Nein, knallharte Kapitalisten ohne Herz wollen die 3000 Teilnehmer am WEF nicht sein. Sie geben sie gerne sozial. Die neuen Technologien müssten so genutzt werden, dass sie den Menschen nützten, sagte etwa WEF-Gründer Klaus Schwab. Wie das geschehen soll, blieb aber nebulös.
Anders US-Vizepräsident Joe Biden. Er präsentierte ein Fünf-Punkte-Programm zur Rettung der Mittelklasse. Seine Forderungen lesen sich wie das Parteiprogramm der SP: mehr Bildung, höhere Löhne, mehr staatliche Ausgaben für die Infrastruktur, höhere Steuern für die Reichen, besserer Zugang zu Kapital.
Die WEF-Teilnehmer schauten angestrengt auf ihre Smartphones, als Biden seine Forderungen vortrug. Die Nummer 2 der USA sprach ohne Manuskript und legte viel Herzblut in seine Worte. Doch der Funke zum Publikum sprang nicht. Der Applaus am Schluss war gerade noch knapp höflich.
Dabei sprach Biden den wunden Punkt der von Schwab zum Tagungsthema erhobenen 4. industriellen Revolution an: Sie kostet Millionen von Jobs und führt zur Verarmung der Massen. «Wir hier in diesem Saal haben kein Problem, uns anzupassen», so Biden. «Aber die Menschen draussen haben Angst vor diesen Entwicklungen.»
Er wolle weder den Sozialismus einführen, noch einen neuen Klassenkampf anzetteln, betonte Biden. Auf dem Spiel stehe aber nichts weniger als die politische Stabilität und der wirtschaftliche Wohlstand der westlichen Industrienationen. Ohne starke Mittelklasse habe die Gesellschaft kein Zentrum. Und der Wirtschaft fehle die Nachfrage, um ihre Produkte zu verkaufen und neue Jobs zu schaffen.
«Leute, es ist gar nicht so kompliziert», rief Biden den Wirtschaftsführern zu. Er sei selten so optimistisch gewesen wie heute, dass eine Wende möglich ist. Doch die Zuhörer reagierten mit Langeweile und starrten noch entschiedener auf ihre Smartphones. Biden trug es mit Fassung: «Danke, dass Sie mich ertragen haben», verabschiedete er sich.