Trügerisch gemächlich geht die Fahrt los. Im Zweier-Gondeli schweben Kinder und Erwachsene im Kreis, vorbei an liebevollen Zeichnungen von Skifahrern. Dann wirbeln sie schneller, immer schneller, bis Piste und Lichtlein zu einem farbigen Schleier verwischen: hoch und runter, weiss, rot, blau.
Diese blinkenden Lichtlein – diesen Sonntag wird sie das Schaustellerpaar Ernst (59) und Claudia (51) Rodel zum allerletzten Mal einschalten. Zum letzten Mal werden die beiden in diesem Kassenhäuschen sitzen, die Billette kontrollieren, Musik laufen lassen – bei Regen jeweils eine besonders peppige – und ein letztes Mal lang gezogen ins Mikrofon sagen: «Und los geht die Fahrt!»
Dieses Wochenende dreht die Kult-Bahn Ski-Lift an der Herbstmesse ihre letzten Runden. Nach 50 Jahren Familienbetrieb verkaufen die Rodels sie ins Ausland. Ernst Rodel kann das noch gar nicht richtig fassen: «Ich bin mit der Bahn aufgewachsen.» Er, der schon als Kind jede freie Minute seinem Vater geholfen hatte, bis er übernehmen konnte.
Auch bei schlechtem Wetter war fast immer jeder Platz besetzt. Doch weil der Auf- und Abbau der sechzigjährigen Bahn viel zu umständlich geworden ist, muss die Familie ihren geliebten Ski-Lift aufgeben. «Der Sonntag wird bestimmt sehr emotional», sagt Ernst Rodel.
Ein Funken Nostalgie im Alltag
Jeden Morgen haben die Rodels neue E-Mails im Posteingang. «Mit Tränen in den Augen fuhr ich gestern in Basel nochmals mit diesem wunderschönen Karussell, weil ich erfahren habe, dass es von ihnen weggeht», schrieb diese Woche ein langjähriger Fan. Es sind wildfremde Menschen, die dem Familienbetrieb danken wollen.
«Viele von ihnen standen bereits als Kind staunend vor dem Ski-Lift», weiss Claudia Rodel. «Heute kommen sie mit ihren Enkelkindern zurück, um ihnen die Bahn zu zeigen.» Ein Funken Nostalgie im sich immer schneller drehenden Alltag.
Seit 1999 ist Claudia Rodel dabei und macht mit Ernst Chilbi. Jeden Tag 16 Stunden Lärm, Lichter und Lachen, neun Monate im Jahr. Während der Saison wohnen die beiden im Wohnwagen. Ihr 21-jähriger Sohn ist Landschaftsgärtner, hilft aber oft mit, auch an der Herbstmesse Basel.
Was heute am Ski-Lift als Retro bewundert wird, war in seinem Baujahr topmodern: 1964 befand sich die Skination Schweiz auf ihrem Höhepunkt. Zuvor hatten die Berge lange den Alpinisten und Alpinistinnen gehört, die ausdauernd genug waren, die steilen Hänge zu erklimmen.
Ab 1934 wurden die ersten Bügellifte gebaut – jetzt konnte auch die breitere Bevölkerung die Alpen in ihrer Freizeit geniessen. Und schon bald liess sich fast das ganze Volk über die Pisten ziehen.
40 Prozent der Skigebiete sind verschwunden
Die Glanzzeiten der Skination sind vorbei, das zeigt sich auch in den Zahlen. Zuerst wurden immer mehr Teller-, Bügellifte und Zweiergondeli von effizienteren Sechsersesseln ersetzt.
Dann flachte der Skiboom der 70er- und 80er-Jahre ab. War die Schweiz vor 50 Jahren mit Pisten und Liften übersät, sind unterdessen über 40 Prozent aller je eröffneten Skigebiete in der Schweiz dem Klimawandel und der sinkenden Freude am Schneesport zum Opfer gefallen.
Und so dreht auch der Chilbi-Ski-Lift seine letzten Runden. Ernst Rodel kennt jede Schraube, jeden Pinselstrich. «Für mich war immer klar, dass ich Schausteller werde und den Betrieb einmal übernehme», sagt er. Die Rodels betreiben auch noch einen 17 Meter hohen Freifallturm sowie ein Kinderkarussell aus dem Jahr 1951.
«Moderne Bahnen lassen sich praktisch per Knopfdruck aufbauen», sagt der Schausteller. Der Ski-Lift hingegen besteht aus unzähligen schweren Teilen, die jedes Mal von Hand aufgebaut werden müssen. Zwei Tage dauert das jeweils. Extrem harte Büez und leider nicht mehr zeitgemäss, so Ernst Rodel: «Ich bin älter geworden und habe nicht mehr dieselbe Kraft wie früher.»
Ob sich die Familie stattdessen eine modernere Bahn kauft? Vermutlich nicht: «Die können einfach nicht mithalten, was den Charme betrifft.» Die Familie hat die Bahn einem Freizeitpark im Kosovo verkauft. Manchmal müsse man handeln. «Besser zu früh als zu spät», sagt Ernst Rodel. Auch wenn es wehtut.