Blick auf den Grimselsee, den grössten und wichtigsten der acht Stauseen der Kraftwerke Oberhasli. Turbiniert wird das Wasser gleich dreimal: in den Kraftwerken Grimsel, Handeck und Innertkirchen.
Foto: David Birri

Wasserkraft-Ort Grimselwelt
Hier entsteht Strom für 1 Million Leute

Im Gebiet des Grimselpasses gibt es acht Stauseen und zehn Wasserkraftwerke. Die Region ist aber auch ein Paradies für Wanderer.
Publiziert: 26.04.2019 um 09:06 Uhr
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Aktualisiert: 26.06.2019 um 07:24 Uhr
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Die Staumauer Spitallamm ist 114 Meter hoch.
Foto: David Birri
In Kooperation mit BKW

Von Monique Ryser (Text) und David Birri (Fotos), SI GRUEN

Wenn Daniel Fischlin auszieht, um seine Anlagen zu begutachten, hat er das Pri­vileg, sich in einer der eindrücklichsten Bergwelten der Schweiz zu befinden. Die Felsen mit ihren zerfurchten Steilwänden halten die Landschaft zusammen, bilden Kessel und öffnen schmale Wege in wilde Seitentäler, die sich in Abertausenden von Jahren gebildet haben. Im Sommer spriessen Blumen und Kräuter im Übermass, im Winter liegt der Schnee meterhoch und verschluckt jedes zivilisatorische Geräusch.

60 Prozent des Stroms kommen aus Wasserkraft

Die Grimselwelt, am Pass zwischen dem Berner Oberland und dem Wallis gelegen, ist eine Welt für sich. Eine grosszügige Welt: Sie liefert das Wasser, aus dem die Kraftwerke Oberhasli (KWO) Tag für Tag rund sieben Prozent des Schweizer Stroms erzeugen und damit rund eine Million Menschen mit Energie versorgen. «Mit sauberer Energie», betont Fischlin, CEO der Kraftwerke Oberhasli. «Die Schweiz ist das Wasserschloss Europas, 60 Prozent unseres Stroms werden mit Wasserkraft produziert. Damit sind wir seit je eines der Länder mit dem grössten Anteil an erneuerbaren Energien.» Die KWO liefern die Hälfte ihres Stroms an die BKW, den Rest zu gleichen Teilen an die Industriellen Werke Basel (IWB), Energie Wasser Bern und das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ), die mit diesen Anteilen auch Aktionäre sind.

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Die Stauseen sind die umweltfreundlichsten «Batterien» Europas

Doch die Wasserkraft hat zurzeit einen schweren Stand: Vor allem ausländische Kohlekraftwerke machen ihr das Leben schwer, weil sie zu sehr tiefen Preisen produzieren. Das hat zur Folge, dass der Preis, der europaweit an der Strombörse gehandelt wird, sinkt. So tief, dass die Wasserkraft ihre Energie teilweise unter den Gestehungskosten verkaufen muss. Zudem: «Durch die Stromproduktion mit Sonne und Wind wird der bereits bestehende ­Effekt verstärkt, sodass wir im Sommer ein Übermass, im Winter hingegen zu wenig Strom haben», erklärt Fischlin. Im Januar und Februar 2018 beispielsweise hatten die KWO fast die ganzen acht Speicherseen entleert, damit die zehn Kraftwerke im Gebiet das schweizerische und das europäische Stromnetz weiter und regelmässig mit Energie beliefern konnten.

Wasserkraft ist planbare Energie

Daniel Fischlin, CEO KWO: «Wasserkraft ist immer dann da, wenn man sie braucht. Sie ist wie eine Versicherung.»
Foto: David Birri

Vereinfacht gesagt: Stauseen sind die umweltfreundlichsten «Batterien» Europas. Der Schweizer Netzbetreiber Swissgrid regelt mit den europäischen Partnern, dass gleichmässig und gleichförmig genügend Strom durch die Netze fliesst. Und fordert die witterungsunabhängigen Produzenten wie die von Wasserkraft auf, wenn nötig Strom ins Netz zu speisen. «Wasserkraft ist nicht nur erneuerbar, sondern eben auch planbar», so Fischlin. So wird von den KWO neben einer bestimmten Menge Bandenergie nur dann zusätzlich produziert, wenn es die Aktionäre als Abnehmer wünschen oder eben wenn Swissgrid das Netz stabilisieren muss.

Laut einer Untersuchung des Bundesamtes für Energie sind die Erlöse aus der Wasserkraft aus Speicherseen seit 2011 von rund sieben Rappen auf unter fünf Rappen gesunken. Für Fischlin ist klar: «Wasserkraft ist die einzige saubere und erneuerbare Energie, die immer dann da ist, wenn man sie braucht. Sie ist die eigentliche Versicherung – wir sollten sie auch als das anschauen und bereit sein, eine Prämie dafür zu bezahlen.»

Sanierung des Damms steht an

Die KWO glauben jedenfalls an die Zukunft: Der Damm des grössten Sees, des Grimselsees, wird in den nächsten Jahren aus Altersgründen erneuert. «Die neue Mauer kommt vor die alte zu stehen. Das wird eine der spektakulärsten Baustellen der Schweiz», sagt Fischlin. Im Grimselgebiet gibt es noch viel Ausbaupotenzial, um mehr Wasser zu speichern, damit es im Winter verfügbar wäre. Denn: Das ­Ungleichgewicht zwischen Sommer und Winter wird auch in Zukunft eine Herausforderung bleiben.

Die KWO sind mit 290 Vollzeitstellen und 23 Lehrstellen ein wichtiger Arbeitgeber im Haslital. Und sie bilden für den Tou­rismus einen wichtigen Trumpf: Die Grimsel­region ist ein Paradies für Wanderer. Spektakulär sind auch die fünf ehemaligen Werks­bahnen, die heute Gästen offen­stehen, sowie die Führungen zu den Kraftwerken und in die 160 Kilometer langen Stollen. Auch Daniel Fischlin ist gern in «seiner» Grimselwelt unterwegs. «Familien empfehle ich die Fahrt auf der Gelmerbahn, der steilsten offenen Standseilbahn Europas, hinauf zum türkisblauen Gelmersee.» Fitten Berggängern rät er, mit der ­Sidelhornbahn (auch einst eine Werkbahn) über den Grimselsee zu schweben und auf den Gipfel des Sidelhorns zu wandern.

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