Darum gehts
- Debatte um Diversität im Theater nach Ablehnung von Fördergeldern
- Soll nicht mehr jeder Schauspieler jede Rolle spielen dürfen?
- Theatermacher finden den Entscheid der Stadt Zürich absurd
Derzeit gibts in Zürich ein grosses Theater um ein kleines Theater. Wie divers muss ein Stück sein, wer darf welche Rolle verkörpern und wer beurteilt das? Auslöser für diese Debatte ist ein Artikel im «Tages-Anzeiger» vom 27. März: Darin geht es um die Ablehnung von Fördergeldern, die Rolle eines weissen, männlichen Schauspielers und die Kritik an der Kulturpolitik der Stadt Zürich.
Den Stein ins Rollen brachte eine kleine Theatergruppe. Zum 150. Geburtstag von Thomas Mann (1875 - 1955) will sie «Mario und der Zauberer» als Neuinterpretation aufführen. Dafür hat sie Fördergelder über 30'000 Franken bei der Kulturabteilung der Stadt Zürich beantragt – das Gesuch wurde abgelehnt.
Der privilegierte weisse Mann
Das ist so weit nicht ungewöhnlich, von 27 eingereichten Anträgen konnten zehn gefördert werden. Ungewöhnlich ist jedoch eine der Begründungen. Im Schreiben der Kulturabteilung steht: «Basierend auf dem eingereichten Gesuch erachtet die Kommission den Versuch, die Mechanismen der Herabsetzung von Minderheiten durch die Rolle des Performers von einer von der Kommission als white passing cis-Mann gelesenen Person erklären zu lassen, als nicht überzeugend.»
Für Laien ist diese Formulierung schwer verständlich. Gemeint ist eine Person, die als «weiss» und «männlich» gelesen wird. Dabei geht es nicht nur um die Hautfarbe, sondern um eine privilegierte gesellschaftliche Position.
Auf gut Deutsch übersetzt, heisst das: Die Kultur-Kommission kritisiert, dass «ein alter weisser Mann» nicht die richtige Besetzung sei, um auf der Bühne über die Diskriminierung von Minderheiten zu sprechen. Dabei handelt es sich um die Rolle des Erzählers, also Thomas Mann. Bemerkenswert: Der berühmte Schriftsteller war zwar verheiratet und hatte sechs Kinder, es gab jedoch immer wieder Hinweise auf homoerotische Neigungen.
Von Stadt eine Entschuldigung verlangt
Der Regisseur des Stücks verlangt von der Kulturabteilung eine Entschuldigung für die falsche Einschätzung des Schauspielers, der als «weisser Cis-Mann» bezeichnet wird. «Tatsächlich ist er ein älterer, schwuler Mann mit Ost-Migrationserfahrung, der im Namen der Diversität diskriminiert wird.» Zum Schutz des betroffenen Schauspielers will der Regisseur des Stücks vorläufig anonym bleiben.
Der Regisseur kritisiert die Vergabe von Kulturgeldern anhand von Diversitätsmerkmalen: «Es kann nicht sein, dass Diversity und Inklusion zu reinen Verwaltungsformeln werden, die ohne Sensibilität, ohne Menschenverstand und ohne Austausch mechanisch angewendet werden.» Zumal im Stück auch eine italienisch-stämmige Frau eine wichtige Rolle hat: «Sie wurde von der Kommission nicht einmal erwähnt.»
Was ist divers – was kreativ?
Der Fall ist ein kleines Beispiel für die grosse Debatte um die neue Förderungspolitik der Stadt Zürich. So werden Häuser wie das Schauspielhaus oder die Rote Fabrik dauerhaft unterstützt, andere nur projektbezogen. Dazu gehört neben dem Theater Stok auch das Kleintheater Keller62, das 23 Jahre lang subventioniert wurde und jetzt ums Überleben kämpft. Dabei geht es um 50’000 Franken jährlich.
«So viel kostet nicht mal eine einzige Vorstellung im Schauspielhaus, und wir bringen deren 110 auf die Bühne, fürs gleiche Geld», sagt Lubosch Held, der das Kleintheater seit 26 Jahren leitet. «Wir müssen uns für jedes Projekt bewerben.» Der Vorwurf: Gelder würden auch aufgrund von undefinierten Diversitätskriterien vergeben. «Unser Subventionsantrag wurde abgelehnt, weil das Konzept unter anderem nicht gendergerecht wäre», sagt er. «Es hiess, wir würden den Kriterien nicht genügen, seien nicht divers und wären unbedeutend.»
Theatermacher: «Jeder kann in jede Rolle schlüpfen»
Das sei absurd, schon Schwulenaktivist Ernst Ostertag (95) stand im Keller62 auf der Bühne und unterstützt das Theater bis heute. «Wir machen seit 20 Jahren ein Schwulenfestival, hatten als erste Transshows, wir haben pro Saison zehn verschiedene Sprachen und Ethnien auf der Bühne», sagt Held. Auch das Stück «Mario und der Zauberer» soll im Keller62 aufgeführt werden.
Die Begründung für Ablehnung der Förderungsgelder aufgrund eines «weissen Cis-Mannes» sind für den Theatermacher Held absurd: «Im Schauspiel geht es doch gerade um Kreativität und Vielfalt. Jeder und jede kann in jede Rolle schlüpfen, egal, was für ein Geschlecht, sexuelle Ausrichtung oder Hautfarbe jemand hat. Genau das ist doch Diversität.» Im Umkehrschluss würde das heissen: Jeder könnte nur noch sich selbst spielen.
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