Treppen und Lifte
So kommen Fische an den Kraftwerken vorbei

Wasserkraft ist in der Schweiz die wichtigste Energiequelle. Für Barben, Forellen, Aale und Co. sind Turbinen aber teils gefährliche Hindernisse. Doch an mehr Fischfreundlichkeit wird mit Hochdruck gearbeitet.
Publiziert: 24.06.2020 um 19:00 Uhr
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Aktualisiert: 15.12.2020 um 21:26 Uhr
Steffen Schweizer (Mitte) von den Kraftwerken Oberhasli inInnertkirchen BE zeigt das fischfreundliche Abflussbecken. Die BKW-Spezialisten Carl Robert Kriewitz (l.) und Alexander Andreaus spielen bei solchen Sanierungen eine wichtige Rolle.
Foto: Siggi Bucher
In Kooperation mit BKW

Der Mensch reist gerne. Das gilt auch für Fische. Nur können sie sich nicht frei bewegen. Denn unsere Wehre und Wasserkraftwerke behindern zwangsläufig ihre Wege. Zwar gibt es bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts Fischpässe, also künstliche «Umfahrungen» für Wasserbewohner. Und fast alle unsere Kraftwerke verfügen über solche Installationen. Doch sie sind überholt, und zu viele Tiere können sie nur schwer oder gar nicht überwinden.

Bis 2030 muss sich das ändern. So verlangt es das neue Gewässerschutzgesetz. Deshalb werden die Kraftwerke entsprechend erneuert. Carl Robert Kriewitz, Bauingenieur und Gesamtleiter der Sanierungsprojekte bei BKW Engineering: «Saniert werden müssen unter anderem die Fischaufstiegshilfen. Sie ermöglichen es den Fischen, an den Kraftwerken vorbei flussaufwärts zu gelangen.»

In der Schweiz wird bei der Sanierung hauptsächlich auf sogenannte Schlitzpässe gesetzt. «Weil sie sehr wirksam und erprobt sind», so Kriewitz. Das Prinzip: Die Tiere folgen der Flussströmung bis kurz vor die Turbinenausläufe und steigen dort in den Fischpass ein, der ein gutes Stück über dem Wehr wieder in den Fluss mündet. Damit die Fische den Höhenunterschied überwinden können, besitzt das auch Fischtreppe genannte System viele Becken, in denen der Wasserspiegel immer nur wenige Zentimeter zunimmt, bis der Wasserstand oberhalb des Kraftwerks erreicht ist.

Mehr Schutz für die Aarefische

In der Aare im BKW-Gebiet tummeln sich diverse Fischarten, die auf Fischpässe angewiesen sind. Die bekanntesten davon sind Äschen, Bachforellen, Barben, Egli und Hechte. Aber auch Rotaugen, Alet sowie Brachsmen, Nasen und Schneider sind in der Aare heimisch.

In der Aare im BKW-Gebiet tummeln sich diverse Fischarten, die auf Fischpässe angewiesen sind. Die bekanntesten davon sind Äschen, Bachforellen, Barben, Egli und Hechte. Aber auch Rotaugen, Alet sowie Brachsmen, Nasen und Schneider sind in der Aare heimisch.

Auf den Lachs ausgelegt

Wichtig bei den neuen Fischtreppen ist: Sie müssen lachstauglich sein. «Ihre Grösse ist deshalb auf einen ein Meter langen Lachs ausgelegt. Ziel ist es, den bei uns ausgestorbenen Fisch wieder anzusiedeln», betont Kriewitz. Ebenso wichtig ist es, dass die neuen Fischpässe auch allen einheimischen Arten die Wanderung ermöglichen. Dazu haben die Kantone Zielfischarten festgelegt. Sie sind häufig die Grundlage zur Bestimmung der erlaubten Abflussverhältnisse in der Fischtreppe.

Da die neuen Fischpässe viel grösser und länger sind, ist es ein Muss, die Bauarbeiten mit sämtlichen Beteiligten abzustimmen. Alexander Andreaus, Bauherrenvertreter bei der BKW, sorgt dafür, dass kantonale Behörden, Gemeindevertreter und Pächter, aber auch Fischereipachtvereine und Umweltschutzorganisationen abgeholt werden. «Uns ist die Zusammenarbeit mit allen Akteuren sehr wichtig, um den grösstmöglichen Nutzen zu generieren und der Bevölkerung aufzuzeigen, welchen ökologischen Mehrwert wir schaffen.»

Diese Karte zeigt den Verlauf des neuen Fischpasses in Bannwil. Im Vorbeischwimmen werden die Fische auch noch gezählt.
Foto: BKW

Voraussichtlich ab Sommer 2021 wird das Berner Kraftwerk Bannwil umgerüstet. Alle gängigen Fischarten in der Aare sollen künftig über eine 270 Meter lange Fischtreppe das Kraftwerk überwinden können. Auch für schwimmschwache Fische wie Jungfische wird gesorgt: Ihr Einstieg in die Aufstiegshilfe liegt etwas weiter entfernt von der direkten Turbinenströmung. Damit Interessierte die Fischwanderung beobachten können, ist ein Besucherraum geplant.

Erforschung von Abstiegshilfen

Bannwil spielt auch eine wichtige Rolle bei der Erforschung eines anderen Themas: Fischabstiegshilfen. Europaweit untersuchen Wissenschaftler, wie man dieses bis jetzt schwer zu lösende Problem am besten angeht. Denn beim Durchschwimmen der Turbinen können Fische zu Schaden kommen.

In Bannwil führt BKW eine durch den Verband Aare-Rheinwerke initiierte und vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) finanzierte Pilotstudie durch. «Wir haben Barben und Forellen mit Sendern versehen, um ihre Bewegungen im Flusssystem zu verfolgen», sagt Kriewitz. So lässt sich unter anderem erkennen, wie sich die Fische am Kraftwerk verhalten. Ausserdem sind sogenannte Leitrechen projektiert, welche die Fische später an den Turbinen vorbei in einen sicheren Abstiegspass lenken sollen. Bannwil dient dabei als Machbarkeits- und Kostenmodell. Erst wenn alles passt, darf vom Bafu aus gebaut werden.

Wie viele Fische können mit den Leitrechen-Abstiegshilfen denn am Kraftwerk vorbeigeleitet werden? «Im Labor sind es 80 Prozent. Wir hoffen das in der Natur auch zu erreichen», sagt Kriewitz, der früher an der ETH zum Thema geforscht hat.

Was aufgrund des neuen Gewässergesetzes bis 2030 ebenfalls der Sanierung bedarf, ist der Auslauf unterhalb der Kraftwerke. Schalten die Kraftwerke ihre Turbinen ein, erhöht sich der Abfluss im Gewässer häufig sehr schnell. Werden die Turbinen abgeschaltet, reduziert er sich wieder, und die Fische können plötzlich auf dem Trockenen sitzen.

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Zum Wohl der Tierwelt: Seit der Sanierung fliesst das Wasseraus dem Kraftwerk beruhigter in die Hasliaare zurück.
Foto: Siggi Bucher

Vorzeigebeispiel Oberhasli

Wie sich das Problem lösen lässt, zeigt die Schwallsanierung der Kraftwerke Oberhasli AG, kurz KWO. Dort wurden zur Beruhigung ein Becken und eine unterirdische Kaverne gebaut. «Damit verändert sich der Abfluss in der Hasliaare viel langsamer», sagt Steffen Schweizer, Leiter der Fachstelle Ökologie bei den KWO. «Den Fischen und Wasserinsekten bleibt so mehr Zeit, sich neue Bereiche zu suchen, wenn die hydraulischen Kräfte zu stark werden.» Seit 2018 ist das System vollumfänglich in Betrieb.

Interessant ist auch die verbaute Aufstiegshilfe: Nach einem rund zehn Meter langen Pass werden die Fische mit einem Lift weiterbefördert. Steffen Schweizer: «Sie werden mit einem mit Wasser gefüllten Reussenkorb rund fünf Meter hochgezogen.» Oben angekommen, werden die Tiere über ein Plastikrohr in das Oberwasser, den kleinen See vor dem Wehr, entlassen. «Dabei fliegen sie bis zu zwei Meter weit – je nachdem, wie hoch der Wasserstand im kleinen See ist», so Schweizer.

Voraussichtlich im September 2020 soll ein weiterer Fischlift entstehen, beim Wasserkraftwerk Mühleberg. Übersteigt die zu überwindende Höhe ein gewisses Mass, ist das die beste und oft einzige Lösung, um den Fischen ihre Wanderung flussaufwärts zu ermöglichen.

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