Von Monique Ryser (Text) und Nelly Rodriguez (Fotos), SI GRUEN
Drei Neubauten mit 119 Wohnungen und weitere 22 Wohnungen in einem renovierten Altbau bilden die Siedlung Sentmatt. Von aussen unterscheidet die Gebäude nichts von anderen Überbauungen: verputzte Aussenwände, Balkone, Zweieinhalb- bis Fünfeinhalb-Zimmer-Wohnungen mit Sicht ins Grüne, Solaranlage auf dem Flachdach. Doch die 2017 bezogenen Gebäude in Obfelden haben einen entscheidenden Vorteil: Wer hier lebt, wohnt emissionsfrei. «Wir wollten zukunftsgerichtet bauen, nicht einfach einem Label genügen, sondern eine Lösung finden, die für die Bewohnerinnen und Bewohner angenehm und für die Umwelt schonend ist», erklärt Roger Ricklin, Vertreter der Bauherrin Halter AG in Zürich.
Zusammenspiel verschiedener Systeme
Das Prinzip dahinter heisst: energieeffiziente Gebäude, Sonnenkollektoren, die nicht nur Strom, sondern auch Wärme liefern, und Erdsonden, die sowohl Wärme, aber im Sommer auch Kühle ins Haus bringen. «Die Verbindung verschiedener bestehender Systeme erlaubt uns, die Siedlung emissionsfrei zu betreiben», freut sich Ricklin.
Für die Planung der Anlagen zuständig war André Hug, Mitglied der Geschäftsleitung der Balzer Ingenieure in Chur, eines Unternehmens von BKW Engineering. «Wir haben nichts Neues erfunden, sondern aus bereits bekannten Möglichkeiten das Maximum rausgeholt und vor allem die verschiedenen Systeme miteinander in Einklang gebracht.» Hug betont, dass dies in enger Zusammenarbeit mit der Firma Pfiffner AG geschah. Klar, es gebe ab und an noch Kinderkrankheiten, aber «aus Angst, dass etwas nachjustiert werden muss, auf Öl oder Gas zu setzen, ist nun mal nicht zukunftstauglich».
Hybridkollektoren für Strom und Warmwasser
Auf dem Dach erklärt Hug, dass nicht nur unverglaste Solarkollektoren zur Gewinnung von thermischer Energie, sondern auch Hybridkollektoren installiert sind: Diese produzieren wie Fotovoltaikanlagen elektrischen Strom, lassen unter dem Panel aber Wasser in Röhrchen durchlaufen, das durch die Sonneneinstrahlung erwärmt wird und für die Wärmeerzeugung genutzt werden kann. Der Strom der Kollektoren alimentiert nicht nur den täglichen Strombedarf der Bewohnerinnen und Bewohner, sondern auch die Wärmepumpen, die ihrerseits mit Erdsonden verbunden sind. 27 u-förmige Sonden bilden in einer Tiefe von 280 Metern ein ganzes Feld, das dem Boden Wärme entzieht und sie zur Wärmepumpe leitet.
Gleich zwei von diesen Wärmepumpen stehen in der Sentmatt, beide mit natürlichen, umweltschonenden Kältemitteln: Die eine heizt das Warmwasser auf 60 Grad auf (CO2-Anlage), die andere ist für die Heizung zuständig (Ammoniak-Anlage). Rund 30 Grad sind nötig, damit die in den Betondecken verlegten Heizschlangen die Wohnungen im Winter auf eine Raumtemperatur von 22 bis 23 Grad erwärmen.
Geringer Energieaufwand für eine höhere Temperatur
«Nach SIA-Normen wäre eine Raumtemperatur von 21 Grad erlaubt», so André Hug. Aus Komfortgründen wurde aber auch in der Sentmatt eine höhere Raumtemperatur gewählt, was aber mit der guten Energieeffizienz mit geringem Energieaufwand erreicht werden kann.
Mit der Klimaerwärmung und den steigenden Hitzetagen im Sommer werde die Kühlung aber immer wichtiger, ist Hug überzeugt. Im letztjährigen Hitzesommer hat sich das System der Sentmatt auch dafür bewährt. «Unser System beruht auf einem Kreislauf: Im Winter ist das Erdreich wärmer als die Umgebungstemperatur, im Sommer ist es genau umgekehrt: Indem wir den Kreislauf im Sommer umgekehrt laufen lassen, können wir die Wohnungen ‹entwärmen›. Auch an den grössten Hitzetagen stieg die Temperatur so nicht über 26 Grad.»
Im Sommer dem Erdreich Wärme zurückgeben
Die Erdsonden werden auch sogenannt regeneriert: Wenn dem Boden permanent und über Jahrzehnte Wärme entzogen wird, führt dies unweigerlich zu einer Auskühlung des Erdreiches. Zudem werden in der Schweiz immer mehr Erdsonden verlegt, und mehrere Felder kommen nebeneinander zu liegen. «So benutzen wir die im Sommer im Übermass anfallende Sonnenenergie primär dafür, die abgezogene Wärme wieder ins Erdreich zu leiten, damit dort die Temperatur konstant bleibt», erklärt André Hug.
Der Boden ist also auch Speicher. Der Rest der überschüssigen Sonnenenergie wird in Form von Strom ans Netz abgegeben, im Winter wird dann Strom vom Netz bezogen. Die Überbauung ist nicht autark, kann also nicht vollständig netzunabhängig sein, aber sie verbraucht nicht mehr Energie, als sie selber produziert.
Balzer ist auch Mitglied der Allianz 2SOL. Diese bezweckt, die lokal auf ein Gebäude einwirkenden erneuerbaren Energien wie Sonne, aber beispielsweise auch Wind, auszunutzen und saisonal zu speichern. Der nicht gewinnorientierte Verein besteht aus Mitgliedern verschiedener Fachbereiche, die gemeinsam das nachhaltige Gebäudeenergiesystem 2SOL entwickelt haben. Die Sentmatt ist ein Vorzeigebeispiel dafür.
Auch bei Altbauten möglich
«Wichtig ist der Allianz 2SOL, dass energieeffiziente Systeme auch bei Altbauten realisiert werden können», erklärt Marion Willim, Leiterin Kommunikation. So sei es beispielsweise bei denkmalgeschützten Gebäuden nicht immer möglich oder wirtschaftlich, die von verschiedenen Labeln geforderte Dämmung zu erreichen. «Indem wir die Sonne doppelt nutzen wie in der Sentmatt, erreicht man eine hohe Effizienz und kann klimafreundlich wohnen.»
Zudem: «Uns geht es auch darum, die Wertschöpfung in der Schweiz zu behalten: Statt Millionen von Franken für fossile Energieträger auszugeben, die aus dem Ausland importiert werden, ist es doch besser, wenn unser Geld in die Schweizer Wirtschaft fliesst.»
… eine Erdsonde? Wenn ein Haus mit einer Erdwärmesonde geheizt wird, entzieht die Sonde dem Erdboden Wärme. Ab einer bestimmten Tiefe hat das Erdreich eine Grundtemperatur von etwa zehn Grad. Im Gegensatz zur Umgebungsluft ist die Temperatur sehr konstant. Das bedeutet, dass die Wärmepumpe auch dann effizient läuft, wenn es am kältesten ist, da sie nicht von der Umgebungsluft abhängig ist.
… das Regenerieren von Erdsonden? Simulationsrechnungen zeigen, dass die Bodentemperatur bei dichter Bebauung oder erhöhtem Wärmeentzug nach einigen Jahrzehnten so tief sinken kann, dass eine Erdsondenanlage nicht mehr wirtschaftlich ist, da die Effizienz respektive der eingesetzte Strom markant steigt. Dieses Problem kann einfach behoben werden, indem man im Sommer, simpel gesagt, dem Erdreich die Wärme zurückgibt, die man ihm entzogen hat – beispielsweise durch die im Übermass anfallende Energie aus Sonnenkollektoren. Auch die Kühlfunktion trägt zur Regeneration des Bodens bei. Im Sommer wird überschüssige Wärme aus dem Gebäude wieder an den Boden abgeführt. Bei solchen Anlagen kann das Erdreich auch als saisonaler Speicher betrachtet werden.
… eine Wärmepumpe? Das Prinzip der Wärmepumpe funktioniert wie ein umgekehrter Kühlschrank und ist unabhängig von den verschiedenen Varianten immer gleich: Im Verdampfer befindet sich ein flüssiges Kältemittel, welches bereits bei relativ niedrigen Temperaturen verdampft. Das gasförmige Kältemittel wird im Kompressor verdichtet. Dies erhöht den Druck und damit die Temperatur des Kältemittels. Im Kondensator (Verflüssiger) gibt es seine Wärme an das Heizsystem für das Gebäude ab und wird wieder flüssig. Das noch unter Druck stehende Kältemittel gelangt durch das sogenannte Expansions- oder Entspannungsventil wieder auf das ursprüngliche niedrige Druckniveau und dann weiter zum Verdampfer, wo der Prozess neu beginnt.
… eine Erdsonde? Wenn ein Haus mit einer Erdwärmesonde geheizt wird, entzieht die Sonde dem Erdboden Wärme. Ab einer bestimmten Tiefe hat das Erdreich eine Grundtemperatur von etwa zehn Grad. Im Gegensatz zur Umgebungsluft ist die Temperatur sehr konstant. Das bedeutet, dass die Wärmepumpe auch dann effizient läuft, wenn es am kältesten ist, da sie nicht von der Umgebungsluft abhängig ist.
… das Regenerieren von Erdsonden? Simulationsrechnungen zeigen, dass die Bodentemperatur bei dichter Bebauung oder erhöhtem Wärmeentzug nach einigen Jahrzehnten so tief sinken kann, dass eine Erdsondenanlage nicht mehr wirtschaftlich ist, da die Effizienz respektive der eingesetzte Strom markant steigt. Dieses Problem kann einfach behoben werden, indem man im Sommer, simpel gesagt, dem Erdreich die Wärme zurückgibt, die man ihm entzogen hat – beispielsweise durch die im Übermass anfallende Energie aus Sonnenkollektoren. Auch die Kühlfunktion trägt zur Regeneration des Bodens bei. Im Sommer wird überschüssige Wärme aus dem Gebäude wieder an den Boden abgeführt. Bei solchen Anlagen kann das Erdreich auch als saisonaler Speicher betrachtet werden.
… eine Wärmepumpe? Das Prinzip der Wärmepumpe funktioniert wie ein umgekehrter Kühlschrank und ist unabhängig von den verschiedenen Varianten immer gleich: Im Verdampfer befindet sich ein flüssiges Kältemittel, welches bereits bei relativ niedrigen Temperaturen verdampft. Das gasförmige Kältemittel wird im Kompressor verdichtet. Dies erhöht den Druck und damit die Temperatur des Kältemittels. Im Kondensator (Verflüssiger) gibt es seine Wärme an das Heizsystem für das Gebäude ab und wird wieder flüssig. Das noch unter Druck stehende Kältemittel gelangt durch das sogenannte Expansions- oder Entspannungsventil wieder auf das ursprüngliche niedrige Druckniveau und dann weiter zum Verdampfer, wo der Prozess neu beginnt.
Suzanne Thoma ist CEO der BKW Gruppe, eines international tätigen Energie- und Infrastrukturunternehmens mit Sitz in Bern. Ihre Gedanken darüber, was sich in Sachen Stromversorgung wandeln muss.
Vergangenes Jahr haben wir unsere Produktion aus erneuerbaren Energien um zehn Prozent steigern können. Insbesondere der Ausbau der Windkraft nimmt an Fahrt auf, wozu vor allem neue Windparks in Frankreich und Norwegen beigetragen haben. Unsere internationale Ausrichtung zeigt Wirkung für das Unternehmen und die Umwelt.
Auch im Stromhandel sind wir grenzüberschreitend unterwegs. Was hat das mit erneuerbarer Energie und dem Verhältnis der Schweiz zur EU zu tun? Viel, denn mit der Ausserbetriebnahme von Kern- und Kohlekraftwerken sowie der Zunahme von Wind- und Solaranlagen hat sich der Strommarkt massiv verändert. Da Sonne und Wind keine beständigen Energielieferanten sind, müssen Schwankungen in der Produktion ausgeglichen werden, unter anderem durch steuerbare und flexible Kraftwerke (zum Beispiel Wasserkraftwerke). Der Preis für deren Leistung wird an internationalen Börsen ermittelt und durch die Nachfrage bestimmt.
Schweiz benachteiligt
Unsere europäischen Nachbarstaaten betreiben über solche Börsen einen effizienten Stromhandel: Frankreich, Deutschland, Italien und eine Reihe weiterer Länder haben ihre Strommärkte weitgehend zusammengeschlossen, sodass Handel über die Grenze problemlos möglich ist. Diesen Zusammenschluss nennt man Marktkopplung. Die Schweiz ist benachteiligt, da sie nur teilweise am System teilnehmen kann. Zwar ist das Schweizer Stromnetz physikalisch an das europäische Netz angeschlossen, und wenn Strom von Deutschland nach Frankreich oder Italien fliesst, so passiert er zuweilen auch unser Land.
Weil die Schweiz zunehmend vom europäischen Markt ausgeschlossen ist, können die Elektrizitätsunternehmen in der Schweiz weniger effizient Handel betreiben als diejenigen in unseren Nachbarstaaten. Schweizer Wasserkraftwerke können dadurch ihre flexible Produktion nicht einfach auf die Preisschwankungen in den ausländischen Märkten ausrichten. Dies mindert den Wert des Schweizer Kraftwerkparks massiv.
Konsumenten müssen Verteuerung bezahlen
Zudem machen ungeplante Stromflüsse über das Schweizer Übertragungsnetz immer öfter stabilisierende Eingriffe notwendig – ohne dass diese den Nachbarländern in Rechnung gestellt werden können. So verteuert sich der Betrieb der Schweizer Stromnetze – bezahlt werden muss das letztlich durch die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten.
Der europäische Strommarkt steht vor grossen Umwälzungen. Mit der Energiewende und dem anhaltenden Ausbau erneuerbarer Energien erhält der kurzfristige grenzüberschreitende Stromhandel einen deutlich grösseren Stellenwert. Bisher war die Schweiz in den wichtigsten europäischen Stromgremien vertreten. Mit der europäischen Strommarktintegration könnte die Schweiz aber mit beschränktem Anschluss an den EU-Strommarkt bei Versorgungsengpässen das Nachsehen haben.
Abkommen ein Muss
Um sich voll an den europäischen Markt anzukoppeln, braucht die Schweiz ein Stromabkommen mit der EU. Die Bedingung dafür ist – nebst einer vollständigen Liberalisierung des Strommarkts im Inland – das Rahmenabkommen. Mehr erneuerbare Energien heisst also auch mehr Europa.
Suzanne Thoma ist CEO der BKW Gruppe, eines international tätigen Energie- und Infrastrukturunternehmens mit Sitz in Bern. Ihre Gedanken darüber, was sich in Sachen Stromversorgung wandeln muss.
Vergangenes Jahr haben wir unsere Produktion aus erneuerbaren Energien um zehn Prozent steigern können. Insbesondere der Ausbau der Windkraft nimmt an Fahrt auf, wozu vor allem neue Windparks in Frankreich und Norwegen beigetragen haben. Unsere internationale Ausrichtung zeigt Wirkung für das Unternehmen und die Umwelt.
Auch im Stromhandel sind wir grenzüberschreitend unterwegs. Was hat das mit erneuerbarer Energie und dem Verhältnis der Schweiz zur EU zu tun? Viel, denn mit der Ausserbetriebnahme von Kern- und Kohlekraftwerken sowie der Zunahme von Wind- und Solaranlagen hat sich der Strommarkt massiv verändert. Da Sonne und Wind keine beständigen Energielieferanten sind, müssen Schwankungen in der Produktion ausgeglichen werden, unter anderem durch steuerbare und flexible Kraftwerke (zum Beispiel Wasserkraftwerke). Der Preis für deren Leistung wird an internationalen Börsen ermittelt und durch die Nachfrage bestimmt.
Schweiz benachteiligt
Unsere europäischen Nachbarstaaten betreiben über solche Börsen einen effizienten Stromhandel: Frankreich, Deutschland, Italien und eine Reihe weiterer Länder haben ihre Strommärkte weitgehend zusammengeschlossen, sodass Handel über die Grenze problemlos möglich ist. Diesen Zusammenschluss nennt man Marktkopplung. Die Schweiz ist benachteiligt, da sie nur teilweise am System teilnehmen kann. Zwar ist das Schweizer Stromnetz physikalisch an das europäische Netz angeschlossen, und wenn Strom von Deutschland nach Frankreich oder Italien fliesst, so passiert er zuweilen auch unser Land.
Weil die Schweiz zunehmend vom europäischen Markt ausgeschlossen ist, können die Elektrizitätsunternehmen in der Schweiz weniger effizient Handel betreiben als diejenigen in unseren Nachbarstaaten. Schweizer Wasserkraftwerke können dadurch ihre flexible Produktion nicht einfach auf die Preisschwankungen in den ausländischen Märkten ausrichten. Dies mindert den Wert des Schweizer Kraftwerkparks massiv.
Konsumenten müssen Verteuerung bezahlen
Zudem machen ungeplante Stromflüsse über das Schweizer Übertragungsnetz immer öfter stabilisierende Eingriffe notwendig – ohne dass diese den Nachbarländern in Rechnung gestellt werden können. So verteuert sich der Betrieb der Schweizer Stromnetze – bezahlt werden muss das letztlich durch die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten.
Der europäische Strommarkt steht vor grossen Umwälzungen. Mit der Energiewende und dem anhaltenden Ausbau erneuerbarer Energien erhält der kurzfristige grenzüberschreitende Stromhandel einen deutlich grösseren Stellenwert. Bisher war die Schweiz in den wichtigsten europäischen Stromgremien vertreten. Mit der europäischen Strommarktintegration könnte die Schweiz aber mit beschränktem Anschluss an den EU-Strommarkt bei Versorgungsengpässen das Nachsehen haben.
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Um sich voll an den europäischen Markt anzukoppeln, braucht die Schweiz ein Stromabkommen mit der EU. Die Bedingung dafür ist – nebst einer vollständigen Liberalisierung des Strommarkts im Inland – das Rahmenabkommen. Mehr erneuerbare Energien heisst also auch mehr Europa.
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