So viele junge Katzen wie dieses Jahr wurden im Toggenburger Büsihof noch nie abgegeben. «Phasenweise waren es über 100 Kätzchen – und das war erst der Sommer, im Herbst gibt es wieder Junge», sagt Marcel Jung (59), Gründer und Präsident des Tierschutzvereins Papageien- und Büsihof.
Es sind aber nicht nur die Würfe von unkastrierten Katzen auf dem Land, die den Tierheimen Sorgen bereiten: Es werden zunehmend junge Rassekatzen abgegeben. So auch Birma-Katze Leni. «So eine könnte ich mir nicht leisten», sagt Jung. Aus einer seriösen Zucht blättert man für die flauschige Schönheit 1500 Franken hin. Trotz dieser Investition wollten die Besitzer sie nicht mehr haben. «Angeblich hat sie reingemacht, bei uns hatten wir keine Probleme mit ihr», sagt Jung. Sie ist nicht die einzige Hauskatze, die schon nach ein oder zwei Jahren im Tierheim abgeben wird.
Nach den Hunden die Corona-Büsi
Für Jung ist das eindeutig eine Nachwirkung der Corona-Pandemie: «Zuerst waren es die Hunde, jetzt sind es die Katzen, die man sich damals unüberlegt angeschafft hat.» Zwar sei eine Katze weniger zeitintensiv, aber auch sie brauche Betreuung und verursacht Kosten. Inzwischen platzt das Tierheim aus allen Nähten: «Wenn es so weitergeht, müssen wir einen Aufnahme-Stopp machen», sagt Jung. Denn was vielen nicht bewusst ist: «Wir bekommen keine staatliche Unterstützung, sondern müssen alles selber aus Spenden finanzieren: Unterbringung, Futter, Tierarzt und Löhne für unsere Mitarbeiter.»
Auch im Katzenhaus Neuhausen SH werden besonders viele junge Katzen, darunter auch teure Rassen, abgegeben. «Anfangs sind sie noch klein und süss», sagt Leiterin Linda Strack (42). «Aber insbesondere Wohnungskatzen brauchen Beschäftigung und man kann sie nicht ständig alleine lassen. Sonst entwickeln sie Störungen, zerkratzen Polster oder nässen.» Auffallend viele der 123 Katzen, die dieses Jahr im Katzenhaus bereits aufgenommenen wurden, seien zwischen 5 Monaten und 2 Jahre alt: «Eine solche Häufung von Jungkatzen hat es noch nie gegeben», sagt Strack.
Rassekatzen werden ausgesetzt
Und längst nicht alle werden abgegeben, sondern ausgesetzt. So auch der Bengal-Kater Duke. «Er wurde während Corona als Kitten angeschafft, eigentlich als Wohnungskatze, aber er büchste aus», erzählt Strack. «Kein Wunder, er war auch nicht kastriert und in der Nachbarschaft als Draufgänger bekannt.» Im letzten Dezember wurde er von einem Auto angefahren und die Besitzer wurden alarmiert. Aber statt ihn zum Tierarzt zu bringen, wurde der verletzte Kater offensichtlich ausgesetzt.
Hunde, Katzen und eine Schlange
Erst vier Monate später tauchte er bei einer aufmerksamen Nachbarin im Garten auf. Völlig abgemagert, mit stinkendem Fell, der gebrochene Kiefer war verschoben zusammengewachsen, sodass er das Maul kaum öffnen und schliessen konnte. «Die Finderin hat direkt uns statt die Besitzer informiert und wir haben ihn beim Tierarzt behandeln lassen», sagt Strack vom Katzenhaus.
Es war eine lange und aufwendige Genesung, der Kiefer musste operiert werden und der Kater hatte 1,5 Kilo Untergewicht. Duke war nicht gechippt. «Darum ist es schwierig, seine ehemaligen Besitzer zur Rechenschaft zu ziehen», so Strack. Laut Gesetz muss man eine Findelkatze bei der Schweizer Tiermeldezentrale (STMZ) ausschreiben. Erst nach zwei Monaten darf das Tier weiter vermittelt werden. Die Besitzer von Duke haben sich nie gemeldet. Auf den Tierarztkosten bleiben in solchen Fällen die jeweiligen Tierheime hocken.
Chip-Pflicht für Katzen
Darum befürworten sowohl Strack, als auch Jung vom Büsihof eine Chip-Pflicht für Katzen, so wie sie auch für Hunde gilt. «Auch wenn das nicht leicht durchzusetzen ist», so Jung. Vor allem auf dem Land vermehren sich die Katzen unkontrolliert. «Wegen der langanhaltenden warmen Temperaturen kann es sein, dass es dieses Jahr statt zwei, sogar noch einen dritten Wurf an Kitten gibt», sagt Jung. Laut Schätzungen von Tierschützern gibt es in der Schweiz weit über 100'000 streunende Katzen. Insgesamt gibt es hierzulande etwa 1,8 Millionen Katzen, gechippt sind 671'000 davon.
Wer ein Büsi im Tierheim holt, bezahlt dafür eine Gebühr von bis zu 350 Franken. Damit stosse man laut Jung oft auf Unverständnis: «Dafür waren die Katzen beim Tierarzt, sie sind geimpft und gechippt und wir können damit einen Teil unseres Aufwandes decken.»
Die Birma-Katze Leni hat inzwischen ein neues Zuhause bekommen und auch Bengale Duke wird jetzt liebevoll umsorgt. Nach wie vor landet aber fast täglich eine neue Katze im Tierheim – und manche warten bis zu einem ganzen Jahr, bis sie ein neues Zuhause finden.
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