig Richtlinien zu erarbeiten, die dann auch eingehalten werden.»
Finanzspritzen der Pharmabranche an Ärzte, Spitäler und Apotheker sind dem Bundesrat ein Dorn im Auge. Wie er gestern entschied, soll Gesundheitsminister Alain Berset (47) die Zügel anziehen: Ab 2020 sind geldwerte Vorteile nicht mehr zulässig, wenn sie an Bedingungen geknüpft sind oder beeinflussen können, welche Medikamente ein Arzt verschreibt.
Nur noch 300 Franken im Jahr
Konkret soll ein Arzt oder Apotheker nur noch Geschenke oder Leistungen im Wert von 300 Franken im Jahr annehmen dürfen. Spitäler dürfen grössere Summe empfangen, aber ausschliesslich zweckgebunden für Forschung, Lehre und Infrastruktur – und ohne Bedingungen. Einzelpersonen wie Chefärzte sollen zudem keinen Zugriff auf die Gelder haben.
Auch bei Rabatten will der Bundesrat mehr Transparenz schaffen. Neu müssen Pharmafirmen dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) offenlegen, wem sie Preisnachlässe gewährt haben.
Nur: Wie wird kontrolliert?
Hintertürchen bleiben aber genug. Zum einen können Pharmaunternehmen auch weiterhin Ärzte zu Kongressen einladen und ihnen Spesen für Essen und Übernachtung vergüten. Ärzte müssen sich lediglich mit einem Selbstkostenbeitrag beteiligen, was heute schon üblich ist.
Zum anderen ist völlig unklar, wie das BAG die Regelung kontrollieren und feststellen will, ob begünstigte Ärzte nicht auch weiterhin lieber Medikamente eines grosszügigen Unternehmens verschreiben. Das Amt selbst schreibt auf Anfrage von BLICK nur: «Das BAG kontrolliert, ob diese Regelungen eingehalten werden (aufgrund von Anzeigen oder eigener Erkenntnisse).» Sermîn Faki
Finanzspritzen der Pharmabranche an Ärzte, Spitäler und Apotheker sind dem Bundesrat ein Dorn im Auge. Wie er gestern entschied, soll Gesundheitsminister Alain Berset (47) die Zügel anziehen: Ab 2020 sind geldwerte Vorteile nicht mehr zulässig, wenn sie an Bedingungen geknüpft sind oder beeinflussen können, welche Medikamente ein Arzt verschreibt.
Nur noch 300 Franken im Jahr
Konkret soll ein Arzt oder Apotheker nur noch Geschenke oder Leistungen im Wert von 300 Franken im Jahr annehmen dürfen. Spitäler dürfen grössere Summe empfangen, aber ausschliesslich zweckgebunden für Forschung, Lehre und Infrastruktur – und ohne Bedingungen. Einzelpersonen wie Chefärzte sollen zudem keinen Zugriff auf die Gelder haben.
Auch bei Rabatten will der Bundesrat mehr Transparenz schaffen. Neu müssen Pharmafirmen dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) offenlegen, wem sie Preisnachlässe gewährt haben.
Nur: Wie wird kontrolliert?
Hintertürchen bleiben aber genug. Zum einen können Pharmaunternehmen auch weiterhin Ärzte zu Kongressen einladen und ihnen Spesen für Essen und Übernachtung vergüten. Ärzte müssen sich lediglich mit einem Selbstkostenbeitrag beteiligen, was heute schon üblich ist.
Zum anderen ist völlig unklar, wie das BAG die Regelung kontrollieren und feststellen will, ob begünstigte Ärzte nicht auch weiterhin lieber Medikamente eines grosszügigen Unternehmens verschreiben. Das Amt selbst schreibt auf Anfrage von BLICK nur: «Das BAG kontrolliert, ob diese Regelungen eingehalten werden (aufgrund von Anzeigen oder eigener Erkenntnisse).» Sermîn Faki
«Der Staat muss durchgreifen»
Gesundheitsökonom Heinz Locher (75) ist anderer Meinung: «Die selbstverordnete Transparenz der Pharmafirmen ist Scheintransparenz.» Der Kooperations-Kodex reiche nicht aus. Hier müsse der Staat in einzelnen, konkreten Feldern durchgreifen.
Auch die Ärztevereinigung FMH findet, dass es bei der Transparenz Nachbesserungsbedarf gibt. Es sei besser, wenn die Pharma-Zahlungen «an einer einzigen Stelle publiziert sind und nicht bei jedem einzelnen Unternehmen gesucht werden müssen». Unabhängig vom Wunsch der FMH hat BLICK gemeinsam mit «Handelszeitung», «Beobachter» und «Le Temps» genau einen solchen Ort geschaffen und sorgt für Transparenz: www.pharmagelder.ch