«Der Kübel begann zu stinken – da habe ich bemerkt, dass wir wirklich weniger Abfall produzieren», erzählt Gertrud Keller (59) BLICK. Im Haushalt von ihr und ihrem Lebenspartner Walter Unternährer (60) in Selzach SO dauert es gut sechs bis sieben Wochen, bis ein 35-Liter-Abfallsack gefüllt ist und entsorgt werden kann. Die beiden versuchen, so wenig Abfall wie möglich zu verursachen.
Nein, sie seien keine Ökofreaks, sagen beide. Sie sind in einigen Foren zum Thema «Zero Waste» vernetzt und finden, dass es da manchmal «extrem zu und her gehe». Das Pärchen nimmt es lockerer. Ein Haushalt ganz ohne Abfall sei nicht ihr Ziel. «Die Menschen haben immer Abfall produziert. Man kann gar nicht ohne leben. Auch wir produzieren Abfall, aber nur so viel, wie wir verantworten können», sagt Keller.
Walter Unternährer fügt an: «Wir missionieren damit auch nicht.» Natürlich sei ihr Lebensstil Thema bei Freunden und Verwandten. Gerade bei Geschenken. Aber da sei es schön zu sehen, wie ihr Lebensstil andere zu eigenen Gedanken anregen würden. Oft käme die Reaktion: «Dafür habe ich keine Zeit. Oder: Ich habe einen Fünf-Personen-Haushalt, da geht das Abfall-Vermeiden nicht». Solche Aussagen lassen Keller und Unternährer zwar nicht kalt, aber im Gespräch mit anderen kommentieren sie sie nicht.
Problemlos im Supermarkt einkaufen
«Wir sparen Geld und Zeit, seit wir weniger Abfall haben», sagen Keller und Unternährer. Weniger Abfall, weniger gebührenpflichtige Säcke – das leuchtet schnell ein. Aber im Unverpackt-Laden und auf dem Markt einkaufen ist doch teurer? «Uh nein, im Gegenteil: Wir geben nur noch ein Drittel so viel aus fürs Essen wir früher!», erklärt Keller. Denn sie kaufen nur noch, was sie brauchen. Keine Grosspackungen im Supermarkt, sondern eben genau so viel Reis, wie sie benötigen. So werfen sie kein Essen mehr weg.
«Wir kaufen auch bei Migros und Coop ein. Wir nehmen einfach unsere Gefässe mit», sagt Keller. Und erzählt, wie überrascht sie waren, als sie das erste Mal ihre Gefässe über die Theke reichten und diese ohne Nachfragen akzeptiert wurden. «Das Einkaufen braucht natürlich mehr Vorbereitung», erzählt Unternährer. Doch wer sich vorbereite und überlege, was er brauche und in welchem Gefäss er es nach Haus nehme, kaufe gezielter ein. Zudem spart man viel Zeit beim Einräumen zu Hause. Denn wenn alles schon in den richtigen Gefässen ist, müssen diese nur noch eingeräumt werden. Und weil sie ihre Menüs im Voraus planen, entfalle auch das Rumrennen im Laden, wenn man noch spontan alles für eine Mahlzeit zusammensuchen müsse.
Kein Verzicht – sondern mehr Lebensqualität
Was beiden ganz wichtig ist: «Abfall vermeiden, hat für uns nicht mit Verzicht zu tun, sondern mit Lebensqualität!» Das zeigt sich im Badezimmer: «Ich habe irgendwann beschlossen, kein Make-up mehr zu verwenden. Aber nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern weil ich fand: Nehmt mich so, wie ich aussehe», das sei befreiend gewesen, erzählt Keller. Aber sie sagt auch, dass sie alle verstehe, die sich gerne schminken. Das müssten alle für sich entscheiden.
Heute sei sie mit Gesichtscreme, Zahnpasta, Duschseife, Shampoo und Zahnbürste zufrieden. Weiter gehen möchte sie auch nicht. «Shampoo oder Crèmes selber herzustellen, kommt für mich nicht in Frage», sagt Keller. Die Zeit für die Seifen-Herstellung möchte sie sich nicht nehmen. Gerade hatte Walter Unternährer eine Erkältung – weil beide Papiertaschentücher hygienischer finden, nahmen sie auch da den Abfall in Kauf.
Die meisten Dinge im Haushalt des Pärchens werden lange verwendet. So kaufen sie zum Beispiel «wertige Möbel und Kleider» und pflegen sie, damit sie lange schön bleiben.
Bewusstsein für mehr Frisches
Keller begann nach einem Tiefpunkt in ihrem Leben bewusst Müll zu vermeiden. 2008 musste sie sich nach einer totalen Erschöpfung wieder zurück ins Leben kämpfen. «Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich mich völlig falsch ernährt», erzählt sie. Viele Fertigprodukte, kaum Frisches. «Ich merkte, dass ich wieder richtig essen musste». Auf dem Markt entdeckte sie wieder, was in der Schweiz regional und saisonal vorhanden ist. «Ich bin auf dem Bauernhof aufgewachsen und habe mich daran erinnert, wie wir saisonal gekocht haben», erzählt sie. Heute kommen ihr nur noch wenige Sachen aus dem nahen Ausland auf dem Tisch: «Frisches, das lange transportiert werden muss, kann ja gar nicht reif geerntet werden.»
Zusammen mit ihrem Lebenspartner entwickelte sich ihr Bewusstsein für Abfall weiter. Sie freuen sich, gemeinsam weiter auf diesem Weg zu gehen. Unternährer möchte sich nun anschauen, ob und wie sie mit Wasser und Strom schonender umgehen können.