Als die Gruppe am Sonntagmorgen die Cabane des Dix verliess, deutete nur ein schwacher Wind auf einen bevorstehenden Wetterumsturz hin. Doch der Wind wurde immer heftiger, die Sicht ging gegen null – und die Gruppe kämpfte plötzlich um ihr Überleben.
Der Italiener Tommaso Piccioli (50) schilderte im «Corriere della Sera», wie er sich im eisigen Sturm wach hielt. Wäre er eingeschlafen, hätte es kein Erwachen für ihn gegeben. Sieben der 14 Berggänger gaben sich der Erschöpfung hin – und verloren beim schwersten Bergunglück seit Jahren ihr Leben am Pigne d’Arolla, nur 400 Meter von der rettenden Cabane des Vignettes entfernt.
«Die Tour rund 30-mal mit Gästen gemacht»
Ueli Mosimann (69), Leiter der Fachgruppe Sicherheit im Bergsport beim Schweizer Alpen-Club (SAC), hat die Berichte über die Katastrophe im Wallis genau verfolgt. «Ein Unglück mit so vielen Toten ist schon aussergewöhnlich», sagt er.
Er kennt die Etappe, die Teil der Haute Route von Chamonix (F) nach Zermatt VS ist, sehr genau. «Rund 30-mal habe ich als Bergführer mit Gästen die Tour gemacht.»
Ganz genau kennt er deshalb auch die Stelle, an der die verunglückte Gruppe in der Nacht auf Montag steckenblieb: «Es gibt dort nur einen kleinen Durchschlupf, der zur Hütte führt», erklärt Mosimann, «erwischt man diesen nicht, ist ein Weiterkommen fast unmöglich.»
Mosimann hat beobachtet, dass auf dieser riskanten Route immer grössere Gruppen mit Bergführern unterwegs sind. «Die Leute buchen ein Abenteuer in den Bergen und legen ihr Schicksal in die Hände eines Bergführers», so Mosimann. Wenn dieser ausfällt und dann noch ein Sturm aufkommt, sind alle verloren.
Vorsicht vor zu grossen Gruppen
Bergführer Michael Wicky (52) bestätigt diese Beobachtung. Für den Leiter des Bergsportveranstalters Bergpunkt.ch ist klar, dass eine Gruppe aus Sicherheitsgründen eine bestimmte Grösse nicht überschreiten darf. «Bei Bergpunkt werden je nach Tour und Können maximal acht Personen einem Bergführer zugeteilt, bei Ausbildungen maximal sechs.»
Wie viele Teilnehmer schliesslich mit auf Tour gehen, komme auf die technischen Schwierigkeiten der Tour an – und auf das Können der Teilnehmer. Früher habe für Bergsportschulen ein Kodex gegolten, den Gästen vorab eine maximale Gruppengrösse mitzuteilen – heute sei dies nirgends festgehalten. Hinzu kämen Gruppen aus dem Ausland, die zu Tiefstpreisen in die Schweiz drängen.
Touristen ohne Biwak-Kenntnisse
Wicky beobachtet auf seinen Touren immer wieder, dass sich viele Gäste völlig einem Bergführer anvertrauen. Viele können sich in einer Notsituation nicht selbst im Gelände orientieren, wissen nicht, wie man jemanden aus einer Gletscherspalte zieht oder einen Verschütteten aus der Lawine gräbt.
Hinzu kommt laut Wicky, dass viele Touristen heute nicht mehr darauf vorbereitet sind, am Berg biwakieren zu müssen. Der Gruppe von Bergführer Mario C. wurde am letzten Wochenende offenbar genau dies zum Verhängnis.