Schweizerischer Impfplan 2023
Die Schweiz sagt Windpocken den Kampf an

Bislang galten Windpocken in der Schweiz als meist harmlose Kinderkrankheit, die jeder Mensch einmal hat. Nun die Kehrtwende: Im neuen Impfplan wird die Varizellenimpfung für Säuglinge empfohlen. Ziel ist eine Herdenimmunität in der Bevölkerung.
Publiziert: 11.02.2023 um 11:19 Uhr
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Aktualisiert: 12.02.2023 um 13:38 Uhr
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Im Alter von 9 und 12 Monaten sollen alle Babys neu auch gegen Windpocken geimpft werden.
Foto: Getty Images
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Karen SchärerTeamlead Gesellschaft

Der schweizerische Impfplan sah bislang Impfungen gegen zehn Krankheiten im ersten Lebensjahr vor. Seit diesem Jahr sind es elf. Neu hinzugekommen ist die Impfung gegen Varizellen, also Windpocken, auch bekannt als «spitze Blattern» oder «wilde Blattern».

Damit vollziehen das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die Eidgenössische Kommission für Impffragen eine Kehrtwende: In der Schweiz wollte man zuvor nichts von einer Impfung gesunder Kinder gegen Windpocken wissen. Eine Impfempfehlung gab es nur für Kinder, die an einer anderen schweren Krankheit leiden.

Viele Länder empfehlen die Impfung

Eine Einschätzung, mit der die Schweiz zunehmend alleine dastand. 45 Länder empfahlen ihrer Bevölkerung 2021 bereits die Windpockenimpfung, darunter auch Nachbarländer.

Ulrich Heininger (61), leitender Arzt am Universitätskinderspital beider Basel und bis 2019 Mitglied der Eidgenössischen Impfkommission, war ein früher – und einsamer – Befürworter einer Impfempfehlung gegen Windpocken.

Als Kinderarzt und Varizellen-Forscher weiss er, dass die als harmlos bezeichnete Krankheit Komplikationen mit sich bringen kann: Pro Jahr sterben in der Schweiz zwei Kinder an Windpocken, eines von Tausend muss im Spital behandelt werden. «Eine Impfung ist eine Versicherung, um einen unerwarteten schweren Fall zu verhindern», sagt Heininger.

Schutz auch vor Gürtelrose

Als in der Schweiz 2018 eine Empfehlung für eine Gürtelrosen-Impfung für ältere Personen ausgesprochen wurde, wies Heininger seine Kolleginnen und Kollegen darauf hin, dass es «unlogisch» sei, die Folgen einer Krankheit mit einer Impfung zu verhindern, die Krankheit selbst aber nicht.

Das Virus, das Menschen an Windpocken erkranken lässt, kann sich später bei etwa zehn bis zwanzig Prozent zu einer Gürtelrose entwickeln. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen: Die Varizellen-Impfung reduziert das Risiko einer Gürtelrose deutlich.

Das neue Impfprogramm bedeutet keine zusätzliche Injektion für das Kind: Statt des etablierten Dreifachimpfstoffs gegen Masern, Mumps und Röteln, der dem Kind im Alter von neun und zwölf Monaten injiziert wird, wird seit 2023 ein Vierfachimpfstoff inklusive Varizellen empfohlen.

Bis zum 40. Geburtstag nachimpfen

Die Änderung im schweizerischen Impfplan betrifft nicht nur Säuglinge: Allen Personen zwischen 1 und 39 Jahren, die noch keine Windpocken hatten, ist eine Nachholimpfung mit einem varizellenhaltigen Impfstoff empfohlen.

Die angepasste Impfstrategie zielt auf eine Herdenimmunität ab. Diese werde nach einigen Jahren bis Jahrzehnten und einer 80- bis 90-prozentigen Immunität der Bevölkerung erreicht sein.


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