SP-Nationalrätin Gabriela Suter im Interview
«Darum bin ich für die Trift-Staumauer»

Die Umwelt und die Biodiversität sind für die Aargauer SP-Nationalrätin Gabriela Suter (50) zentrale Themen. Trotzdem befürwortet sie den Bau eines Stausees an der Trift im Berner Oberland. Im Interview erklärt sie, weshalb dies kein Widerspruch ist.
Publiziert: 03.03.2023 um 00:47 Uhr
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Aktualisiert: 03.03.2023 um 08:55 Uhr
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Gabriela Suter aus Aarau politisiert für die SP im Nationalrat. Im kommenden Herbst kandidiert sie für den Ständerat.
Foto: Chris Iseli/CH Media


Die Schweiz hat den Winter ohne grösseren Stromausfall überstanden. War die Politik im Herbst zu alarmistisch?

Nein, denn man konnte nicht wissen, dass dieser Winter so mild wird. Und es ist noch nicht vorbei. Auch in den kommenden Wintern müssen wir mit Phasen einer angespannten Stromsituation rechnen.

Sie setzen sich stark für den Ausbau von Solarenergie ein. Ausgerechnet dieser Technologie sagt man nach, dass sie im Winter Schwächen aufweist …

… die man aber relativieren muss. Die Photovoltaik hat das höchste Ausbau-Potenzial in der Schweiz. Allein auf den bestehenden Dächern und Fassaden könnten jährlich 67 Terawattstunden Strom produziert werden, wie das Bundesamt für Energie ausrechnete. Das ist mehr, als wir heute in der Schweiz verbrauchen. Wir müssen endlich die Bremse lösen und massiv zubauen. Das Parlament hat einige Weichen gestellt und Anreize für Investorinnen und Investoren geschaffen, damit grössere Anlagen gebaut werden.

Aber dennoch gibt es diesen Schwachpunkt in den Wintermonaten – ausgerechnet dann, wenn die Energie knapp ist. Sehen Sie da kein Problem?

Die Photovoltaik hat im Mittelland drei schwache Monate: Dezember, Januar und Februar. Aber in den Bergen liefert die Photovoltaik im Winter mehr als im Sommer. Deshalb brauchen wir auch alpine Solaranlagen.

Im Winter spielt traditionell die Wasserkraft mit ihren Speicherseen eine grössere Rolle. Wo positionieren Sie diese in Ihren Überlegungen?

Die Energiestrategie 2050 geht davon aus, dass Wasserkraft und Photovoltaik die wichtigsten Säulen unseres Energiesystems werden. Die beiden Technologien ergänzen sich bestens. Je mehr Photovoltaikanlagen wir haben, desto besser können wir die Speicherseen schonen und für Zeiten mit weniger Sonnenschein «reservieren».

Ein konkretes Wasserkraftprojekt ist jenes an der Trift in der Berner Grimselregion. Halten Sie dieses für geeignet?

Ich muss zuerst festhalten: Die Berglandschaft und der Erhalt ihrer Artenvielfalt sind mir sehr wichtig. Deshalb ist das Thema für mich ein Dilemma – und trotzdem befürworte ich das Projekt.

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Unter dem Trift­gletscher, der ­oberhalb von Innert­kirchen BE liegt, ist der Bau einer Staumauer geplant.
Foto: Kraftwerke Oberhasli AG/David Birri

Weshalb ein Dilemma?

Wir haben im Gebiet vor dem Triftgletscher eine fast unberührte alpine Auenlandschaft. Diese würde überflutet. Andererseits ist da die energiepolitische Sicht: Wir können mit einem zusätzlichen Stausee die Versorgungssicherheit stärken – im Inland, im Winter. Am «Runden Tisch Wasserkraft» wurden Ende 2021 insgesamt 15 Projekte identifiziert, die verfolgt werden sollen. Trift verfügt über eines der grössten Potenziale auf dieser Liste. Ich stehe hinter den Resultaten dieses Runden Tisches, trotz Vorbehalten als ökologisch denkender Mensch. Man muss manchmal Kompromisse eingehen.

Sie sind Co-Präsidentin der parlamentarischen Gruppe Biodiversität und Artenschutz. Und genau bei diesem Thema nehmen Sie für die Versorgungssicherheit Abstriche in Kauf. Wie sehr müssen Sie sich überwinden?

Es gibt an der Trift in der Tat seltene Arten: Moose, Flechten, Pilze. Diese versucht man umzusiedeln. Ich erachte dies als zielführend, ohne diese Ausgleichsmassnahmen wäre ich nicht für das Projekt. Kommen wir nochmals zurück zum Runden Tisch. Dort waren die Umweltverbände auch dabei. Man hat abgemacht: Es braucht bei jedem dieser Projekte Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen. Im Fall von Trift gab es ja auch Zugeständnisse der Kraftwerke Oberhasli punkto Restwasser: Verschiedene Bergbäche werden den Stausee nicht speisen. Ich habe als Aargauerin zum Thema Stauseen und Biodiversität übrigens ein interessantes Beispiel.

Erzählen Sie.

In den 1930er-Jahren entstand der Klingnauer Stausee. Er lässt sich natürlich nicht direkt mit Projekten in den Bergen vergleichen. Es gab damals grossen Widerstand in der Region. Man argumentierte, dass Lebensräume zerstört werden. Heute ist der Stausee ein Zugvogelgebiet von internationaler Bedeutung und sehr artenreich. Ich sage nicht, dass die Trift automatisch auch ein Kleinod wird. Aber: Unter Umständen entstehen durch die Ersatzmassnahmen Mehrwerte.

Das ist an der Trift geplant

Die BKW bekennt sich zum Ausbau der Wasserkraft und will zwei Projekte realisieren: den Bau einer Staumauer beim Triftgletscher und eine Erhöhung der Grimsel-Staumauer. Das Trift-Projekt soll vorgezogen werden, weil es weiter fortgeschritten ist und weil damit 145 GWh zusätzlicher Strom produziert werden kann. Insbesondere für den Winter ist diese Stromkapazität enorm wichtig. Der zusätzliche Strom könnte genau dann produziert werden, wenn die Versorgungssicherheit gefährdet ist. Ohne Beschwerden könnte 2025 die Baubewilligung für das Projekt Trift erteilt werden. Für den Bau ist mit sechs bis acht Jahren zu rechnen. Zusammen wären die beiden Wasserkraftprojekte Trift und Grimsel riesige Batterien, die den Energiespeicher gemeinsam um 455 Gigawattstunden vergrössern.

Die BKW bekennt sich zum Ausbau der Wasserkraft und will zwei Projekte realisieren: den Bau einer Staumauer beim Triftgletscher und eine Erhöhung der Grimsel-Staumauer. Das Trift-Projekt soll vorgezogen werden, weil es weiter fortgeschritten ist und weil damit 145 GWh zusätzlicher Strom produziert werden kann. Insbesondere für den Winter ist diese Stromkapazität enorm wichtig. Der zusätzliche Strom könnte genau dann produziert werden, wenn die Versorgungssicherheit gefährdet ist. Ohne Beschwerden könnte 2025 die Baubewilligung für das Projekt Trift erteilt werden. Für den Bau ist mit sechs bis acht Jahren zu rechnen. Zusammen wären die beiden Wasserkraftprojekte Trift und Grimsel riesige Batterien, die den Energiespeicher gemeinsam um 455 Gigawattstunden vergrössern.

Wir sprechen von Kompromissen. Fehlen die nicht zu oft bei Themen, die Energiesicherheit und Umweltschutz vereinigen?

Die verschiedenen Seiten haben in den letzten eineinhalb Jahren einen grossen Schritt aufeinander zu gemacht. Der Druck durch die drohende Energiemangellage ist grösser geworden, man handelt pragmatischer. Gerade auch die damalige Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat viel bewegt. Dass die Kompromissbereitschaft im Energiebereich gestiegen ist, sieht man übrigens nicht nur in der Politik, sondern auch in der Bevölkerung.

Trotzdem gibt es bei den Erneuerbaren Handlungsbedarf.

Die Verfahren für die Planung und den Bau grosser Wasser- und Windkraftanlagen dauern heute oft lange. Zwischen Projektierungsstart und Realisierung vergehen bei grossen Vorhaben teilweise bis zu 20 Jahre. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Rahmenbedingungen ändern. Die Grundlagen werden jetzt vom Parlament geschaffen.

Was müsste sich noch ändern?

Das Stromabkommen mit der EU bleibt ein riesiges Thema. Auch wenn wir die Versorgungssicherheit im Inland stärken, ganz autark kann unser System nicht sein.

SP-Alt-Nationalrat Andrea Hämmerle sagte Anfang Jahr gegenüber der Website «Seniorweb», dass er gegen neue Staumauern sei. In der «SonntagsZeitung» äusserten sich andere Politikerinnen und Politiker kritisch. Wie stehen Sie mit Ihrer Kompromiss-Haltung in Ihrer Partei da?

Die Bundeshausfraktion hat sich in einem Positionspapier klar hinter die 15 Projekte des «Runden Tisches Wasserkraft» gestellt, also auch hinter Trift. Dies unter der Bedingung, dass Ausgleichs- und Ersatzmassnahmen getroffen werden. Es gibt zweifellos einige SP-Exponenten, die den Eingriff in die Landschaft stärker gewichten. Wir sind eine grosse Partei, da haben verschiedene Meinungen Platz.

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Dieser Beitrag wurde vom Ringier Brand Studio im Auftrag eines Kunden erstellt. Die Inhalte sind journalistisch aufbereitet und entsprechen den Qualitätsanforderungen von Ringier.

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