Reto Invernizzi (41) erhebt sein Glas. «Willkommen im Kemmeriboden 2.0», begrüsst er seine Gäste. Es sind die ersten seit einem Jahr. Sie sitzen auf der Terrasse des Landgasthofs im hintersten Zipfel der Gemeinde Schangnau BE in der Sonne, am Ende der Welt, dort, wo das Postauto kehrt.
Über der Terrasse ragt der zerklüftete Felsriegel Hohgant in den Himmel, in den Schlüsselblumen summen Bienen. Friedlich plätschert die Emme durch die Idylle. Der Fluss, der das fast 200-jährige Hotel und Restaurant vor einem Jahr bis zur Unkenntlichkeit verwüstet hat. «In den Erdgeschossen war alles kaputt», erinnert sich Retos Frau Alexandra Invernizzi (41) an die Katastrophe vom 4. Juli 2022.
An diesem verhängnisvollen Nachmittag, als die Emme nach einem Gewitter über die Ufer trat, das Hotel unter einer Schlammlawine begrub, Scheiben zersplitterte und das Wasser im Gasthof fast zwei Meter hoch stand. Das Auto einer Mitarbeiterin wurde zehn Kilometer mitgerissen. Alexandra Invernizzi sagt: «Diese Kraft kann man sich gar nicht vorstellen.» Verletzt wurde zum Glück niemand.
Quellwasser und Kult-Meringues
Es riecht nach Holz, vom Fenstersims duften die violetten Geranien. Auch ein leichter Geruch nach Farbe liegt in der Luft. «Ist wirklich sehr schön geworden», sagt ein älterer Gast zu seiner Frau, als die beiden den frisch ausgekleideten Bedli-Saal inspizieren.
Den Saal, in dem schon Schriftsteller Jeremias Gotthelf (1797-1854) schrieb und in dem die Gäste heute Fischfilets, Kalbsleberli nach «Müetis Art» oder die Kult-Meringues des Betriebs schlemmen.
Es ist das erste Testwochenende des Gasthauses. Unter anderem wurde die Küche komplett neu gebaut, alles ist an einem anderen Ort. «Jeder Handgriff soll sitzen, bis wir am 3. Juli wieder offiziell öffnen», sagt Alexandra Invernizzi.
Seit 2010 führen sie und ihr Mann Reto den Gasthof. Unterdessen in der sechsten Generation – vor fast 300 Jahren wurde die Mineralquelle entdeckt, die aus dem Kalkstein des Hohgants sprudelt und seither für den Gastbetrieb genutzt wird. Seit vielen Jahren ist der Kemmeriboden ein beliebter Treffpunkt der Region.
Überwältigt von der Solidarität
In nur einem Jahr haben die Invernizzis ihren Gasthof wieder aufgebaut. Inklusive Staumauer und Damm, die zukünftige Unwetter zurückdrängen sollen. «Aufgeben war für uns nie eine Option», sagt Alexandra. Trotzdem: Es war ein nervenaufreibendes Jahr. Hoher Zeitdruck, gestiegene Energie- und Baukosten und versteckte Mehrkosten erschwerten den Wiederaufbau. Auch Trauer hatte die Familie zu bewältigen: Im September starb Reto Invernizzis Vater.
Bestärkt haben die Familie vor allem die unzähligen helfenden Hände. «Wir waren überwältigt von dieser Solidarität», sagt Alexandra Invernizzi. Retos Bruder kam für zwei Wochen «go büglä», ein Freund aus einem anderen Betrieb nahm für sie das Telefon ab. «Das klingelte von morgens bis abends durch», erinnert sie sich. Der Frauenverein Schangnau buk jede Woche für die Invernizzis und ihr Team.
Alexandra Invernizzi ist dankbar: «Das hat uns mental über Wasser gehalten und uns gezeigt, dass es vielen Menschen wirklich am Herzen liegt, dass wir den Kemmeriboden wieder aufbauen».
Ein Unwetter-Überbleibsel bleibt bestehen
Serviceangestellte in weissen Blusen decken Tische und schenken Apfelschaumwein aus. 90 Prozent des Personals ist dem Gasthof erhalten geblieben – und das in Zeiten des Fachkräftemangels. «Darüber sind wir sehr froh», sagt sie. «Ohne unser Team hätte das alles nicht funktioniert.»
Ein Jahr war hier Baustelle, bald geht es wieder richtig los. Die Flut ist überstanden, doch sie bleibt Teil der Gasthof-Geschichte: Mit dem sogenannten Unwettertisch. Das ist der neue Tisch im Restaurant. Die Platte aus den 200-jährigen Riemenböden, der Sockel ein grosser Felsbrocken, den die Emme auf das Grundstück geschwemmt hat.
Richtig heimelig findet Alexandra Invernizzi ihren Gasthof erst seit heute wieder. «Schön, sind die Gäste wieder hier, die das Leben reinbringen.» Sie freut sich darauf, dass das Kemmeribodenbad wieder öffnet, fast genau ein Jahr nach dem Unwetter. Auf der Terrasse klatschen die ersten Gäste des Neuanfangs am Ende der Welt. Reto Invernizzi strahlt und sagt: «Schön, seid ihr Teil von unserem Weg.»
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