Aus den sozialen Medien wie Tiktok sind sie momentan fast nicht mehr wegzudenken: Die Talahons. Dabei handelt es sich um junge Männer, meist mit Migrationsgeschichte. Sie tragen Marken wie Lacoste, Boss oder Armani, schauen böse und boxen in die Luft. Was steckt hinter dem Phänomen? Blick hat bei Lothar Janssen (65), Mitbegründer Schweizer Institut für Gewaltfragen, Lehrer- und Schülerberater und Psychologe, nachgefragt.
Lothar Janssen, sind die «Talahons» ein neues Phänomen?
Nicht wirklich. Ich glaube, dass es ein bekanntes Phänomen ist, es trägt einfach einen neuen Namen.
Inwiefern?
Junge Leute haben schon immer zum Beispiel an Bahnhöfen abgehangen. Früher waren es die Skater, die zofften sich dann mit den Hip-Hoppern. Heute sind es die «Talahons». Im Kern ist es eine Gruppe, die sich über einen gemeinsamen Style definiert.
Aber die sozialen Medien sind neu.
Die sozialen Medien wirken wie ein Brandbeschleuniger. Je mehr Aufmerksamkeit solche Gruppen kriegen, desto mehr bekommen sie auch eine Identität beziehungsweise eine Negativ-Identität. Wenn die Leute sich dann über sie aufregen, wollen sie noch mehr provozieren. Und klar: Wenn ein Tiktok viral geht, und sie im Gespräch sind, wirken sie cool. Dann bekommen sie noch mehr Zulauf.
«Talahons» wird nachgesagt, gewalttätig und kriminell zu sein.
Das überrascht mich gar nicht. Es heisst jetzt ja schon: Schau mal, wie bös die schauen, was die machen. Da muss man aber sauber differenzieren. Sie sind sicher nicht für die Zunahme von Kriminalität verantwortlich. Aber einige fallen auf und durch die Medien wird das aufgeblasen.
Viele tun also nur gefährlich, sind es aber gar nicht unbedingt?
Sie wollen Respekt haben. Dafür muss man cool gucken und das richtige Outfit haben. Und wenn mir die Leute dann zuschreiben, dass ich ein krasser Gangster bin, dann bin ich auch einer. Und das schaukelt sich dann hoch. Aber: Die haben meistens nur in der Gruppe eine grosse Klappe. Einzeln sind die meistens total nett. Aber sobald die Gruppendynamik spielt, ist es vorbei. Aber da gibt es vielleicht einige, die übertreiben oder wirklich auch gewalttätig sind, aber nie als Gruppe per se.
Wie wichtig ist es für junge Männer, zu einer solchen Gruppe zu gehören?
Für diese Männer ist das total wichtig. Es ist der Versuch, eine Autorität oder eine Art Stammeszugehörigkeit zu haben. Das hat etwas Patriarchales. Das führt zur Entwicklung einer kollektiven, anstatt einer individualisierten Männlichkeit. Und dieses Rollenverständnis ist wichtig in dieser sich auflösenden Welt. Es ist der Versuch, Männlichkeit und klare Rollen wiederherzustellen und über die Gruppenzugehörigkeit die Identität zu definieren.
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