Nach einem energetischen Auftakt durch die charismatische Sängerin Lisa Simone (53), Tochter der legendären Sängerin Nina Simone, rockte die amerikanische Band «Vintage Trouble» am Samstagabend das Auditorium Stravinski. Die amerikanische Rhythm’n’Blues-Band aus Los Angeles um Leadsänger Ty Taylor wurde zwar erst 2010 gegründet, tourte aber bereits als Vorgruppe von AC/DC, den Rolling Stones und Bon Jovi und und legte am Samstagabend ein sensationelles Konzert hin.
Der vor Energie strotzende Sänger Ty stürmte während des Auftritts mehrmals mitten ins Publikum, sang von der Empore im Auditorium Stravinski wie ein Priester, und brachte das Publikum zum Toben. Er thematisierte auch die jüngsten Attentate von Dallas auf schwarze Mitbürger und forderte den ganzen Saal auf, das Licht am Handy anzustellen und es in die Luft zu halten. Dann sang er «This can’t be», dies kann nicht sein, und der ganze Saal sang mit.
Power-Performance von Jazz-Überflieger Jamie Cullum
Gegen 11 Uhr hüpfte Festivaldirektor Mathieu Jaton in bester Laune und in kurzen Hosen auf die Bühne und sagte den langerwarteten Jazz-Shootingstar Jamie Cullum (36) aus London an. Dieser machte seinem Namen als wilder Jazz-Sänger alle Ehre. In blauen Turnschuhen, schwarzen Jeans, schwarzem T-Shirt und einem jazzigen, schwarzweiss gemusterten, offenen kurzen Hemd, stürmte Cullum die Bühne, haute auf die Piano-Tasten und sprang, wie man es von ihm kennt, mehrmals auf sein Piano und von dort wieder herunter. Mit «Love for sale» setzte er im ersten Teil seiner Power-Performance einen fast schon düsteren Akzent - den Jazz-Song von Cole Porter aus dem Jahr 1930, der harmlos klingt, eigentlich aber ein Song einer Prostituierten ist, unterlegte er mit heavy Trip-Hop Beats und Hall.
Leidenschaft, Improvisation und magische Momente
Jazz, Pop, Trip-Hop und Rock mischt Cullum, der als bester männlicher Jazz-Sänger der Gegenwart gilt, auch an diesem Abend mit einer verspielten Leichtigkeit. «Bonsoir Montreux», wendet sich Cullum mehrmals ans restlos begeisterte Publikum. «Ich freue mich riesig, mit Ihnen diesen Jubiläumsabend hier in Montreux zu teilen, und damit auch dieses Festival zusammen mit Ihnen zu ehren.» Nach einer Tour durch alte und neuere Songs, genial untermalt von seiner Bläsersektion (Trompete, Saxofon, Klarinette), endet der Abend mit Cullums Cover-Version von «Please don’t stop the music», einem Song von Rihanna. Der Song wird an diesem Abend zur leidenschaftlichen Hymne an die Musik und ans Montreux Jazz Festival.
Als Zugabe schenkt der Power-Sänger, der während seines Konzerts immer wieder seinen Klavierhocker mit einem Tritt zur Seite fegt, weil er im Stehen Klavier spielen will, dem Publikum einen Klassiker, die Ballade «What a difference a day made», ein Song aus den dreissiger Jahren. Es wird still im Saal, und bei der Songzeile «and the difference is you» - den Unterschied machst Du, zeigt Cullum deutlich auf das Publikum. Damit verabschiedet sich der emotionale Sänger, und sagt: Ihr als Publikum, ihr macht für mich den Unterschied.