Er sei stolz, die «erste schwarze Frau» an der Spitze Amerikas zu sein. Den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski begrüsst er am Nato-Gipfel als Putin; seine Stellvertreterin Kamala Harris verwechselt er mit Donald Trump.
Die Aussetzer des 81-jährigen US-Präsidenten Joe Biden haben ein besorgniserregendes Ausmass erreicht. Die Welt wird Zeuge einer beispiellosen Selbstdemontage. Die stolzen Vereinigten Staaten von Amerika müssen sich bei den Präsidentschaftswahlen im Herbst zwischen einem senilen Amtsinhaber und einem vorbestraften Zampano entscheiden – sofern es bei den bisherigen Kandidaten bleiben sollte.
Aber zeugt dieser Fiebertraum, diese Echtzeit-Tragödie nach dem Muster des nackten Kaisers tatsächlich vom Zerfall einer Supermacht, wie es jetzt allenthalben heisst? Erleben wir in Washington gerade eine Neuauflage der letzten Tage Roms, wie uns die Allianz der Antiamerikaner weismachen will? Zweifel sind angebracht.
In Wirklichkeit betrachten wir in den USA das Wirken einer freien Demokratie: Spitzenpolitiker werben um die Gunst des Souveräns. Und Bürgerinnen wie Bürger entscheiden. So geschah es kürzlich auch bei den Urnengängen in Europa. Der britische Premier Rishi Sunak hatte das Vertrauen der Mehrheit verloren; seine Partei wurde abgestraft. Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte sich seiner Bevölkerung entfremdet; bei den Parlamentswahlen kam er mit einem blauen Auge davon.
Westliche Regierungschefs sitzen auf wackeligen Stühlen – und das ist gut so. Kein Journalist wandert ins Gefängnis, der sich über Joe Biden lustig macht. Kein Meinungsmacher, der Donald Trump verspottet, muss juristische Konsequenzen fürchten.
Es gibt dafür eine sehr einfache Gleichung: Je stärker eine Regierung ist, desto kleiner ist die Freiheit ihrer Bürger. Und umgekehrt. Die Demokratie der USA hält mehr aus als die beiden Senioren, die dort ums höchste Amt streiten.
Wer Staatenlenker will, die vor Kraft strotzen und fest im Sattel sitzen, der muss nach Russland oder China schauen, nach Nordkorea oder Saudi-Arabien. Dies sollte nicht vergessen werden, wenn wir über Joe Bidens nächsten Fauxpas lachen.