Jährlich landen Tausende Tonnen Sonnenschutzmittel in den Ozeanen. Aber auch in Seen und Flüssen: Wer hat sich nicht schon mal beim Anblick des weissen Films auf der Seeoberfläche gefragt, ob Sonnenschutz nicht umweltschädlich ist?
Sich mit gut und ausreichend mit Sonnenschutz eincremen, um sich vor Hautkrebs zu schützen, das wird einem überall geraten. Auch der Schweizerische Apothekerverband schreibt auf Anfrage von BLICK: «Nach aktuellem Wissensstand ist der Nutzen von Sonnenschutzmitteln – als Schutz gegen die Hautkrebserkrankungen hervorrufende UV-Strahlung – grösser als mögliche Risiken.».
Sonnenschutzfilter in Bergseen nachgewiesen
Wie sehr gefährdet Sonnencreme Schweizer Gewässer? «Leider wissen wir nur wenig darüber», sagt Alexandra Kroll vom Oekotoxzentrum in Dübendorf ZH im Gespräch mit BLICK. Das Zentrum wurde 2008 im Auftrag von Bundesrat und Parlament gegründet und soll Forschung, Dienstleistung und Weiterbildung im Bereich Ökotoxikologie bieten.
Es gibt keine flächendeckenden Messungen der organischen und mineralischen Substanzen, die UV-Schutz bieten, in der Schweiz. Weil diese unter den Tausenden von chemischen Stoffen in der Umwelt bisher keine Priorität haben. Aber bereits vor fast 20 Jahren wiesen Wissenschaftler von Agroscope in Wädenswil ZH, Sonnenschutzfilter in Bergseen (Jörisee am Flüelapass, 2489 M.ü.M.) nach.
Das Korallensterben vor Hawaii ist eine der sichtbarsten Auswirkungen, an welcher Sonnencreme beteiligt ist. Hawaii hat als erster US-Bundesstaat ein Gesetz verabschiedet, das den Verkauf von Sonnencremes mit bestimmten Chemikalien verbietet. Es trat am 1. Januar 2021 in Kraft. Hawaii will damit den Ozean und die Riffe schützen.
In der Schweiz gelten Sonnenschutzprodukte als Kosmetikprodukte und nicht als Medikamente und müssen daher nicht spezifisch zugelassen werden. Alexandra Kroll: «Sie müssen gesundheitlich unbedenklich sein und die Anforderungen des Lebensmittelgesetzes erfüllen. Daher sind die erhältlichen Daten zu Umweltauswirkungen sehr eingeschränkt.»
Chemische Filter?
Sonnencremes mit organischen UV-Filtern wirken, indem sie in die Haut eindringen. Sie nehmen die gefährliche UV-Strahlung auf und wandeln sie in harmlose Wärmeenergie um. Der Schweizerische Konsumentenschutz hat eine Liste mit für den Menschen schädlichen Substanzen in Kosmetika, aber keine für schädliche Stoffe für die Umwelt.
«Der Begriff ‹chemische Filter› – auch wenn er so häufig verwendet wird – ist falsch. Alle Sonnenschutzmittel sind chemische Substanzen. Alle Sonnenschutzfilter absorbieren das UV-Licht, und die mineralischen Filter streuen und reflektieren es zusätzlich», stellt Christian Surber, Professor an der Dermatologischen Klinik des Universitätsspitals Zürich klar.
«Die Begriffe physikalische und chemische Filter wurde in den 90-Jahren von Marketing-Leuten erfunden, um die damals neu eingeführten partikulären (mineralischen) Filter besser verkaufen zu können. Der Einsatz von Produkten mit Zinkoxid oder Titandioxid werde als Alternativen diskutiert. Diese werden aus natürlich vorkommenden Ressourcen wie Erz gewonnen (das heisst aber nicht, dass sie natürlich sind) und hätten die Tendenz, schnell zu agglomerieren und zu sedimentieren.
«Ja, die mineralischen Substanzen verklumpen eher und sind dann im Bodensatz zu finden», bestätigt Kroll. Und erklärt weiter: «Sonnencremes sollen ja schlecht wasserlöslich sein, damit sie beim Schwitzen nicht runterfliessen. Aber darum bildet sich ein weisser oder öliger Film auf dem Wasser. Und dieser kann anschliessend an Insekten und Pflanzen haften.»
Was tun?
«Sonnencreme ist ein Luxusprodukt für unser Vergnügen», meint Christian Surber, Professor an der Dermatologischen Klinik des Universitätsspitals Zürich. Nämlich dafür, dass wir Sonnenungewohnten uns in möglichst knappen Kleidern draussen vergnügen können. Surber warnt: Sonnencreme verhindere nicht Hautkrebs, sondern vermindere nur das Risiko, daran zu erkranken. «Übermässiger Sonnenkonsum ist immer schädlich, und eine gesunde Bräune gibt es nicht», stellt er klar.
Da jeder Hauttyp eine Eigenschutzzeit gegenüber der Sonnen-(UV-)Strahlung aufweist, wird oft versucht, die Zeit zu berechnen, in der man vor der Sonne geschützt ist. Die theoretischen Berechnungen aus dem Labor liessen sich aber nur beschränkt auf den Alltag übertragen, warnt Surber.
Kleider helfen
«Als generellen Ratschlag erwähne ich meinen Patienten gegenüber immer auch noch, dass der beste Schutz der Schatten sowie auch das Tragen sonnendichter Kleider ist – die Tuareg und Araber wissen das schon lange» schreibt Daniel Hohl, Professor und Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie gegenüber BLICK. Und er praktiziert dies auch privat: «Meinen eigenen Sohn habe ich im Sommer immer mit einem T-Shirt an den Strand geschickt und Dächlikappe aufgesetzt».
Und wer länger im Wasser bleiben möchte, zum Beispiel beim Schnorcheln, zieht sich etwas an. Es gibt heute viele Textilien, die im Wasser vor zu viel Sonne schützen: Die meisten Surferinnen und Surfer nutzen diese schon lange. So können wir alle etwas gegen das Korallensterben und die vielen noch nicht abschliessend untersuchten Veränderungen in unseren Gewässern unternehmen. Aber ja, zu einem makellosen Sommerteint kommt man so nicht.