Der ehrliche Tauschhandel
Ein Abendkleid für eine Nacht

Mutig, ein Kleiderverleih-Portal mit dem Wort «rag» (engl. für Fetzen oder Lumpen) im Namen zu gründen. Genau dies haben Natalia Pinskaya (35) und Lena Romanovska (38) mit Ragfair gewagt. Für sie steht «rag» für Vielfalt und «fair» für Ehrlichkeit und Umweltbewusstsein.
Publiziert: 08.01.2020 um 20:21 Uhr
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Aktualisiert: 14.01.2020 um 11:37 Uhr
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Ein Kleid für die nächste Party? Dieses Kleid kann man beispielsweise bei Ragfair von Natalia Pinskaya (35) und Lena Romanovska (38) für fünf Tage oder auch länger mieten.
Foto: zVg
Barbara Ehrensperger

Bei einem Online-Händler ein Kleid bestellen, es an der Party tragen und dann zurückschicken? Nein, das ist nicht wirklich erlaubt – und vor allem nicht nachhaltig, da Retouren bei Onlinehändlern oft im Abfall landen. Wer trotzdem ein schickes Kleid mieten möchte, kann das bei Ragfair, dem Start-up von Natalia Pinskaya (35) und Lena Romanovska (38), tun.

«Ein Schrank voller Kleider und nichts anzuziehen? Ein absolutes Klischee, ich weiss, und trotzdem erging es mir so», erzählt Caroline W. (40), Kundin von Ragfair, im Gespräch mit BLICK. Ihr Partner durfte einen akademischen Preis in Schweden in Empfang nehmen und musste dabei Frack tragen. Und ich, was trage ich, fragte sie sich. Ihr Partner mietete sich den Frack in einem Kleiderverleih. Caroline dachte: Warum miete ich nicht auch einfach ein Abendkleid?

Zwei Adressen in Zürich fand sie im Internet. Bei Ragfair überzeugte sie vor allem der Service. «Natalia verstand sofort, was ich suchte. Sie half mir bei allem – selbst als es online mit dem Mieten nicht auf Anhieb klappen wollte», erzählt sie. Schon bei der Auswahl des Kleids konnte ihr Natalia Pinskaya helfen. «Sie schickte mir eine Auswahl, die schon sehr gut passte. Ich hatte das Gefühl, sie spürte total gut, was ich benötigte. Als ich die Kleider bei ihr anprobieren ging, tendierte ich zu einer lila Robe, in der ich mich rückblickend absolut nicht wohlgefühlt hätte. Natalia riet mir zu einem schwarzen Kleid mit farbiger Tasche.» Und ihr Fazit heute: «Das war perfekt!» Und ergänzt mit einem Schmunzeln: «Und gefroren habe ich damit in Schweden auch nicht.» Auch darauf habe die Ragfair-Mitinhaberin geschaut.

Neues kommt per Post

«Wir möchten unseren Kundinnen den besten Service bieten. Schliesslich wünsche ich mir das als Kundin an anderen Orten auch», sagt Natalia Pinskaya. Kundin Caroline W. ist restlos begeistert vom Service. Aber wie läuft das Geschäft sonst?

Angefangen haben sie vor zwei Jahren mit zehn Kundinnen pro Monat. Also mit solchen, die nicht nur ein Kleid mieten wollten, sondern die ein Abonnement lösten. Bei Ragfair kann man sich in einem Abo monatsweise drei Stück ausleihen und immer wieder austauschen. Also online die Stücke aussuchen, die Sachen werden in einer wiederverwendbaren Tasche per Post geliefert. Kleider, Schmuck oder Taschen nutzen, retournieren – und sich wieder neue Dinge ausleihen.

«Unser Angebot richtet sich an Menschen, die gerne mit Mode experimentieren, aber denen die Umwelt wichtig ist», meint Natalia Pinskaya. Natürlich könne man auch einfach mit Freundinnen und Freunden Kleider teilen und tauschen. Bei Ragfair muss man sich aber zum Beispiel nicht ums Reinigen der Sachen kümmern und kann sie dreckig zurückschicken. Sie werden dann später gereinigt. «So sind wir sicher, dass die Kleider korrekt sauber sind», erklärt Natalia Pinskaya.

Jeder Vierte beteiligt sich an der Sharing Economy

Dinge teilen statt kaufen liegt im Trend. In der sogenannten Sharing Economy, zu der auch Ragfair zählt, wird ein Gut geteilt oder gemeinsam konsumiert. Mehr als ein Viertel der Bevölkerung macht laut dem Bundesamt für Statistik von dieser Konsumart Gebrauch.

In den Bereichen Beherbergung und Transport wird die Sharing Economy hauptsächlich von jüngeren Menschen genutzt. Die grosse Mehrheit der Nutzerinnen und Nutzer ist zwischen 15 und 44 Jahre alt. Auch die meisten Kundinnen von Ragfair sind in diesem Alter.

Ökologische Gedanken für die Fashion-Welt

Zwar können sich die beiden Inhaberinnen keine grossen Löhne zahlen, aber das Geschäftsmodell funktioniert, und sie erwirtschaften einen kleinen Gewinn. Begonnen haben sie mit eigenen und zugekauften Kleidern, heute fragen sie direkt Designer an. «Wir nehmen nur Kleider mit höchster Qualität, die Langlebigkeit verspricht», sagt sie. Eine Investorin oder einen Investor zu finden, ist der nächste Schritt. Denn die Konkurrenz ist erwacht. Zudem möchten sie den Umweltgedanken weiter in die Fashionwelt tragen: «Man kann sich neue Stücke leisten, ohne diese besitzen zu müssen.»

Oder wie es die Kundin Caroline erklärt: «Hätte ich ein Kleid gekauft, wäre es vermutlich eines mit Polyesteranteil gewesen, wie oft bei Abendkleidern. Dann hätte ich nachher eine Plastikhülle gebraucht, um es zu verstauen. Aber mit dem Mieten des Kleids wurde all dieser Plastik unnötig. Und ich weiss: Irgendwann geniesst eine andere Frau das Glück, dieses Kleid zu tragen!»

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