Die Schweiz geht baden – immer öfter auch im eigenen Garten. Kaum jemand weiss das besser als Sonja Britschgi-Stalder (40), die in der dritten Generation ein Unternehmen für Schwimmbadtechnik führt: 45 Angestellte, schweizweit tätig, eines der grösseren in der Branche. «Aktuell bearbeiten wir schweizweit über 100 Neubau-Projekte», sagt Britschgi-Stalder. Weit über 5000 Schwimmbäder hat das Unternehmen Vivell mit Hauptsitz in Kappel SO in 60 Jahren bereits gebaut.
Die Geschichte des KMU zeigt, wie sich der Status des Schwimmbads in der Schweiz verändert hat. Vivell hat seinen Ursprung in der Gartenarchitektur. Der Grossvater von Britschgi-Stalder begann in den frühen 50ern beim Bau von weitläufigen Gartenanlagen Pools mitzuplanen. Heute sind diese massentauglicher geworden. Britschgi-Stalders Team setzt mit ihren Branchenpartnern um, was die Kundinnen und Kunden wünschen, je nach Budget und Geschmack: vorgefertigte Becken, Schwimmbäder mit Natursteinauskleidung, Beschichtung oder Folie, aus Edelstahl oder Kunststoff, mit Gegenstromanlage oder Massagedüsen, grosse Pools − oder eben immer öfters auch kleine. Aufgrund der verdichteten Bauweise sind kleinere Ausführungen gefragt. «Der Trend, das Zuhause in eine Wohlfühloase zu verwandeln, ist ungebrochen», sagt Britschgi-Stalder. Viele würden das mit dem Bau eines Pools verwirklichen. Der Swimmingpool ist in der Einfamilienhaus-Schweiz angekommen.
Hier gibt es am meisten private Schwimmbäder
Gemäss einer Datenauswertung des Westschweizer Radios und Fernsehens (RTS) von letztem Jahr gibt es in der Schweiz ungefähr 56'000 Pools. Tendenz: steigend. Fünf der zehn Gemeinden mit der höchsten Pool-Dichte in der Schweiz liegen am Genfersee. Doch auch im Tessin gibt es eine Ballung an privaten Schwimmbädern – und im Kanton Basel-Landschaft haben die Poolbauer ebenfalls viel zu tun. Grundsätzlich gilt: Rund um Seen hat es auch mehr Pools, was nur auf den ersten Blick widersprüchlich ist. Denn an Schweizer Seen wohnen die Privilegierten, wo der Pool zur Grundausstattung gehört. Doch der obere Mittelstand rüstet nach.
Die grosse Welle im Poolbau waren die 1980er-Jahre – eine Zeit des ökonomischen Booms und des schamlosen Lustprinzips. Seither ist das Wachstum konstant bei circa zwei bis drei Prozent pro Jahr. Einzige Ausnahme: Corona. Da nahm die Nachfrage stark zu, die Branche wuchs um bis zu acht Prozent in den beiden Pandemiejahren.
Der Soziologe Ueli Mäder (73) beobachtet die Schwimmbadisierung der Schweiz auf seinen regelmässigen Wanderungen durchs Land. Er findet, dass der Pool zunehmend seine Exklusivität als Statussymbol verliere. «Es gibt Siedlungsgebiete, wo ein Pool neben dem anderen steht. Was mir auffällt: Die privaten Pools sind meist unbenutzt. Die öffentlichen Freibäder dagegen sind bei schönem Wetter voll besetzt. Eventuell ist der Wunsch, einen Pool zu haben, grösser, als der Spass, einen zu besitzen.» Er fügt hinzu: «Ich finde nicht, dass man alles verbieten muss, was keinen Sinn macht, aber dem Wasserverbrauch für diese Schwimmbäder stehe ich schon sehr skeptisch gegenüber.»
800 Millionen Franken im Jahr mit Schwimmbädern
Wasserverbrauch. Ein Thema, das im Zusammenhang mit Pools immer wieder auftaucht. Und beim Poolbauer-Verband Aqua Suisse für Arbeit sorgt. Im vergangenen Sommer war die Hitze gross und das Wasser knapp. Der Kanton Tessin verbot zeitweise das Auffüllen von Privat-Bassins. Direktor Enrico Ravasio (73) und sein Team erstellten Argumentarien, weshalb der Pool-Boom für die Umwelt kein Problem ist. Ravasios Hauptargument: «Wasserverbrauch ist eigentlich der falsche Ausdruck. Wir nehmen Wasser aus dem Kreislauf – und geben es danach wieder zurück.» Die Poolbauer lobbyieren auch mal punktuell in der Politik. Wobei: Viel teure Lobbyarbeit liegt für den eher kleinen Verband nicht drin. Rund 3000 Angestellte zählt die Branche in der Schweiz. Schweizweit erwirtschaften diese KMU etwa 800 Millionen Franken Umsatz (inklusive öffentlicher Hallen- und Freibäder).
Klar ist: Auch wenn sich heute mehr Menschen denn je einen Pool leisten in der Schweiz – der Badespass kostet immer noch ordentlich Geld. Gemäss Ravasio muss man für einen Pool schnell 100’000 Franken hinblättern. Ebenfalls eine Rolle spielt dabei der Hypothekarzins. Bei tiefen Zinsen nehmen die Anfragen zu. «Für viele ist ein Pool nicht nur etwas Emotionales, sondern auch eine Wertsteigerung für die eigene Immobilie», sagt Ravasio.
Doch auch wer sich keine Hypothek leisten kann, verzichtet in der Schweiz nicht auf den eigenen Pool – und greift zum aufbaubaren Becken aus Gummi: Die mobilen Schwimmbäder, die schon für wenig Geld in Baumärkten und bei Onlinehändlern angeboten werden, sind seit Jahren sehr gefragt. Nur dieses Jahr ist der Absatz eingebrochen, gemäss dem grössten Schweizer Onlinehändler Galaxus um 30 Prozent. Der Grund: das schlechte Wetter im Frühsommer.
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