Ralf Schumachers spätes Coming-out
Experte erklärt Phänomen «late bloomers»

Mit 49 Jahren hat sich Ex-Rennfahrer Ralf Schumacher als schwul geoutet. Psychotherapeut Udo Rauchfleisch hatte selbst ein spätes Coming-out und erklärt, wie es dazu kommen kann.
Publiziert: 17.07.2024 um 17:02 Uhr
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Aktualisiert: 17.07.2024 um 18:08 Uhr
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Ralf Schumacher und sein Partner Étienne.
Foto: Instagram/ralfschumacher_rsc
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Sara BelgeriRedaktorin

Wann ist eigentlich der richtige Zeitpunkt für ein Coming-out? Für den früheren Rennfahrer Ralf Schumacher war er letzten Sonntag. Mit 49 Jahren. Schumacher ist einer von wenigen Grössen aus dem Sport, die sich als schwul geoutet haben – und der erste in der Formel 1. Aber er ist bei weitem nicht der einzige «late bloomer».

«Late bloomers», also Spätzünder, sind Menschen, die erst im erwachsenen Alter ihr Coming-out haben. Manchmal geschieht dies, nachdem sie jahrelang in einer heterosexuellen Beziehung gelebt oder auch eine Familie gegründet haben. So auch Schumacher: 14 Jahre lang war er mit Cora Schumacher (47) verheiratet. Aus der Ehe ging Sohn David (22) hervor. 

Bekannte «late bloomers»

Beispiele von bekannten Menschen, die sich später im Leben geoutet haben, gibt es einige. Etwa das der deutschen Fernsehmoderatorin Anne Will (58). Sie war 41 Jahre alt, als sie sich outete. Die US-Schauspielerin Cynthia Nixon (58) war vor ihrem Coming-out 15 Jahre lang mit einem Mann verheiratet. Ex-SRF Moderator Hans-Peter Nehmer (58) ist Vater zweier Kinder und war 16 Jahre lang mit einer Frau verheiratet. Sein öffentliches Coming-out hatte er vor fünf Jahren. Der amerikanische Sänger Barry Manilow (81) outete sich 2017 offiziell als schwul. 

Der emeritierte Professor an der Universität Basel für klinische Psychologie und Psychotherapeut Udo Rauchfleisch (81) ist dreifacher Vater und war lange mit einer Frau verheiratet. Dann outete er sich als 45-Jähriger in der Familie. Es sei ein «schrittweiser Prozess» gewesen, sagt er heute. Einer von Rauchfleischs Forschungsschwerpunkten ist Homosexualität, als Psychotherapeut begleitet er Menschen bei Coming-out-Prozessen. Darunter auch immer wieder «late bloomers».

Sexuelle Orientierung kann sich verändern

Im Gegensatz zu jüngeren Menschen seien ältere Menschen, die sich outen wollen, gefestigter im Leben, sagt der Psychotherapeut. Das sei ein Vorteil. Aber es sei oft kein einfacher Prozess: «Es geht nicht um sie alleine, weil oftmals auch noch die Familie involviert ist.» Deshalb seien oft umfangreiche Erklärungen nötig. Der Partnerin oder dem Partner, den Kindern und dem Umfeld gegenüber. 

Die meisten Fachleute gehen davon aus, dass die sexuelle Orientierung nicht von Geburt an festgelegt ist und sich verändern kann. «Sexualität muss man als etwas Prozesshaftes, Dynamisches sehen», sagt Rauchfleisch. Da Heterosexualität in der Gesellschaft als Norm angesehen wird, würden die meisten Menschen zunächst diesen Teil ihres Begehrens zuerst wahrnehmen. Trotzdem komme das Coming-out bei «late bloomers» meist nicht aus heiterem Himmel, sagt Rauchfleisch. «Bei vielen Menschen, die sich im Erwachsenenalter outen, wird das Begehren, das meist schon da war, im Verlauf der Zeit einfach deutlicher spürbar.»

Gerüchte lange dementiert

Wie dieser Prozess bei Ralf Schumacher verlief, weiss nur er selbst. Tatsache ist aber, dass es in der Vergangenheit immer wieder Gerüchte um seine sexuelle Orientierung gegeben hatte. Diese dementierte Schumacher wiederholt und energisch. 2003 beteuerte er gegenüber Blick: «Ich bin ein glücklich verheirateter Ehemann mit einem Sohn. Die dummen Homo-Geschichten entstanden wohl bei der Eröffnung eines Restaurants, als ich mich mit den beiden etwas anders veranlagten Besitzern in der Mitte ablichten liess.»

Für Udo Rauchfleisch ist es keine Überraschung, dass Schumacher sich erst nach seiner Zeit als aktiver Sportler geoutet hat. «Sportlerinnen und Sportler haben Angst, dass sie durch ein Coming-out den Status als idealisierter Mann oder idealisierte Frau verlieren. Hinzu kommt die Befürchtung, dass Sponsoren abspringen könnten.»

«Dass Ralf Schumacher sich geoutet hat, ist ein wichtiges Zeichen», sagt Rauchfleisch. «Damit macht er anderen Mut.» Und er hat gezeigt, dass ein Coming-out in der Welt des Rennsports möglich ist.

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