In letzter Sekunde haben die Deutschen einen Absturz ihrer Regierung verhindert. CSU-Innenminister Horst Seehofer (68) wird mit den Zurückweisungen von Migranten an der Grenze noch bis Anfang Juli zuwarten, was CDU-Kanzlerin Angela Merkel (63) etwas Luft verschafft.
Danach solle es aber «keinen Automatismus» für die Zurückweisung von Flüchtlingen geben, betonte Merkel vor den Medien in Berlin. «Im Lichte des Erreichten wird über das weitere Vorgehen entschieden», sagte sie. Als Zeitpunkt für Beratungen, um über das weitere Vorgehen in Deutschland zu entscheiden, nannte sie Anfang Juli.
Wirksamer Grenzschutz
Damit kann Merkel versuchen, auf dem EU-Gipfel Ende Juni eine europäische Asylreform durchzusetzen und ein von Seehofer geplantes einseitiges deutsches Vorgehen zu verhindern.
Angestrebt wird ein wirksamer Schutz der EU-Aussengrenzen, die gerechte Verteilung der Migranten mit Bleiberecht auf die Mitgliedstaaten sowie die schnelle Rückführung der Migranten ohne Bleiberecht.
EU ist zuversichtlich
Diese Lösung versucht die EU schon seit drei Jahren umzusetzen. Bisher ohne Erfolg. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker (63) sagte aber heute Mittag, er sei «sehr zuversichtlich», dass eine Einigung bei der europäischen Asylreform bis Ende Juni möglich sei.
Merkel sucht gleichzeitig auch den bilateralen Kontakt zu andern Staaten. In den kommenden zehn Tagen seien Treffen mit Österreich, Italien, Griechenland und Rumänien geplant, um über den Kampf gegen die illegale Migration zu verhandeln.
Trump spricht von Asyl-Fehler
Der Asylstreit war gestern auch bei US-Präsident Donald Trump (72) ein Thema. Er twitterte: «Die Menschen in Deutschland wenden sich gegen ihre Führung, da die Migration die bereits wacklige Berliner Koalition bedroht.»
In ganz Europa sei der Fehler gemacht worden, Millionen von Menschen aufzunehmen, welche die Kultur so stark und gewaltvoll verändert hätten. Trump behauptet, die Kriminalität in Deutschland nehme zu. Das ist nachweislich falsch: Die Zahl der Straftaten in Deutschland sank 2017 nach der polizeilichen Kriminalstatistik auf das niedrigste Niveau seit 25 Jahren.
Wie reagieren die Wähler?
Die unionsinternen Querelen kommen bei den deutschen Wählern nicht gut an. Der Streit bringt laut Trendbarometer von RTL/n-tv die Umfragewerte der CDU/CSU auf Talfahrt. Innerhalb einer Woche sank die Beliebtheit von 34 auf 30 Prozent. Auch der Koalitionspartner SPD fällt von 18 auf 16 Prozent zurück.
Dafür profitiert die rechte AfD, die zwei Punkte zulegt und mit 15 Prozent nun fast die SPD eingeholt hat. Es ist ihr höchster Wert seit der Bundestagswahl am 24. September 2017.
Profiteure des Unionsstreits sind auch die Grünen mit 14 (+2), die FDP mit 10 (+1) und die Linke mit 9 (+1) Punkten.
Wie kam es zum Streit?
Der Schlagabtausch in der deutschen Regierung ist nach Bekanntwerden des Asylskandals öffentlich ausgebrochen. Angestellte des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) im Bremen hatten offenbar mindestens 1200 Asylanträge ohne rechtliche Grundlagen anerkannt. Gewisse Mitarbeiter werden verdächtigt, sich am Durchwinken von Personen persönlich bereichert zu haben. Möglicherweise wurden auf diese Weise sogar potentielle Attentäter eingeschleust.
Das alles geschah vor Seehofers Zeit als Innenminister. Er will nun Licht in die Sache bringen.