Sie stammt aus dem 6. Jahrhundert
Älteste Prothese Europas entdeckt

Österreichische Archäologen haben am Hemmaberg die Überreste eines Einbeinigen ausgegraben. Das Besondere: Der Mann trug eine Gehhilfe aus Holz und Metall.
Publiziert: 13.01.2016 um 15:32 Uhr
|
Aktualisiert: 04.10.2018 um 18:37 Uhr
1/4
Der Einbeinige vom Hemmaberg: Die Überreste des Mannes stammen aus dem 6. Jahrhundert.
Foto: ÖAI

Wissenschafter haben bei Ausgrabungen in Österreich das Grab eines Mannes entdeckt, der schon vor 1500 Jahren eine Fussprothese aus Holz getragen hat. Das berichten Forscher vom Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) im «International Journal of Paleopathology». Die Fundstätte befindet sich am Hemmaberg in Kärnten.

Ältere derartige Ersatzglieder kenne man nur aus China, Ägypten und römischen Berichten. «In Europa ist es die bisher älteste Prothese», sagte ÖAI-Direktorin Sabine Ladstätter gegenüber der Nachrichtenagentur APA.

Mit Kurzschwert und Bibel bestattet

Seit Jahren legen die Archäologen des ÖAI am Hemmaberg einen Kirchenkomplex aus dem 5. und 6. Jahrhundert frei. Der Ort war im frühen Christentum ein grosses Pilgerheiligtum. Bisher wurden dort sechs Kirchen sowie Sonderbestattungen in und um die Gotteshäuser ausgegraben. Personen von hohem sozialen Rang erhielten damals das Privileg einer kirchennahen Bestattung. Auch der 2013 vom Archäologen Franz Glaser ausgegrabene Mann mit der Fussprothese hatte einen derart prominenten Bestattungsplatz gleich ausserhalb der Kirchenmauer.

Abgesehen vom hohen sozialen Rang des Mannes mittleren Alters, der mit einem Kurzschwert und einer Fibel bestattet wurde, offenbarte die Ausgrabung Besonderes: Sein linker Fuss war oberhalb des Knöchels abgetrennt.

Den Eisenring mit sechs Zentimeter Durchmesser fanden die Archäologen am linken Bein des Mannes.
Foto: ÖAI

An dieser Stelle fand sich ein etwa sieben Zentimeter grosser Eisenring und Holzreste. Die Anthropologin Michaela Binder vom ÖAI, die Erstautorin der nun veröffentlichten Arbeit, die derzeit im Sudan gräbt, interpretierte diese Funde als Prothese.

Gute medizinische Versorgung

Röntgen- und CT-Untersuchungen des Skeletts zeigten, dass die Wunde gut verheilte, auch wenn es Anzeichen für eine ursprüngliche Knochenmarksentzündung gibt. Knochenschwund am linken Unterschenkel deutet einerseits darauf hin, dass der Mann das Bein nur mehr gering belasten konnte, andererseits auch darauf, dass er die schwere Verletzung mehrere Jahre überlebt hat.

«Das zeigt aber auch, dass die medizinische Versorgung gut war und man sich auch die Mühe einer Behandlung gemacht hat. Das wiederum belegt den sozialen Status der Person, der die Möglichkeit hatte, sich verarzten und so gut pflegen zu lassen, dass er weiterleben konnte», sagte Ladstätter.

Auch wenn er das Bein nicht mehr voll belasten konnte, sieht Binder in der im Knie und Schulter festgestellten Arthrose Hinweise darauf, dass die Prothese tatsächlich benutzt wurde, möglicherweise unterstützt durch eine Krücke.

Fuss womöglich beim Kampf verloren

Nur spekulieren können die Wissenschafter darüber, wie der Mann seinen Fuss verloren hat, ob bei einem Kampf oder durch einen Unfall. Eindeutige Abnützungsspuren an den Knochen verrieten allerdings, dass es sich um eine Person gehandelt hatte, die sehr viel geritten ist.

Dies und die Art, wie der Fuss abgetrennt wurde, könnte darauf hindeuten, dass er auf dem Pferd sitzend bei einer Kampfhandlung die folgenschwere Verletzung erlitten hat. (SDA)

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?