Blick: Herr Dobelli, was ist an sozialen Medien aus Ihrer Sicht so gefährlich?
Rolf Dobelli: Social Media ist wie eine Atombombe fürs Gehirn. Das Hirn eines Teenagers ist nicht dazu gemacht, die Lawinen an Informationen zu verarbeiten. Denn es ist zwischen 10 und 20 in der wichtigsten Entwicklungsphase.
Manche Jugendlichen sind exzessiv auf Tiktok und Co., doch irgendwann haben sie es satt.
Das Hirn kann die verpasste Entwicklung aber nicht einfach später nachholen. Sie ist ständig gestört.
Rolf Dobelli (57) ist Philosoph, Bestsellerautor und Unternehmer. Seine Sachbücher haben sich 4 Millionen Mal verkauft, zum Beispiel «Die Kunst des digitalen Lebens». Dobelli ist mit Roman-Autorin Clara Maria Bagus (49) verheiratet und lebt mit seiner Familie in Bern.
Rolf Dobelli (57) ist Philosoph, Bestsellerautor und Unternehmer. Seine Sachbücher haben sich 4 Millionen Mal verkauft, zum Beispiel «Die Kunst des digitalen Lebens». Dobelli ist mit Roman-Autorin Clara Maria Bagus (49) verheiratet und lebt mit seiner Familie in Bern.
Im US-Bundesstaat Florida sollen Jugendliche ab 2025 erst ab 14 Jahren Social-Media-Konten – mit schriftlicher Einwilligung der Eltern – eröffnen dürfen. Was halten Sie davon?
Die Regulierung geht zu wenig weit.
Was heisst das?
Social Media sollte für unter 16-Jährige verboten sein. Auch in der Schweiz. Und für Smartphones sollte das Zugangsalter bei 14 liegen.
Das ist doch unrealistisch.
Ja, vermutlich lässt sich das nicht durchsetzen. Es würde die Anbieter viel Geld kosten, wollten sie das wahre Alter aller User überprüfen. Sie würden sich mit Händen und Füssen dagegen wehren.
Facebook, Instagram, Tiktok – diese Plattformen sind nicht neu. Warum kommen Sie mit diesen radikalen Ideen gerade jetzt?
Weil wir jetzt Forschungsergebnisse dazu haben. Ich äussere meine Überzeugungen in Übereinstimmung mit dem amerikanischen Sozialpsychologen Jonathan Haidt, mit dem ich mich viel austausche. Er hat die ganze Forschung gesammelt, gesichtet, ausgewertet und jetzt ein Buch dazu publiziert. Er ist der Superstar dieser Forschung. Ich interpretiere nur die Sachen, die er sagt.
Nämlich?
2012 kamen die Handys mit den Frontkameras, der Beginn des Selfie-Zeitalters. Parallel dazu kam Instagram. Die desaströsen Effekte sieht man jetzt – zehn, zwölf Jahre später – in allen westlichen Ländern. Seit Social Media auf dem Smartphone Teenagern ständig zur Verfügung steht, sind die Zahlen von Depressionen, Selbstverletzungen und Suiziden massiv hochgeschossen. Teils um bis zu 200 Prozent. Jugendliche leiden. Mädchen noch etwas mehr als Jungen. Das zeigen Studien und Daten klar. Man muss jetzt reagieren.
Wie Haidt finden auch Sie, dass Handys an Schulen verboten werden sollen?
Ja, Schulen sollten generell handyfrei sein.
Warum?
Sie lenken im Unterricht ab. Und in den Pausen gucken alle in ihre Handys. Unsere Teenager lernen nicht, soziale Konflikte auszutragen, sich zu streiten, sich zu versöhnen. Wir sollten in der Schweiz zehn Jahre lang Handys an den öffentlichen Schulen verbieten – und dann schauen, wie wir abschneiden, auch im internationalen Vergleich. Ich garantiere: Schulleistungen, Intelligenz, soziale Kompetenzen werden besser sein. Und die Jugendlichen werden weniger depressiv sein.
Ihre Zwillingsbuben sind jetzt zehn Jahre alt. Werden Sie die 14/16-Regel in Ihrer Familie durchziehen?
Rufen Sie mich in fünf, sechs Jahren wieder an. Eine einzelne Familie kommt fast nicht gegen den sozialen Druck an. Deshalb braucht es kollektives Handeln. Also Verfügungen einer Schule, eines Kantons, eines Landes.
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