Jetzt droht ihm Knast!
Richter sagt «No Deal» zu Radstar Ullrich

Der Ex-Radprofi Jan Ullrich musste sich heute vor Gericht verantworten – weil er betrunken gleich zwei Unfälle gebaut hat. Der Radprofi gab sich reuig. Doch die Richter haben kein Gehör und lassen einen Deal zwischen Verteidigung und Staatsanwalt platzen.
Publiziert: 21.07.2015 um 14:07 Uhr
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Aktualisiert: 07.10.2018 um 10:07 Uhr
Von Viktor Dammann

Nicht mit 139 km/h sondern möglicherweise mit mindestens 143 km/h baute der einstige Radstar Jan Ullrich (41) im vergangenen Jahr bei Mattwil TG einen schweren Unfall. Das zeigte ein Geschwindigkeits-Gutachten heute vor Gericht. Zudem soll Ullrich neben 1,8 Promille Alkohol auch Valium im Blut gehabt haben. Wegen der neuen Erkenntnisse will das Gericht den Prozess nochmals aufnehmen und schickt einen Deal zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft bachab.

Vor dem Bezirksgericht Weinfelden deutete heute alles auf eine kurze Sache hin. Der geständige Ullrich und die Staatsanwaltschaft hatten sich auf eine bedingte Strafe von 18 Monaten und 10‘000 Franken Busse verständigt. Doch sie machten die Rechnung ohne das Gericht.

Ullrichs Auftritt war spektakulär: Der ehemalige Tour-de-France-Sieger kam im Porsche Panamera zum Gericht – er sass aber nicht selbst am Steuer, er stieg hinten aus. Denn Ullrich ist seit dem Unfall 2014 sein Billet los. Wann er es wieder bekommt, hängt vom weiteren Verfahren ab.

«Ein kleiner Termin» im Thurgau

Er habe «nichts gedacht», als er sich alkoholisiert ans Steuer gesetzt habe, erklärte der Deutsche vor Gericht. Er habe Besuch von Freunden aus München gehabt, die als Geschenk «ein paar Kisten Weisswein» mitbrachten. «Ich liess mich hinreissen, einige Flaschen aufzumachen», sagt Ullrich. Er bereue seinen Fehler zutiefst und schäme sich. Mit der Anklageschrift fächerte er sich immer wieder Luft zu.

Er habe an jenem Tag eigentlich nichts mehr vorgehabt, erklärte Ullrich in der Befragung durch den Gerichtspräsidenten. Dann sei er per Handy an «einen kleinen Termin» in Tägerwilen TG erinnert worden. Gedankenlos sei er mit dem Auto losgefahren.

Der verhängnisvolle Unfall passierte auf der Rückfahrt. Die Unfallstelle sah nach seiner Raserfahrt am 19. Mai 2014 aus wie nach einem Bombenangriff - überall lagen Fahrzeugteile.

Trotz einem Bremsmanöver prallte Ullrich damals mit seinem Audi Quattro noch mit gegen 100 Km/h auf einen vor einer Kreuzung stehenden Citroën. Dieser wurde über die Hauptstrasse katapultiert, wo er sich auf einer angrenzenden Wiese überschlug. In der Folge kollidierte der Ex-Radprofi noch mit einem korrekt entgegenkommenden Alfa Romeo. Der Sachschaden der drei demolierten Autos belief sich auf gegen 70'000 Franken.

Ullrichs Verhalten war «rücksichtslos»

Während Ullrich unverletzt aus seinem kaputten Audi kletterte, mussten die zwei anderen Lenker ins Spital. 

«Es war ein grosser Zufall und viel Glück, dass die in den Unfall verwickelten Personen nicht schwer verletzt oder sogar getötet worden sind», schreibt Staatsanwältin Deborah Holliger-Schalch in ihrer Anklageschrift. Das Verschulden Ullrichs wiege «sehr schwer». Sein Vorgehen zeichne sich durch ein erhebliches Mass an Rücksichtslosigkeit aus.

Hat die Staatsanwältin geschlampt?

Nach seinem letztjährigen Horrorunfall hatte Ullrich zuerst gegenüber BLICK behauptet, es sei gar kein Alkohol im Spiel gewesen. «Mein Gott, das kann jedem mal passieren», diktierte er dem Reporter. Erst einen Tag später bereute er seine Blaufahrt «zutiefst» und besuchte seine Opfer im Spital.

Dies nahm die Staatsanwältin dem gefallenen Radstar offenbar ab. Unter anderem sei seine Reue «strafmindernd» zu berücksichtigen. Doch die Staatsanwältin muss bei ihrer Anklage nochmals über die Bücher. Nicht nur die Ungereimtheiten zum Tempo werfen Fragen auf. Offen ist auch, warum das Valium im Blut des Radstars in der Anklageschrift nicht erwähnt wurde.

Mit 140 km/h fällt eine Fahrt unter den Raser-Tatbestand. Jan Ullrich droht also eine unbedingte Knaststrafe.

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