Er stellt sich mit dem Bunsenbrenner auf Eisberge und macht die Radioaktivität im Bikini-Atoll in seinen Kunstwerken sichtbar: Der Waadtländer Julian Charrière (37) geht als Künstler an die Grenzen und ruft so zur Dringlichkeit auf, unsere Umwelt zu schützen. Zum Start der Art Basel holt der Shootingstar der Kunstszene den bedrohten Nebelwald aus den Anden direkt in die Rheinstadt - mit einer Live-Schaltung in Bild und Ton.
Blick: Wie sind Sie auf den Regenwald gekommen?
Julian Charrière: Ich erinnere mich lebhaft daran, wie ich als Kind meine Eltern über den Amazonas sprechen hörte. Schon damals war er durch Abholzung und Entwaldung gefährdet. Der Slogan «Rettet den Regenwald» prägte sich mir ein. Dreissig Jahre später stehen diese wertvollen Ökosysteme noch immer vor denselben ungelösten Herausforderungen.
Das beschäftigt Sie?
Ja, insbesondere die Frage: Wie können wir uns über diese grossen Distanzen hinweg emotional für etwas engagieren, das uns physisch von den Folgen unseres Handelns entfernt.
Warum sind Sie Künstler geworden?
Vielleicht ging es gar nicht so sehr darum, dass ich Künstler werden wollte, sondern um die Auseinandersetzung mit der Natur. Ich war von klein auf neugierig auf Tiere und Pflanzen und welche Bedeutung wir dem beimessen. Die Naturwissenschaft war nicht mein Weg, mich interessierte mehr der Dialog zwischen diesen Welten. Diese Neugierde hat mich zur Kunstschule geführt. Irgendwann wollte ich auch Koch werden.
Was wollen Sie mit ihrer Installation erreichen?
Diese Fassade an einem Kaufhaus ist wie eine riesige Reklametafel, die Einblick in den Alltag einer anderen Welt gibt. Eine Welt, in der von einem Tag auf den andern ein Stück Urwald verschwindet. Das ist nicht ein Vakuum, das nichts mit uns hier zu tun hat. Alles ist miteinander verbunden. Doch es fällt schwer, sich emotional mit dieser Realität auseinanderzusetzen. Allein in dieser Woche der Eröffnung der Art Basel werden weltweit mehr als 300.000 Hektar Regenwald abgeholzt. Zahlen, die so abstrakt sind, dass wir sie nicht mehr fassen können.
Es gibt eine Telefonleitung in den Regenwald, wozu?
Es geht um den Dialog, man kann dem Nebelwald nicht nur zuhören, sondern auch mit ihm sprechen. Natürlich in sehr geringer Lautstärke, um die Tierwelt nicht zu stören.
Wie lange waren Sie in Nebelwald?
Drei Wochen, es ist ein magischer Ort zwischen Nebel, Regenstürmen, Sonne und Insektenschwärmen. Die Installation mit Solarenergie war in der hohen Luftfeuchtigkeit anspruchsvoll, wir standen oft knietief im Schlamm.
Wie haben Sie den Ort persönlich erlebt?
Ich bin sehr dankbar, dass ich in diesen gigantischen Wald eintauchen konnte, es gibt dort über 300 Vogelarten. Als Kind war ich leidenschaftliches Mitglied der örtlichen ornithologischen Gesellschaft. Mein Engagement für Ecuador hat auch politische Gründe. Die Urwälder sind stark bedrohte Lebensräume, und gerade weil das Land recht klein ist, ist es wichtig, diese Wälder so schnell wie möglich für die Zukunft zu erhalten.
«Calls for Action», von Julian Charrière, präsentiert von Globus und Fondation Beyeler bis am 6. Oktober am Marktplatz, Basel.
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