Kein Comeback für Ex-SRF-Chefin Ingrid Deltenre:
«Eine Rückkehr kommt für mich nicht in Frage»

Fünf Jahre lang war sie Chefin des Schweizer Fernsehens, bis sie 2010 Direktorin der European Broadcasting Union in Genf wurde. Jetzt hat Ingrid Deltenre (56) bei der EBU gekündigt. Gegenüber SonntagsBlick erläutert sie ihre Zukunftspläne.
Publiziert: 26.02.2017 um 18:12 Uhr
|
Aktualisiert: 12.09.2018 um 03:50 Uhr
Ingrid Deltenre freut sich auf ihre neuen Aufgaben.
Foto: LAURENT GILLIERON
Interview: Dominik Hug

BLICK: Sie standen acht Jahre an der Spitze der European Broadcasting Union (EBU). Warum hören Sie auf?
Ingrid Deltenre: Ich möchte mich auf meine Tätigkeit als Verwaltungsrätin konzentrieren. Und ich glaube, nach acht Jahren unter der gleichen Führung tut frischer Wind an der Spitze einer Firma gut.

Was war Ihre grösste Errungenschaft bei der EBU?
Zweierlei. Wir sind heute ein sehr respektierter Partner für Regierungen und Behörden auf europäischer und nationaler Ebene in allen Fragen, die Medienfreiheit, Medienregulierung, modernste Produktions- und Distributionstechnologien sowie Cyber-Security bei elektronischen Medien betreffen. Zum Zweiten erbringt die EBU für ihre Mitglieder auch kommerziell sehr wichtige Leistungen. So ist die Eurovision praktisch an allen wichtigen internationalen Sportevents beteiligt. Dank unserer Top-Qualität vertraut zum Beispiel auch die amerikanische Profi-Basketballliga NBA auf das Eurovisions-Netzwerk, sogar bei der Distribution ihrer Spiele in den USA.


Was haben Sie bei der EBU nicht geschafft?
Die Eurovision ist derzeit an einer grossen Reorganisation, in deren Rahmen alle kommerziellen Tätigkeiten in eine Tochtergesellschaft ausgelagert werden, um klarere Verhältnisse und mehr Transparenz zu schaffen und um den kommerziellen Arm der EBU zu stärken. Diese Reorganisation habe ich zwar angestossen, aber ich werde sie nicht mehr selber umsetzen.


Was machen Sie ab Sommer 2017?
Ich werde mich vorläufig auf meine drei VR-Mandate konzentrieren und allenfalls auch gewisse Beratungsmandate übernehmen.


Können Sie sich vorstellen, zur SRG zurückzukehren?
Ich verdanke der SRG viel und werde meine Zeit beim Schweizer Fernsehen immer in guter Erinnerung behalten, zum Beispiel die wunderbare Opernaufführung «Traviata im Hauptbahnhof». Und natürlich freut es mich, dass die meisten Sendungen, die wir damals lancierten wie «Eco», «SF Börse», «Kulturplatz», «SF bi de Lüt» und «Einstein» auch heute noch wichtige Programm-Elemente sind. Aber eine Rückkehr kommt für mich nicht in Frage.

Was sahen Sie auch in den letzten Jahren im Schweizer Fernsehen?
Unter der Woche in Genf schaue ich mir vor allem die ausgezeichneten Informationssendungen auf dem Westschweizer Fernsehen RTS an, am Wochenende hier in der Deutschschweiz dann die «Tagesschau» und Sportsendungen von SRF, zuletzt vor allem auch die super Berichterstattung von der Ski-WM in St. Moritz. Die Verabschiedung von Bernhard Russi und Matthias Hüppi ganz am Schluss hat auch mich sehr berührt.

In der Schweiz wird die SRG momentan stark angegriffen: Die No-Billag-Initiative will TV-Gebühren abschaffen. Was halten Sie davon?
Die SRG spielt eine sehr wichtige Rolle für die schweizerische Politik, aber auch für unsere Kultur, insbesondere den Schweizer Film und das schweizerische Musikschaffen. Oder auch für Sportanlässe wie zum Beispiel das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest. Bei einer Annahme der Initiative würden diese wichtigen Aktivitäten geschwächt oder sogar gefährdet. Die No-Billag-Initiative hätte damit einen sehr negativen Einfluss auf unsere schweizerische Eigenständigkeit und das Funktionieren unseres basisdemokratischen Systems. Sie würde uns von internationalen Medien und ihren Vermarktern abhängig machen.


Wie wichtig ist der Service public für unser Land?
Wir brauchen für unsere Bevölkerung gute öffentliche Schulen, ein gutes öffentliches Gesundheitswesen, ein gutes öffentliches Eisenbahnnetz – und ein gutes öffentlich-rechtliches Radio und Fernsehen. Ohne einen solchen Service public wird die Schweiz ihre politische Unabhängigkeit, ihren wirtschaftlichen Erfolg und damit auch ihren gesellschaftlichen Zusammenhalt und Wohlstand verlieren.



Fehler gefunden? Jetzt melden