Auf einen Blick
Vor 80 Jahren grasten hier Kühe auf der Weide. Zwei Generationen später ist aus dem Bauernhof im zürcherischen Lindau die zweitgrösste Sargfabrik der Schweiz geworden. 21'000 Särge entstehen im Familienbetrieb Gerber Lindau pro Jahr; diese decken 30 Prozent des Schweizer Markts ab.
Während viele Menschen zu Lebzeiten auf Waren aus dem Ausland setzen, Ikea-Möbel mit Produktionsstandorten in aller Welt kaufen, Kleider bei chinesischen Händlern, Lebensmittel ennet der Grenze, sieht die Situation beim Tod anders aus. Dann ist Swiss Made gefragt: Vier von fünf Verstorbenen liegen in Särgen aus Schweizer Produktion.
Zwar werden 90 Prozent der Menschen in der Schweiz kremiert. Einen Sarg braucht es trotzdem. «Wie sonst sollte man die Leute transportieren?», fragt Urs Gerber (56). Einen Sarg mehrfach zu verwenden, würde man als pietätlos empfinden, sagt der Geschäftsführer.
Preisdruck aus Osteuropa
Besonders hoch ist der Anteil einheimischer Särge in der Deutschschweiz; in der Westschweiz und im Tessin würden öfter ausländische Särge gewählt. «Der Preisdruck ist enorm, da Fabrikanten aus Ost- und Südosteuropa mit ihren Billigsärgen in den Schweizer Markt drängen.» Urs Gerbers nächster Satz lässt aufhorchen: «In Deutschland ist die Sargproduktion bis auf circa 20 Prozent eingebrochen.» Im Nachbarland liegt also nur noch einer von fünf Verstorbenen in einem Sarg aus einheimischer Produktion.
Warum ist das in der Schweiz nicht ebenso? Warum ist beim Sarg hierzulande Schweizer Qualität so wichtig? «Schweizer Mentalität halt», ist nur ein Teil der Antwort. Der andere hat mit Sarg-Handwerk zu tun: Der Schweizer Sarg hat eine Besonderheit. Und diese wurde just hier, bei Gerber Lindau, erfunden. Dazu später mehr.
Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn das Bestattungswesen in der Schweiz ist kantonal und kommunal geregelt – und das System hat Einfluss auf den Sargpreis.
Während im Kanton Zürich die Wohngemeinde die Bestattungskosten übernimmt, ist das im Kanton Bern nur unter bestimmten Bedingungen der Fall, etwa, wenn die verstorbene Person mittellos war und die Angehörigen die Kosten nicht tragen können. In manchen Kantonen beteiligt sich die Gemeinde grundsätzlich an einem Teil der Kosten.
Im Kanton Zürich sind die Preise für die Särge tiefer, weil hier die Bestattungsunternehmen Aufträge direkt von den Gemeinden bekommen. Im Kanton Bern hingegen, zum Beispiel, muss der Bestatter für seine Dienste Werbung machen, sich mit einem Showroom für die Kundschaft sichtbar machen und so weiter. Ein Teil dieser Aufwände steckt dann auch im – höheren – Preis für den Sarg drin.
Folgende Preisspannen sind in der Schweiz üblich: Einfachere Särge zum Beispiel aus Tannenholz gibt es ab 700 bis circa 1050 Franken. Teurere Modelle, zum Beispiel aus Mahagoni, kosten zwischen 1000 und 4000 Franken.
Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn das Bestattungswesen in der Schweiz ist kantonal und kommunal geregelt – und das System hat Einfluss auf den Sargpreis.
Während im Kanton Zürich die Wohngemeinde die Bestattungskosten übernimmt, ist das im Kanton Bern nur unter bestimmten Bedingungen der Fall, etwa, wenn die verstorbene Person mittellos war und die Angehörigen die Kosten nicht tragen können. In manchen Kantonen beteiligt sich die Gemeinde grundsätzlich an einem Teil der Kosten.
Im Kanton Zürich sind die Preise für die Särge tiefer, weil hier die Bestattungsunternehmen Aufträge direkt von den Gemeinden bekommen. Im Kanton Bern hingegen, zum Beispiel, muss der Bestatter für seine Dienste Werbung machen, sich mit einem Showroom für die Kundschaft sichtbar machen und so weiter. Ein Teil dieser Aufwände steckt dann auch im – höheren – Preis für den Sarg drin.
Folgende Preisspannen sind in der Schweiz üblich: Einfachere Särge zum Beispiel aus Tannenholz gibt es ab 700 bis circa 1050 Franken. Teurere Modelle, zum Beispiel aus Mahagoni, kosten zwischen 1000 und 4000 Franken.
Urs Gerber führt durch die Produktionshallen. Ein Angestellter ist gerade mit dem Zuschnitt von Fichten-Massivholz aus Schweizer Wäldern beschäftigt. Eng ist es und laut; die meisten Maschinen sind im Eigenbau entstanden. Auf dem Boden liegen Späne; hier schneidet eine Maschine Leisten aus rohen Fichtenbrettern, dort bearbeitet eine andere die Kanten, eine dritte imprägniert, beizt oder lackiert. In grossen Serien entstehen die Einzelteile; diese warten dann im Lager darauf, zum Sarg zusammengebaut zu werden. Das Holz stammt aus dem In- und Ausland.
Die Rolle eines betrunkenen Schreiners
Urs Gerbers Grossvater war aus dem Emmental nach Lindau ZH gekommen und hatte einen kleinen Hof direkt neben der Kirche gekauft. Sein Vater wurde dort geboren und lernte Wagner – doch als der Pneu erfunden wurde, starb sein Beruf quasi über Nacht aus. Er suchte einen Zusatzverdienst zum Bauern, stellte Leitern her – bis die Aluleiter kam. Ende 50er-Jahre schreinerte er Pflasterkübel aus Holz – bis die Metall-Kunststoff-Kübel kamen. Für Wisa Gloria produzierte er Zehntausende Holzsättel für die heute ikonischen Dreiräder – bis der Kunststoffsitz kam. Wieder musste der neunfache Vater eine neue Einkommensquelle finden.
Damals fertigte in jedem Dorf der Schreiner nach einem Todesfall den Sarg für den Verstorbenen an; in Lindau war man aber in den späten 50er-Jahren mit dem lokalen Schreiner nicht zufrieden. «Wenn man ihn brauchte, war er entweder nicht da oder betrunken», erzählt Urs Gerber. Vater Hans übernahm.
Das war der Ursprung vom Särgemachen in der Familie Gerber. Doch der Vater wollte mehr. Ihm war Effizienz wichtig, er wollte 20, 30 Särge aufs Mal machen. «Er war ein Vordenker», sagt Sohn Urs, der Jüngste der Familie. Den ersten grossen Auftraggeber fand der Vater im Kantonsspital Zürich (heute Universitätsspital); dieses bestellte bei ihm 150 Särge. Das war der Start der Sargfabrik, im Jahr 1960.
Ein Roboter braucht 14 Minuten für einen Sarg
Heute läuft der Betrieb sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag. Möglich ist dies dank zwei Robotern. Mit ihrem roten Schwenkarm bauen sie innert 14 Minuten einen Sarg zusammen und lackieren ihn. Die fertigen Särge stapeln sie auf – alles ohne menschliche Aufsicht; Unterbrüche gibt es nur, wenn Angestellte die Magazine wechseln, damit die Arbeit weitergehen kann.
Etwa 80 Prozent der Särge bauen die Roboter zusammen. Die restlichen – besonders grosse oder kleine Särge – fertigt ein Arbeiter; er braucht etwa 30 Minuten pro Stück.
Die Besonderheit des Schweizer Sargs
Nun zur Besonderheit: Die Sarg-Enden bestehen jeweils aus zwei Holzteilen, die abgekantet zueinander zusammengeschraubt sind. Diese Form macht den sogenannten Schweizer Sarg aus – und rettet das Geschäft. Denn die ausländischen Särge sind am Kopf- und Fussende rechtwinklig abgeschlossen.
Trägt man zu zweit einen solchen Sarg eine Treppe hinunter, rutscht er dem hinteren Träger fast weg, während dem vorderen das Deckelbrett in die Brust drückt. Da Gerber Lindau Särge nicht nur herstellt, sondern auch Bestattungsdienste anbietet, fiel dies Urs Gerbers Vater auf, als er selbst als Sarg-Träger im Einsatz war. Er tüftelte an einer besseren Lösung herum und kam auf die abgekantete Form, die ein angenehmeres Tragen ermöglicht. «Heute ist diese Form in der ganzen Schweiz Standard», sagt Sohn Urs.
Ein Vorteil für die einheimischen Produzenten: «Der Schweizer Markt ist zu klein, als dass es sich für ausländische Produzenten lohnen würde, Särge in der Schweizer Form zu produzieren», sagt Urs Gerber. In seinem Bestattungsunternehmen bietet er aber nicht nur die eigenen Produkte an; um alle Geschmäcker zu bedienen, hat er auch Särge aus Slowenien oder Italien im Sortiment. Diese sind glänzend lackiert und golden verziert. Nachgefragt sind diese Modelle am ehesten von Hinterbliebenen, die aus dem Süden Europas stammen.
Menschen starben im Jahr 2023 in der Schweiz.
3Fabriken stellen fast alle Särge in der Schweiz her.
10Prozent der Menschen werden in der Schweiz erdbestattet, 90 Prozent kremiert.
20Jahre beträgt die Grabesruhe in der Regel, dann wird die Grabstelle aufgelöst.
48Stunden müssen mindestens zwischen Feststellung des Todes und Erdbestattung oder Kremation vergehen.
1Sarg pro Einäscherung wird dem Verbrennungsofen zugeführt.
Menschen starben im Jahr 2023 in der Schweiz.
3Fabriken stellen fast alle Särge in der Schweiz her.
10Prozent der Menschen werden in der Schweiz erdbestattet, 90 Prozent kremiert.
20Jahre beträgt die Grabesruhe in der Regel, dann wird die Grabstelle aufgelöst.
48Stunden müssen mindestens zwischen Feststellung des Todes und Erdbestattung oder Kremation vergehen.
1Sarg pro Einäscherung wird dem Verbrennungsofen zugeführt.
Welcher Sarg im Trend liegt
Der Schweizer Geschmack geht in Richtung Natürlichkeit. Als Urs Gerber vor rund 30 Jahren in den Betrieb einstieg, fertigte die Fabrik noch zu 80 Prozent Särge aus Pappelholz. Dieses ist homogen und monoton, es hat keine Struktur. Die übrigen 20 Prozent der Särge waren aus Tannenholz, vier von fünf davon aus astfreien Platten. Heute macht Tanne die Hälfte der Sargproduktion aus – und in vier von fünf Fällen sind die verarbeiteten Fichtenplatten astig. Das mutet heimelig und natürlich an.
Urs Gerber führt in eine letzte Halle, die Fertigmacherei. Zwei Frauen sind damit beschäftigt, die Särge auszupolstern. Ein Kissen gefüllt mit Holzspänen kommt ans Kopfende, darüber auf ganzer Länge die Bespannung aus Viskose oder Baumwolle. Sie befestigen auch Füsse, Zierschrauben und Griffe.
Bleibt die Schweizer Form der Kundschaft wichtig und gelingt es infolgedessen, die ausländischen Anbieter weiterhin in Schach zu halten, geht der Sargfabrik die Arbeit nicht aus. Das von den Hinterbliebenen gewählte Sargmodell sieht die Trauergemeinde heute seltener, da es weniger Aufbahrungen oder Erdbestattungen gibt. Der Sarg ist heute meist einfach und schlicht. Und Swiss made.
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