Die EU ist nicht nur eine Wertegemeinschaft, sondern auch eine gewaltige Geldumverteilungsmaschine. Milliarden von Euros fliessen in die Mitgliedsländer – konkret in neue Strassen, in Renovierungen von Gemeindegebäuden oder in Projekte, die Arbeitslosen helfen sollen, einen Job zu finden. Doch das viele Geld lockt auch Betrüger an.
Knapp 1,5 Milliarden Euro sind zwischen 2013 und 2017 in EU-Ländern versickert. Das zeigt ein Bericht, den der Europäische Rechnungshof am heutigen Donnerstag vorgestellt hat. Demnach wurden 4000 «potenziell betrügerische Unregelmässigkeiten» festgestellt, die die Finanzinteressen der EU und ihrer Mitgliedsländer betreffen. Das sind mehr als zwei Bschiss-Fälle pro Tag!
Rechnungshof fordert Strategie gegen Betrug
Der Rechnungshof mahnt angesichts dieser Zahlen an, die EU-Kommission solle von den Mitgliedsländern eine Strategie und Politik verlangen, um «Betrug gegen EU-Fonds zu bekämpfen.»
Der weitaus grösste Teil der illegal abgeschöpften Gelder betrifft die Geldtöpfe, die bereitgestellt werden, um strukturschwache Regionen aufzupäppeln und die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den EU-Ländern abzufedern. Hier gingen insgesamt 1,1 Milliarden Euro mithilfe von Betrug und Korruption flöten – statt an die geplanten Projekte.
Es sind vor allem osteuropäische EU-Länder, in denen diese Gelder versickern. Während im Schnitt von einem Kohäsions-Euro 0,44 Cent in die falschen Taschen fliessen, sind es in Lettland 0,86 Cent. Noch düsterer sieht es in Tschechien (0,88 Cent pro Euro) und Rumänien (1,1 Cent pro Euro) aus. Während in Deutschland (0,14 Cent pro Euro), Frankreich und Belgien (beide 0,02 Cent pro Euro) die Töpfe recht sicher sind vor Betrügern, sieht es in der Slowakei ganz anders aus. Zwischen 2013 und 2017 flossen 2,13 Cent von jedem EU-Euro, der in die Slowakei ging, in die falschen Taschen – und das sind nur die aufgedeckten und gemeldeten Betrügereien! Damit ist das Land trauriger Spitzenreiter.
Betrug geht weiter
Und dort bedient man sich munter weiter an EU-Geldern. Dies zeigen etwa Recherchen des Investigativjournalisten Jan Kuciak (†27), der zusammen mit seiner Verlobten im vergangenen Februar erschossen wurde. Kuciak hatte nachgewiesen, dass EU-Gelder statt in Agrar-Projekte in die Taschen italienischer Mafiosi in der Ostslowakei flossen.
Olaf, das Antikorruptionsbüro der EU-Kommission, hat auf Grundlage dieser Recherchen drei Verfahren eingeleitet. Schweizer Steuerzahler dürfen aufatmen: Zwar floss ein zweistelliger Millionenbetrag in die Slowakei. Betrugsfälle mit Schweizer Geldern seien aber weder dort, noch in anderen EU-Länden bekannt, so das EDA auf Anfrage von BLICK.