In unserem nördlichen Nachbarland tut sich Erstaunliches. Nach dem Terrorangriff der Hamas und antisemitischen Ausbrüchen auf den Strassen Berlins gibt der sozialdemokratische Bundeskanzler Olaf Scholz im Nachrichtenmagazin «Spiegel» auf einmal den knallharten Asylpolitiker. «Wir müssen endlich im grossen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben», sagte er, natürlich auch geprägt vom Rechtsrutsch bei den Landtagswahlen.
Noch bemerkenswerter ist folgende Äusserung der Interviewer: «Unter den Israelfeinden in Deutschland sind viele Menschen mit arabischem Migrationshintergrund.» So ein Satz der «Spiegel»-Redaktion war bis vor kurzem undenkbar. Judenhass galt ausschliesslich als rechtsextrem, während Migranten aus dem «Globalen Süden» zu Opfern des Postkolonialismus erkoren und unter die moralische Wärmelampe gestellt wurden.
Scholz’ Forderung, dass abgelehnte Asylbewerber das Land zu verlassen haben, hätte in manchen westeuropäischen Milieus bis vor kurzem Schüttelkrämpfe ausgelöst. Als der Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr noch in der SP war, bekam er wegen seines konsequenten Kurses gegenüber abgewiesenen Flüchtlingen den biblischen Zorn seiner Genossen zu spüren.
Die Ereignisse im Oktober 2023 jedoch haben die Koordinaten verschoben. Angela Merkels «Wir schaffen das» scheint weit weg. Der Attentäter, der am Montag in Brüssel zwei Menschen tötete, war ein polizeibekannter Gefährder mit negativem Asylentscheid. Wie, rätselt die Öffentlichkeit, konnte der Tunesier drei Jahre unbehelligt in Belgien leben? Und welche Asylgründe haben junge Männer aus dem Maghreb überhaupt?
Solche Fragen muss sich auch Elisabeth Baume-Schneider gefallen lassen. Ihre Beamten rechnen 2023 mit 30'000 Asylgesuchen in der Schweiz.Die Justizministerin verweist zwar auf die Rückführungsquote, die hier höher ist als anderswo in Europa. Die Bevölkerung aber will keinen Nahostkonflikt auf Schweizer Strassen. Basel und Zürich mussten bereits die staatspolitisch heikle Notbremse ziehen und Demos verbieten.
Die neue deutsche Härte markiert das Ende der Willkommenskultur. Auch in der Schweiz.