Nestlé-Präsident Peter Brabeck produziert Kaviar im Wallis
«Ich bin der Pate aller Störe»

Peter Brabeck (71) will es noch mal wissen: Er hat privat in das Walliser Start-up Kasperskian investiert, das mit einem neuen Verfahren Kaviar herstellt.
Publiziert: 30.10.2016 um 21:16 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 12:10 Uhr
Diese Fische sterben bei der Kaviar-Produktion nicht
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Einzigartige Kaviar-Zucht im Wallis:Diese Fische sterben bei der Kaviar-Produktion nicht

Herr Brabeck, Sie stellen bei Nestlé vom Schokoriegel bis zur Nespresso-Kapsel alles her. Jetzt also auch Schweizer Kaviar. Ist das sehr anders?
Peter Brabeck: Kaviar kann man nicht wie eine Nespresso-Kapsel verkaufen. Vieles ist aber gleich. Beides sind Premium-Produkte, die nachhaltig erzeugt werden. Den Stör können wir jahrelang nutzen, weil wir ihn nicht traditionell aufschneiden und die Eier samt Eierstöcken entnehmen. Wir massieren die Eier aus dem Fisch. So schmeckt der Kaviar nicht so fischig.

Haben Sie nach der Kritik von Umweltorganisationen an Nestlé plötzlich die Umwelt entdeckt?
Dafür brauchte ich keine Aktivisten, ich habe das Thema Umwelt für mich schon vor 60 Jahren entdeckt. Ich war seit jüngster Kindheit immer am Berg und im Wald. Als alle Zeitungen voll waren vom Waldsterben, habe ich vergeblich die sterbenden Bäume gesucht. Ich bin, wenn Sie so wollen, ein alter Ökologe.

Ein Ökologe will 98 Prozent des Wassers privatisieren?
Ich habe noch nie gesagt, Wasser müsse privatisiert werden. Ich forderte bereits im Jahr 2008, dass das Wasser, das wir zum Leben brauchen, ein Menschenrecht ist. Damit meine ich die täglichen fünf Liter zum Trinken und 25 Liter zur Minimumhygiene. Aber das macht 1,5 Prozent des Verbrauchs der Menschheit aus.

Damit wären wir bei den gut 98 Prozent.
Dieses Wasser verschleudern wir, weil wir ihm keinen Wert geben. Das Wasser, in dem unsere Störe schwimmen, hat auch einen Wert. Deshalb kostet der Kaviar auch, was er kostet.

Machen Sie Kaviar, weil es Ihr Leibgericht ist?
Ich esse Kaviar nicht jeden Tag, sondern selten als Spezialität. Der Grund für mein Engagement bei Kaspers­kian ist, dass ich weiterhin gerne mit hochwertigen Produkten in Verbindung bin. Ausserdem wollte ich zeigen, dass man in der Schweiz noch ein Produkt herstellen kann, das hier und auf dem internationalen Markt Abnehmer findet.

Was braucht es, um in der Schweiz produzieren zu können?
Weil wir in der Schweiz die höchsten Löhne Europas haben, kann es nicht irgendein Produkt sein. Entweder Sie haben ein hochwertiges oder ein Hochvolumen-Produkt. Für zweites ist der Schweizer Markt zu klein.

Mit Nestlé haben Sie grosse Volumina gestemmt. Kommt Wehmut auf angesichts Ihres Abschieds im Frühling?
Nein. Wenn Sie 50 Jahre bei einer Firma waren, wissen Sie, dass irgendwann auch die Zeit kommt, zu gehen. Der Abschied fällt mir nicht schwer, weil ich weiss, dass die Firma erstens mit den Bereichen Health und Wellness strategisch richtig ausgerichtet ist. Denn hier liegt die Zukunft. Und zweitens ist die Nachfolge bestens gelöst.

Woran machen Sie fest, dass Gesundheit und Wellness Zukunftstrends sind?
In der Lebensmittelindustrie gab es immer zwei Dimensionen. Zum einen die soziale Aufgabe – etwa für die Arbeiterfamilie eine schnell zuzubereitende Ernährung zu entwickeln, wie es Julius Maggi tat. Zum anderen gab es immer wieder Technologie-Sprünge, die es erlaubten, die Bevölkerung immer besser zu versorgen.

Wohin führen uns diese Sprünge heute?
Heute wird die Bevölkerung mit mehr als genug Kalorien versorgt. Aber wir müssen die qualitative Versorgung noch verbessern. Das ist jetzt die soziale Aufgabe. Die technische Revolution, die uns dabei helfen wird, Genomik und etwa Mikrobiomik. Das sind die wissenschaftlichen Durchbrüche, verbunden mit riesigen Datenmengen.

Geben Sie uns ein Beispiel, wie Daten unsere Lebensmittel gesünder machen können?
In einigen Jahren wird man für zehn bis 100 Franken ihr Genom aufschlüsseln. Zudem werden Lebensmittel und der Einfluss von Alkohol und Rauchen auf Sie und das Essen analysiert. Das macht es möglich, eine Diät auf Sie zuzuschneiden.

Dann ist das gemeinsame Znacht passé!
Nicht unbedingt. Wir werden weiterhin fröhlich Bananen essen und Milch trinken. Aber die Zusammensetzung wird personalisierter. Verschiedene Diäten werden an verschiedene Lebensabschnitte angepasst. Ich brauche etwa mehr Magnesium als früher, damit ich keine Krämpfe bekomme.

Persönliche Diäten gibt es doch schon.
Nur ganz grob. Als Europäer sagen wir: Die mediterrane Diät ist die beste. Geben sie diese mal einem Japaner, der seine Kalorien Tausende von Jahren zu 98 Prozent aus Kohlenhydraten bekommen hat. Oder einem Grönländer Brot, der 98 Prozent seiner Kalorien durch Fette absorbiert. Es ist kein Zufall, dass auch in Grönland und Japan Zivilisationskrankheiten grassieren.

Ohne Nestlé gäbe es gewisse Nahrungsmittel an manchen Orten der Welt nicht. Sie haben also zur Ausbreitung dieser Krankheiten beigetragen!
Natürlich. Wir haben in der Vergangenheit unsere Essgewohnheiten in andere Länder übertragen. Das hat zum Teil Schaden verursacht.

Sie haben mit Mark Schneider (50) einen neuen Nestlé-CEO geholt, mit dem niemand gerechnet hatte. Er fängt Anfang 2017 an. Warum er?
Nestlé Health Science und Nestlé Skin Health sind ausserhalb der traditionellen Nestlé positioniert. Innerhalb des Konzerns hatten wir bei der Gründung nicht die Kompetenzen. Auch diese Gesundheitsbereiche müssen langfristig in Nestlé integriert sein. Aber um sie zu integrieren, muss man jemanden haben, der etwas von Gesundheit versteht. Deshalb haben wir uns ausserhalb von Nestlé umgeschaut und Mark Schneider getroffen.

Welche anderen Engagements haben Sie noch?
Ich investiere in verschiedene Start-ups. Nachhaltige Landwirtschaft interessiert mich sehr. Ich habe zum Beispiel in Gamaya investiert, ein Start-up der EPFL (Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne). Die können mit einer Drohne über ein Feld fliegen und in den Boden hineinsehen. So kann man viel nachhaltiger düngen, weil der Boden nur das bekommt, was er absolut braucht. Ausserdem habe ich ein eigenes kleines Weingut. Und wir haben unseren eigenen Gemüsegarten. Wir sind also quasi Selbstversorger (lacht).

Und nächstes Jahr wird Ihr neuer Pilatus-Jet ausgeliefert.
Genau, das Flugzeug ist für mich auch dazu da, um mich geistig und körperlich fit zu halten. Bei einer Fluglizenz muss man ja auch immer zum Gesundheitstest. Und wegen der dauernden Prüfungen muss man schauen, dass der Kopf noch funktioniert.

Haben Sie die Lizenz schon?
Ich habe alle Fluglizenzen, aber ich muss noch die Prüfung für diesen einen Jet machen. Die mache ich erst, wenn das Flugzeug auch auf dem Markt ist. Es gibt noch gar kein Programm dafür.

Ausserdem wollen Sie auf der Riederalp mit Art Furrer ein Hotel bauen.
Ja, aber diese Pläne haben sich ziemlich verändert. Als wir angefangen haben, war der Schweizer Tourismus noch in einer anderen Situation. Heute ist die Lage weit weniger komfortabel. Es ist immer noch so, dass es mehr Hotelbetten braucht auf der Riederalp. Aber eher nicht im Luxusbereich, wie wir das geplant hatten. Wir entwickeln jetzt etwas Neues, eher im Mittelklasse-Bereich.

Werden Sie sich mehr mit Kaviar beschäftigen, wenn Sie im Frühling Ihr Amt als Nestlé-Präsident abgeben?
Natürlich werden ich mich mehr meinen Privatinteressen widmen – wie zum Beispiel Kasperskian. Aber mehr Zeit für mich selbst zu haben, ist ja auch nicht schlecht.

Man kann ja Pate werden von so einem Stör. Sind Sie selbst Pate?
Ich bin der Pate von allen Stören! (Lacht)

Peter Brabeck

Der gebürtige Österreicher Peter Brabeck (71) arbeitet seit 1968 für Nestlé. 1997 wurde er CEO, seit 2005 ist er Präsident des Verwaltungsrats. Während dreier Jahre hatte er beide Ämter inne. 2014 ist Brabeck an Krebs erkrankt, mittlerweile gilt er als vollständig geheilt. Er ist verheiratet und Vater von drei ­Kindern.

Der gebürtige Österreicher Peter Brabeck (71) arbeitet seit 1968 für Nestlé. 1997 wurde er CEO, seit 2005 ist er Präsident des Verwaltungsrats. Während dreier Jahre hatte er beide Ämter inne. 2014 ist Brabeck an Krebs erkrankt, mittlerweile gilt er als vollständig geheilt. Er ist verheiratet und Vater von drei ­Kindern.

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