Zerschlagen. Zerreden. Zerbrechen ... Klebt man an ein Wort die Vorsilbe «Zer-», verwandelt es sich – schwups – in einen Aggressor, einen Vernichter. Eines dieser Aggro-Wörter steht jetzt im Zentrum der politischen Diskussion der Schweiz: «Zersiedeln».
Die Initiative «Zersiedelung stoppen – für eine nachhaltige Siedlungsentwicklung» der Jungen Grünen kommt am 10. Februar vors Volk. Nicht einmal die Initiativgegner finden die Zersiedelung gut: Der Nein-Komitee-Co-Präsident, der Berner BDP-Ständerat Werner Luginbühl (61), hält Zersiedelung sogar für ein «grosses Problem».
Zersiedelung: Ausbreitung wie bei einem Hautausschlag
Aber: Was ist das Problem? Was ist «Zersiedeln» eigentlich? Und wer zersiedelt hier wen?
Landschaft und Natur werden nicht etwa Opfer von Zersiedelung, wenn in Bauzonen verdichtet wird. Sondern wenn auf bisher unbebauten Flächen ausserhalb von Ortschaften einzelne Gebäude errichtet werden oder wenn sich Dörfer und Städte an den Rändern ausbreiten, wie man es von Hautausschlägen kennt: Es wird nicht gleich alles auf einen Schlag rot. Es beginnt viel eher mit einzeln verteilten Punkten, die mal hier, mal dort auftauchen und zu denen sich immer weitere hinzugesellen.
Dies Arte der Ausbreitung lässt sich etwa im St. Galler Rheintal beobachten.
Auch im Raum Lenzburg AG kann man sehen, wie die Landschaft seit 1958 immer mehr zersiedelt wurde.
Zersiedelung hat also etwas damit zu tun, wie breit gestreut gebaut wird. Das heisst: mehr Fläche wird bebaut, während diese Fläche gleichzeitig wenig genutzt wird. Warum kommt es denn zu diesem Phänomen?
Ursachen
Zersiedelung hat nicht nur eine einzelne Ursache. Es gibt immer mehr Menschen in der Schweiz, und die wollen einerseits immer mehr Wohnfläche. Andererseits möchten viele ein Haus im Grünen, wollen weiter weg von anderen Häusern wohnen. Je mehr sich also ein Stück vom Kuchen nehmen, desto mehr schwindet dieser Kuchen dahin.
Folgen
Durch die Zersiedelung verschwinden grosse zusammenhängende Flächen ohne Bebauung. Das hinterlässt den Eindruck, dass es kaum noch unberührte Natur gibt. Doch die Zersiedelung geht nicht nur auf Kosten des Landschaftsbilds, sondern auch des Steuerzahlers. Denn die verstreuten Häuser müssen ans Versorgungs- und Verkehrsnetz angeschlossen werden.
Gegenmassnahmen
Es ist nicht so, als wäre bisher nichts gegen die Zersiedelung getan worden. Vor allem auf gesetzgeberischer Ebene: Die Zweitwohnungs-Initiative von 2012 und das neue Raumplanungsgesetz von 2014 gaben Gegensteuer. Das reicht den Jungen Grünen aber nicht. Über ihre Zersiedelungs-Initiative wird am 10. Februar abgestimmt.
Konkret wollen die Junggrünen mit ihrer Initiative die Handbremse ziehen, wenn es um Bauflächen geht. Wird eine Fläche neu als Bauzone ausgewiesen, muss dies ausgeglichen werden. Das heisst: Die Bauzone muss um mindestens die gleiche Fläche andernorts verkleinert werden.
Ausserdem soll laut Initiativ-Text «für günstige Rahmenbedingungen für nachhaltige Formen des Wohnens und Arbeitens in kleinräumigen Strukturen mit hoher Lebensqualität und kurzen Verkehrswegen» gesorgt werden.
Zudem sollen ausserhalb von Bauzonen nur standortgebundene Bauten und Anlagen für die bodenabhängige Landwirtschaft gebaut werden dürfen – oder solche, die von öffentlichem Interesse sind.