Ein laszives Stöhnen. Dann eine explizite Schilderung, was der Stöhner mit Corina (23) anstellen möchte. Für die Ostschweizer Gamerin und Streamerin, die sich online CorinaBrx nennt, ist das keine seltene Erfahrung: «Es kommt vor, dass Mitspieler oder Zuschauer sagen: «Frau, geh wieder zurück in die Küche!» oder: «Zeig lieber mal deine Titten!»
Eine in der französischen Zeitung «Libération» zitierte Studie des Meinungsinstitutes Ifop zeigte kürzlich das erschreckende Ausmass von Sexismus in der Gamingwelt: Gemäss der Untersuchung mussten sich 40 Prozent der Frauen beim Online-Zocken bereits sexistische oder sexualisierende Kommentare anhören, in Kampfspielen steigt die Quote sogar auf 66 Prozent.
«Oh nein, eine Frau!»
Gamerin Tamara Büttiker (26), Vorstandsmitglied der E-Sports Federation Schweiz, kennt das stereotypische Verhalten: Eine Frau gelte in Spielen oft als Mitspielerin, die das Team unterstützt, «aber nicht als diejenige, die die entscheidenden Spielzüge macht».
Spreche man als Frau während eines Online-Spiels ins Mikrofon, sei nicht selten zu hören: «Oh nein, eine Frau!». Einige Männer schrecken auch nicht davor zurück, Spiele vorzeitig abzubrechen, wenn sie mit Frauen im selben Team landen. «Solche Reaktionen sind extrem frustrierend. Sie erklären, warum gewisse Frauen sich zurückziehen und es vermeiden, mit Unbekannten zu spielen», so Büttiker. Allerdings ist ihr wichtig zu betonen: Sexismus sei im Amateur-Bereich verbreitet, aber nicht im professionalisierten Schweizer E-Sport.
Hälfte hält Geschlecht geheim
Wegen Bemerkungen unter der Gürtellinie und anderen Formen des Mobbings meiden Freizeit-Gamerinnen das Spiel – oder zensieren sich selbst: Sie schalten ihr Mikrofon auf stumm oder wählen einen genderneutralen Spielernamen. Laut der Ifop-Studie hat fast die Hälfte der Spielerinnen von Baller- und Kampfgames mindestens einmal ihr Geschlecht aus Selbstschutz vor ihren Mitspielern geheim gehalten.
Ist bei Spielen die Webcam eingeschaltet, verschärft sich die Problematik noch. CorinaBrx ist die grösste Schweizer Streamerin. Konkret heisst das, sie filmt sich beim Gamen, Singen oder Kochen auf der interaktiven Video-Plattform Twitch und plaudert dabei mit dem Publikum. Beim Streamen von Games wird das Gesicht des Spielenden in einem kleinen Kasten am Rand des Hauptgeschehens eingeblendet, rechts davon rattert ein interaktiver Chat. Spätestens seit der Corona-Pandemie boomen Gaming-Livestreams.
Eine Analyse von Forschern der Indiana University zeigt: Während User mit männlichen Streamern meist über Spielrelevantes chatten, fallen bei Streamerinnen deutlich öfter Begriffe wie «heiss» oder «Babe».
Rollenklischees in Games
Inzwischen filtert ein Algorithmus auf Twitch solche Beleidigungen raus. Laut Corina erkenne die KI allerdings einige schweizerdeutsche Ausdrücke nicht, auch deswegen lässt sie den Chat durch Moderatoren überwachen. Sie fühlt sich durch die Kommentare aber nicht entmutigt: «Ich nehme das nicht persönlich – Menschen erlauben sich bekannterweise versteckt hinter ihrer Anonymität einfach gewisse Dinge.» Die Plattform Twitch betont, dass ihre Nutzer auch spezifische schweizerdeutsche Ausdrücke blockieren können, wenn diese diskriminierend, obszön oder feindselig sind.
Manche Kritiker sind der Meinung, dass Rollenklischees in Games eine sexistische Haltung fördern. Ihr Argument: Frauen wird in vielen Videospielen weiterhin die Opferrolle zugeteilt, animierte Heldinnen tragen oft eng anliegende, nicht funktionale Kleidung oder schwingen auffällig ihre Hüften. Dies gipfelte 2019 im Online-Game «Rape Day» (Tag der Schändung), in dem Frauen vergewaltigt und ermordet werden sollten. Die verantwortliche Online-Plattform entschied sich nach einem Shitstorm gegen die Veröffentlichung dieses «Spiels».
Prinzessin Peach rettet nun selber
In jüngster Zeit allerdings hat laut Experten die Anzahl von Videospielen zugenommen, in denen weibliche Charaktere nicht länger einem frauenfeindlichen Klischee entsprechen. Und im Kino muss Spengler Mario aktuell seinem Bruder Luigi aus der Klemme helfen – während Prinzessin Peach ihm dabei hilft.
In den Nintendo-Spielen war es bisher üblich, dass es Mario ist, der die Prinzessin des Pilzkönigreichs befreit.
Videospielen ist in der Schweiz längst ein Massenphänomen. Eine Studie von Link und MYI Entertainment zeigte Anfang Jahr: In der Schweiz leben rund zwei Millionen Gamer, die mehrmals pro Woche oder sogar täglich spielen. Etwa jeder Zweite schaut anderen beim Gamen auf Livestreaming-Plattformen zu. Das beliebteste Game ist «Mario Kart», geballert wird vor allem auf «Minecraft» und «Call of Duty». Im professionellen Bereich bleiben Gamerinnen eine Minderheit. Tamara Büttiker: «Wir könnten dringend Verstärkung gebrauchen!»
Videospielen ist in der Schweiz längst ein Massenphänomen. Eine Studie von Link und MYI Entertainment zeigte Anfang Jahr: In der Schweiz leben rund zwei Millionen Gamer, die mehrmals pro Woche oder sogar täglich spielen. Etwa jeder Zweite schaut anderen beim Gamen auf Livestreaming-Plattformen zu. Das beliebteste Game ist «Mario Kart», geballert wird vor allem auf «Minecraft» und «Call of Duty». Im professionellen Bereich bleiben Gamerinnen eine Minderheit. Tamara Büttiker: «Wir könnten dringend Verstärkung gebrauchen!»