Drei junge Tänzer teilen sich die Hauptrolle
Wir sind Billy Elliot

Sie sind männlich und tanzen Ballett: Die drei Jungschauspieler in der Hauptrolle des Musicals «Billy Elliot». Die drei Billys aus der Zürcher Produktion erzählen, wie sie mit Rollenklischees brechen und wo sie sich selbst in der Hauptfigur wiederfinden.
Publiziert: 09.12.2024 um 21:13 Uhr
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Aktualisiert: 10.12.2024 um 09:20 Uhr
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Leo Lemmerich aus Frauenfeld (l.) und Nevio Reymond aus Basel teilen sich mit ...
Foto: Thomas Meier

Auf einen Blick

  • Drei Jungs teilen sich die Hauptrolle im Musical «Billy Elliot» in Zürich
  • Trotz anfänglicher Hänseleien in der Schule verfolgten sie ihre Tanzleidenschaft weiter
  • Sie stehen jeweils zweieinhalb Stunden pausenlos auf der Bühne
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Dennis BaumannRedaktor Gesellschaft

Sie wohnen bei ihren Eltern und drücken noch die Schulbank. Tagsüber leben die drei Jungs Moritz Fischli (12), Leo Lemmerich (13) und Nevio Reymond (12) den gewöhnlichen Alltag. Doch abends heisst es «Vorhang auf!», und jeweils einer von ihnen steht auf der Bühne im Rampenlicht vor Hunderten von begeisterten Zuschauerinnen und Zuschauern.

Die drei Jungs teilen sich die Hauptrolle des Billy Elliot im gleichnamigen Musical, das seit November in Zürich läuft. Für sie geht damit ein Traum in Erfüllung. «Ich war mega glücklich und voller Energie, als ich erfuhr, dass ich die Hauptrolle spielen darf», erzählt Moritz Fischli aus Luzern. Die Rolle hat für die drei einen besonderen Stellenwert. Denn sie können sich mit der Hauptfigur des Musicals identifizieren. «So wie Billy lieben wir es, zu tanzen», sagt der Basler Nevio Reymond.

Niemals aufgeben

Das Musical erzählt die Geschichte des Billy Elliot, eines Jungen aus einer britischen Arbeiterfamilie, der von seinem Vater ins Boxen geschickt wird und heimlich seine Leidenschaft für das Ballett entdeckt. Von seinem Umfeld zunächst nicht akzeptiert, hält er an seinem Traum vom Tanzen dennoch fest, bis er es schliesslich auf die grosse Bühne schafft.

Im Gegensatz zu Billy muss keiner der drei jungen Tänzer seine Leidenschaft verstecken. Seitens Familie gab es ausschliesslich Rückhalt. «Meine Familie fand das von Anfang an toll. Für sie war es normal, dass ein Junge Ballett tanzt», sagt Nevio Reymond.

Zum echten Leben sehe er andere Parallelen, erzählt er weiter. Bevor er die Rolle antrat, war er unsicher, ob er ihr gewachsen ist. Wie Billy stieg er etwas später ins Training ein und zweifelte daran, in der verfügbaren Zeit alles lernen zu können. An seiner Seite stand aber seine Ballettlehrerin, die ihm stets Mut machte. Er schwärmt von ihr: «Meine Ballettlehrerin ist wie Mrs Wilkinson im Musical. Sie ist mega lieb, herzlich und hat mich immer unterstützt.»

Dumme Sprüche in der Schule

Trotz Familienrückhalt kennen die jungen Schweizer den Kampf Billys um Akzeptanz aus eigener Erfahrung. In der Schule wurden sie zunächst ausgelacht. Leo Lemmerich war etwa der einzige Junge an seiner Schule in Frauenfeld TG, der in seiner Freizeit tanzte. Seine Schulkameraden spielten lieber Fussball und Co.

«Meine Mitschüler haben mich am Anfang genervt. Sie sagten, dass man als Junge nicht tanzen kann und etwas anderes tun sollte», erzählt Lemmerich. Dennoch liess er sich nie unterkriegen und zog seine Leidenschaft für das Tanzen durch.

Nach einiger Zeit nahmen die Hänseleien ab. Zuerst dank Talentshows an der Schule, in denen er sein Können unter Beweis stellte. Und danach, als er die «Billy Elliot»-Hauptrolle erhielt.

Spätestens nachdem sein Gesicht dank des Musicals in den Schweizer Medien zu sehen war, verstummten die letzten Kritiker. «Plötzlich haben mich meine Mitschüler darauf angesprochen, dass ich in der Zeitung war. Vielleicht haben sie gemerkt, dass Tanzen doch etwas Schönes ist», sagt er stolz grinsend.

Musik im Blut

Die Hauptrolle eines weltbekannten Musicals zu übernehmen, verlangt den drei Jungs einiges ab. Als Protagonisten stehen sie jeweils zweieinhalb Stunden pausenlos auf der Bühne. «Man muss steppen, tanzen und singen können. Das ist mega viel», sagt Moritz Fischli. Deshalb trainiert er fast jeden Abend für seine Rolle.

Musik und Tanz begleiten ihn schon sein ganzes Leben. Lief zu Hause Musik, bewegte er seine Füsse stets zum Takt. Seine grosse Schwester machte Breakdance und motivierte ihn, auch mit dem Tanzen anzufangen.

Beim Üben der ersten Tanzschritte fiel seiner Mutter seine gute Körperspannung auf. Sie schlug dem damals Neunjährigen vor, mit Ballett anzufangen. «Ich war zunächst skeptisch wegen der Vorurteile, dass nur Mädchen Ballett machen können», erzählt Fischli.

Aus Neugier meldete er sich trotzdem für die Ballettschule an. Nach der ersten Unterrichtsstunde waren alle Zweifel verflogen: «Es machte mir sofort Spass. Die Kombination aus Bewegung und Musik ist toll. Das gibt mir Energie.»

Heute, drei Jahre später, steht er auf der grossen Bühne. Dank seiner Tanzlehrerin, die ihn auf das Casting für das Musical aufmerksam machte, bewarb er sich für die Hauptrolle und setzte sich im Casting gegen Dutzende andere Kinder durch.

Auf das Bauchgefühl hören

Dass er sich die Rolle mit Nevio Reymond und Leo Lemmerich teilt, stört ihn nicht. Im Gegenteil. Alle drei sind froh, sich abwechseln zu können: Für einen allein wäre die Rolle zu anstrengend – und aufgrund des Jugendarbeitsschutzes gar nicht möglich.

Während der intensiven Probezeit haben sich die drei befreundet. «Es ist schön, mal nicht der einzige Tänzer zu sein», sagt Reymond.

So wie Billy Elliot haben sie an ihrem Traum vom Tanzen festgehalten. Für die drei Jungs ist klar: Leidenschaft kennt kein Geschlecht. Alle, die noch zweifeln, ob sie ihrem Hobby nachgehen sollen, würden sie dazu ermutigen. Moritz Fischli sagt: «Trau dich und probier es einfach. Hör auf dein Bauchgefühl und nicht darauf, was andere sagen.»

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