Auf einen Blick
- Whatsapp-Profilbilder sagen oft mehr über uns, als uns bewusst ist
- Profilbilder spiegeln Identität und Selbstdarstellung in der digitalen Welt wider
- Seit knapp einem Jahr blockiert Whatsapp Screenshots von Profilbildern
Da ist der Chef, den man immer korrekt im Anzug sieht – und dann posiert er plötzlich im lockeren T-Shirt am Strand. Oder die Hausärztin, die sich mit ihren Kindern am Familientisch zeigt. Und die Freundin, die lieber ihr Büsi präsentiert als sich selbst. Wer durch die Bilder seiner Whatsapp-Kontakte scrollt, wird rasch feststellen: Hier zeigen sich viele Menschen erstaunlich privat und enthüllen dabei oft mehr über sich, als ihnen lieb und bewusst ist.
Ein Paradox in einer digitalen Zeit, in der grosser Wert auf Image und Privatsphäre gelegt wird. Insbesondere bei Kindern. Auf Social Media werden ihre Gesichter mit Emojis überklebt, doch beim Whatsapp-Profil wird dann plötzlich alle Vorsicht über Bord geworfen. «Viele nehmen Whatsapp vom Gefühl her als privates Kommunikationsmittel wahr», sagt die Medienpädagogin Eveline Hipeli (44). «Es scheint näher am persönlichen Umfeld als soziale Medien wie Facebook oder Business-Plattformen wie Linkedin oder Xing.» Dabei haben die meisten gar kein Festnetz mehr: Die Mobilnummer wird auch geschäftlich genutzt oder bei einer Online-Bestellung angegeben – auch der DHL-Fahrer hat also die vermeintlich private Nummer und damit Einblick in das oft private Profilbild. Und wer von einer unbekannten Handynummer angerufen wird, kann diese speichern und nachschauen, wer dahintersteckt.
Profilbild als Selbstdarstellung
«Oft geht vergessen, wie häufig man seine Nummer in der Welt herumgibt», warnt die Dozentin der Pädagogischen Hochschule Zürich. «Dabei kann man den Zugriff aufs Profilbild mit entsprechenden Einstellungen limitieren und so schützen.» Whatsapp hat in dieser Hinsicht bereits nachgebessert: Seit knapp einem Jahr ist das Erstellen von Screenshots von Profilbildern anderer Nutzer blockiert. Damit soll das Speichern und Weiterverbreiten der Bilder erschwert werden.
Zugleich ist das Profilbild eine Möglichkeit zur Selbstdarstellung. «Das ist mit Identitätsarbeit verbunden», erklärt Hipeli. «Unsere Persönlichkeit hat viele Facetten, und die Identität verändert sich bis ins hohe Alter. Man entdeckt sich neu und will das im Umfeld spiegeln. Viele Leute wollen aus unterschiedlichen Perspektiven gesehen werden und als mehr wahrgenommen werden als nur beispielsweise über den Beruf.» Neben dem Profilbild gibt es auch den Status als Fotostory, die nach 24 Stunden wieder verschwindet – eine weitere Möglichkeit, sich mitzuteilen. «Sei es beim Gärtnern, beim Sport oder mit einem kulturellen Interesse. Als Familienmensch oder mit der neuen Liebesbeziehung», sagt Hipeli. «Und wenn man diese Bilderbotschaften quasi ins Universum hinaus sendet, dann möchte man auch gesehen werden. Jede Reaktion darauf gibt einen kleinen Dopamin-Kick.» Also die schnelle Ausschüttung des Glückshormons im Gehirn.
Mehr als flüchtige Schnappschüsse
Laut der Philosophin Anna Kristina Steimer (36) sind Profilbilder und Selfies weit mehr als flüchtige Schnappschüsse. «Spätmoderne Gesellschaften fordern von jeder und jedem, sich als besonders einzigartig zu zeigen und selbst zu verwirklichen. Dies geschieht zu grossen Teilen über Social Media, wo wir dann in Profilen, Bildern und Posts unser Selbst inszenieren. Gleichzeitig zeigt sich darin aber auch ein Bedürfnis nach Zugehörigkeit.» Steimer, die zur Medienethik, zur Existenzphilosophie und zu Selfies forscht, betont: «Menschen sind immer in Beziehung – zur Natur, zu Tieren, zu den gesellschaftlichen Verhältnissen, zu anderen Menschen und nicht zuletzt auch zu sich selbst. Profilbilder sind ein Ausdruck dieser Beziehungen. Sie zeigen aber auch, dass durch das Festhalten eines Moments Trennung entsteht.»
Das Profilbild ist auch ein Versuch, die Vergänglichkeit zu konservieren und sich der eigenen Existenz zu versichern. Doch laut Steimer kann es auch zu einem Fass ohne Boden werden: «Plattformen und Messenger verlangen ständig neue Inhalte. Das kann auch Druck machen, immer wieder etwas Besonderes zu zeigen.» Insbesondere Selfies stehen oft in der Kritik, narzisstisch zu sein. Doch sie können auch als Ausdruck von Selbstermächtigung gesehen werden. «Ein Selfie ist schnell gemacht und breit zugänglich. Es gibt jeder und jedem zumindest potenziell die Chance, sich zu zeigen und gehört zu werden», so Steimer. «Allerdings kann die Suche nach Bestätigung auch endlos werden.»