Streit um Schweizer Trendinstrument
Zwei Berner gegen den Rest der Welt

Millionen Menschen rund um den Globus lauschen den meditativen Klängen von Handpans. Doch aufgrund eines Urheberrechtsstreits stehen Dutzende Hersteller und Händler vor der Frage: Müssen sie die Produktion und den Vertrieb bald einstellen?
Publiziert: 12.11.2024 um 19:02 Uhr
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Mit seinen sieben bis neun Tonfeldern um die Kuppel in der Mitte – den «Ding» – und seinen zwei miteinander verbundenen Halbschalen sieht die Handpan aus wie ein Mini-Ufo.
Foto: IMAGO/Addictive Stock

Auf einen Blick

  • Handpan-Streit: Berner Panart gegen billige Nachbauten
  • Instrument weltweit beliebt, aber Urheberrechtsstreit tobt
  • Kosten eines Hang: 2500 Franken, Herstellung dauert Wochen bis Monate
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Ravena FrommeltPraktikantin Gesellschaft

Das Objekt der Begierde hat einen Durchmesser von 45 bis 60 Zentimetern und ähnelt mit seinen zwei miteinander verbundenen Halbschalen einem Mini-Ufo. Um eine Kuppel in der Mitte befinden sich mehrere Tonfelder. Beim Spielen streicheln oder klopfen die Finger über die Oberfläche; der sphärische, mystische Klang lädt zur Meditation und Entspannung ein.

Die Rede ist vom noch jungen Perkussionsinstrument Handpan. Auf Youtube schauen und hören Millionen von Menschen Handpan-Musizierenden zu. Der deutsche Musiker Alexander Mercks (33), sagt: «Vor zehn Jahren haben wir noch vor kleinem Publikum in Wohnzimmern gespielt – heute geben wir Konzerte vor mehreren Hundert Leuten.» 

Und wer hats erfunden? Zwei Schweizer. Die Berner Felix Rohner (72) und Sabina Schärer (52) erschufen im Jahr 2000 mit ihrer Firma Panart die Klangskulptur Hang. Die Herstellung eines Hang dauert mehrere Wochen bis Monate, die Kosten betragen 2500 Franken. Ab 2005 war die Nachfrage deutlich grösser als das Angebot, ab 2007 folgten Nachbauten aus Deutschland, den USA und Spanien. Hang-Erfinder Rohner und Schärer zogen ein erstes Mal vor Gericht. Seit einem Urteil im Jahr 2008 dürfen die Nachahmer den Namen Hang nicht mehr verwenden und nennen ihre Kopien nun Handpan. «Die Leute, die Handpans gebaut haben, haben den Mangel an Produktion des Instruments ausgeglichen», sagt Alexander Mercks.

«Billige Kopien» gefährden das Image von Panart

Und so spielt heute die ganze Welt das junge Instrument aus der Schweiz. Eigentlich eine Erfolgsgeschichte. Doch es tobt ein jahrelanger Streit um die Urheberrechte. Panart will nicht, dass Nachbauten dieselbe Form und Ausgestaltung wie ihr Hang haben: «Wir haben ein Problem damit, dass billige Kopien für teures Geld verkauft werden und auf diese Weise nicht nur die Kunden getäuscht werden, sondern Schindluder mit unserem geistigen Eigentum getrieben wird», sagen sie auf Anfrage. Die zum Teil schlechte Qualität der Handpans schlage auf das Image der Kunst von Panart zurück.

Handpan-Spieler Mercks sagt, dass die ersten Nachbauten des Instruments stark dem Hang nachempfunden waren. Aber: «In den letzten zwei Jahrzehnten ist viel Forschung in dieses Instrument geflossen. Heute sind Handpans keine originalgetreuen Kopien des Hang mehr, sondern eine Weiterentwicklung.» Diese Einschätzung teilen Rohner und Schärer nicht, ihre Aufforderung an andere Hersteller ist es, «selber kreativ zu werden und eigene Klänge, Materialien und Formen zu entwickeln».

Zunächst versucht Panart, mit Handpan-Herstellern aussergerichtliche Einigungen zu erzielen. Einige Hersteller passen daraufhin ihre Designs an, doch die Zahl neuer Hersteller wächst kontinuierlich. 2020 klagt Panart gegen verschiedene Firmen in Deutschland. Die Gerichte halten fest: Beim Hang handelt es sich um ein Werk angewandter Kunst. Die deutschen Händler müssen den Verkauf einstellen. Um dagegen vorzugehen, schliessen sich im Jahr 2020 über 1000 Handpan-Hersteller und -händler zur «Handpan Community United (HCU)» zusammen. 25 von ihnen, darunter 8 Schweizer, reichen eine Gegenklage beim Handelsgericht des Kantons Bern ein. Im Juli 2024 bestätigt das Gericht erneut das Urheberrecht.

Existenz Dutzender Hersteller und Händler bedroht

Nun sehen sich Dutzende von Handpan-Herstellern und -händler in ihrer Existenz bedroht – so auch Andreas Greull (49), der im Oktober seinen Musikladen in Arlesheim BL schliessen musste. In einer Medienmitteilung schreibt er: «Ein Urheberrechtsstreit um die Handpan – dem wichtigsten Instrument im Sortiment – hat dem Unternehmen den Rest gegeben». 

Das Urteil aus Bern verunsichert, ist aber noch nicht rechtskräftig. Die 25 Kläger der HCU ziehen den Fall ans Bundesgericht weiter. Auf ihrer Website schreibt die HCU: «Unzählige Menschen haben seit mehr als einem Jahrzehnt eine Beziehung zur Handpan aufgebaut und ihr Leben durch diese Musik bereichert. Viele können sich ein Leben ohne diese Musik nicht mehr vorstellen.» 

Hat es Panart im Jahr 2000 verpasst, seine Erfindung beim Patentamt anzumelden? «Unser Material ‹Pang› – ein Komposit, kein Stahlblech – konnten wir mit einem Patent schützen», so die Berner. Für die Form des Hang hätten sie vor Veröffentlichung einen Designschutz anmelden müssen, doch das wussten sie damals nicht. Sollte das Bundesgericht zugunsten von Panart entscheiden und die Produktion von Handpans untersagen, könnte dies das Tor für billige, maschinell hergestellte Kopien aus China vollends öffnen, fürchtet Musiker Mercks. Gegen diese vorzugehen, wäre für die Hang-Erfinder nochmals schwieriger und langwieriger.

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