Amoklauf in einem deutschen Regionalzug! Ein junger Mann attackiert kurz vor Mitternacht im Zug zwischen Würzburg-Heidingsfeld und Ochsenfurt mehrere Menschen mit einer Axt und einem Messer. Die schockierende Tat fordert vier Schwerverletzte, eine Person wurde leicht verletzt. 14 weitere Passagiere stehen unter Schock.
Bei dem Täter soll es sich um einen 17-jährigen Afghanen handeln. Dies erklärte der bayrische Innenminister Joachim Herrmann am Montagabend den Medien. Der minderjährige Täter ist nach ersten Erkenntnissen ein Flüchtling, der vor ungefähr zwei Jahren unbegleitet nach Deutschland kam.
«Sehr schnell aggressiv geworden»
Laut deutschen Medien lebte er erst seit zwei Wochen bei einer Pflegefamilie in Ochsenfurt. Gegen 20 Uhr habe er das Haus verlassen. Dann stieg er in den Zug, ging kurz auf die Toilette und wurde dann «sehr schnell aggressiv», sagt Innenminister Herrmann an einer Medienkonferenz heute Mittag.
Nachdem ein Zugpassagier die Notbremse gezogen hatte, flüchtete der Täter zu Fuss. Auf der Flucht soll er gemäss neuesten Ermittler-Informationen noch eine weitere Person attackiert haben. Erst danach konnten die Polizei und ein Sondereinsatzkommando, das zufällig in der Nähe gewesen war, den Angreifer stellen. Als er mit Messer und Axt auch auf die Polizisten losging, eröffneten diese das Feuer und erschossen ihn. Die Ermittler gehen von einem Einzeltäter aus.
In kürzester Zeit radikalisiert
Die Motive des Täters sind bislang unklar. Es deutet aber vieles auf einen terroristischen Hintergrund hin. So hat sich in der Zwischenzeit der «Islamische Staat» zur Attacke bekannt. Der Angreifer sei ein arabischer Bruder gewesen, lässt die Terror-Miliz verlauten. Dafür spricht ebenfalls eine Aussage eines Zeugen, wonach der Attentäter «Allahu Akbar» (Gott ist gross) gerufen haben soll. Ausserdem wurde beim Axt-Attentäter eine handgemalte IS-Flagge gefunden. Dazu diverse Texte, in denen es um einen Aufstand der Muslime geht.
Nach dem bisherigen Ermittlungsstand gebe es allerdings «keinerlei Indizien vor Ort», die auf eine IS-Verbindung hindeuteten, sagte Herrmann. Dass sich die IS-Miliz zu dem Anschlag bekenne, hätten die deutschen Behörden zur Kenntnis genommen.
Die Ermittlungen sollen nun zeigen, wie sich der junge Mann in «kürzester Zeit radikalisierte», sagte Herrmann. Und weiter: «Was hat er in den letzten Tagen und Wochen unternommen, was ist aus seinem Umfeld bekannt, was findet sich in seinem Zimmer - das muss genau ermittelt werden, damit man sich ein Bild machen kann.»
Nichts deutete auf Radikalisierung hin
Laut Herrmann gab es für das Umfeld des nach seinem Angriff erschossenen 17-jährigen Afghanen keine Hinweise auf eine mögliche Radikalisierung. Er sei als gläubiger Muslim wahrgenommen worden, aber keinesfalls radikal oder fanatisch erschienen. Er sei als «eher ruhiger, ausgeglichener Mensch» beschrieben worden, der zu wichtigen Feiertagen in der Moschee gewesen sei, aber sonst nicht regelmässig.
Man wisse nicht, welche Pläne der Täter auf seiner Flucht noch verfolgt habe. Es sei nicht ausgeschlossen, ob er noch weitere Menschen attackiert habe. Herrmann über die tödlichen Schüsse der Polizei: «Es ist gut und richtig, dass die Polizei mit ihrem Vorgehen weitere schreckliche Taten ausgeschlossen hat.»
«Es sah aus wie im Schlachthof»
Ein Augenzeuge sagt gegenüber der «Bild»-Zeitung: «Es sah im Zug aus wie in einem Schlachthof.» Überall auf dem Boden und auf den Sitzen sei Blut gewesen.
Die vier Schwerverletzten stammen aus Hongkong - zwei schweben in Lebensgefahr. Es handelt sich um eine Familie und einen Freund, wie die Hongkonger Zeitung «South China Morning Post» berichtet. Bei den vier Verletzten handelt es sich um den Vater (62), die Mutter (58), die Tochter (27) und deren Freund (31). Vater und Freund hätten versucht, die anderen Mitglieder der Gruppe zu schützen. Ein Opfer des Angreifers schwebt nach Angaben Herrmanns weiter in akuter Lebensgefahr.
Die süddeutsche Stadt Würzburg liegt im Freistaat Bayern auf halber Strecke zwischen Nürnberg und Frankfurt am Main. Die aus Würzburg stammende deutsche Basketball-Legende Dirk Nowitzki (38) zeigt sich ebenfalls bestürzt über das Attentat. «Sprachlos. In Gedanken bin ich in meiner Heimatstadt Würzburg. Kranke Welt...», schreibt der NBA-Spieler auf seinem Twitter-Konto.
Ein anderer Beitrag auf Twitter hat hingegen in Deutschland bereits eine hitzige Debatte ausgelöst. Die Grünen-Politikerin Renate Künast erboste sich in einem Beitrag nur wenige Stunden nach dem Attentat darüber, warum die Polizei den Angreifer erschossen hat. «Warum konnte der Angreifer nicht angriffsunfähig geschossen werden», fragt die 60-Jährige.
Von unnötigem Täterschutz ist seither in vielen Kommentaren die Rede, genauso wie von Geschmacklosigkeit seitens der Politikerin. Im Interview mit dem deutschen Nachrichtensender «N24» sagte Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft: «Vielleicht sollte man Politikern grundsätzlich empfehlen, bei solchen Ereignissen 24 Stunden lang nicht zu twittern». Und: «Da brauchen wir die parlamentarische Klugscheisserei überhaupt nicht.» (sin/nbb/cat)