Ausgenutzte Stifte
Jetzt wehren sich die Lehrmeister

Lehrtöchter und Lehrlinge stehen unter Leistungsdruck. Im BLICK klagten sie über Kontrollwahn, Überzeit und zu hohe Erwartungen. Ein landesweites Phänomen oder bedauerliche Ausnahmen?
Publiziert: 28.07.2015 um 23:00 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2018 um 17:00 Uhr
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Jürg Zellweger vom Arbeitgeberverband.
Foto: Joseph Khakshouri
Von Christof Vuille

Jürg Zellweger, Leiter Bildungspolitik beim Schweizerischen Arbeitgeberverband, räumt offen ein: «Stress und Zeitdruck kommen immer wieder vor, das ist klar.» Eine Berufslehre sei für beide Seiten anspruchsvoll, das gehöre zur Arbeitswelt. Doch die Ausbildung müsse immer im Zentrum stehen und dürfe «nicht von kurzfristigen Produktivitätsüberlegungen dominiert» werden.

Wichtig sei eine «sehr enge Betreuung» und offene Kommunikation. In diesem Bereich ortet der Arbeitgeberverband «Handlungsbedarf». Denn die vielen Lehrabbrüche sind ihm ein Dorn im Auge. Immerhin: Rund 90 Prozent der Lehren funktionierten gut, schätzt er.

Der Luzerner CVP-Nationalrat Ruedi Lustenberger hat selbst 25 Lehrlinge ausgebildet und präsidiert den Schreinermeisterverband. Was sagt er zu den Vorwürfen eines Lehrlings aus seiner Branche? «Dass Lehrlinge und Lehrtöchter zu stark belastet werden, kann vorkommen», räumt er ein. Allerdings geht Lustenberger von Einzelfällen aus. Klar sei: «Die Lehrverträge müssen eingehalten und Überstunden kompensiert werden.» Von jungen Arbeitnehmern dürfe aber «eine grosse Leistungsbereitschaft» erwartet werden. Im Umfeld des starken Frankens sei das nötig.

Auch auf dem Bau geht es hart zu und her. «Es kann vorkommen, dass Ausbildner in der Hektik des Alltags vergessen, dass manche Mitarbeiter erst im ersten oder zweiten Lehrjahr sind», sagt Riccardo Mero vom Schweizerischen Baumeisterverband. Aber: Ab dem dritten Jahr erwarte man in der Branche «eine gewisse Produktivität unter Einhaltung der Vorschriften», erklärt der Leiter der Grundbildung. Die Erfahrungen mit den Lehrlingen auf dem Bau seien sehr gut. Das sei auch nötig. «Sie sind die Zukunft unserer Branche. Frisches Blut und neue Ideen tun gut.» Hinzu komme, dass die meisten Betriebe auch wirtschaftlich von den Lernenden profitierten.

Und was raten die Arbeitgeber jenen, die im August ins Berufsleben starten? «Wenn es im Betrieb zu Problemen kommt, sollten zuerst beide Seiten direkt miteinander sprechen», sagt Jürg Zellweger. «Wenn das nicht hilft, raten wir Lehrlingen bei echten Problemen zum Gang zu den kantonalen Berufsbildungsämtern. Die beissen nämlich nicht.»

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