Das sagen Bryne-Bewohner zum Haaland-Umzug
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«Verstehe, warum Reiche gehen»:Das sagen Bryne-Bewohner zum Haaland-Umzug

Auf Besuch in Haalands Heimatstädtchen
«Ich hoffe, dass Alfie zurückkommt»

Der Vater von Fussball-Superstar Erling Haaland steht in Norwegen in der Kritik: Alf-Inge Haaland (50) ist in die Schweiz gezogen, um Steuern zu sparen. Wie gehen die Menschen in seinem Heimatstädtchen Bryne damit um? Eine Reportage aus dem Südwesten Norwegens.
Publiziert: 15.07.2023 um 01:12 Uhr
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Aktualisiert: 15.07.2023 um 09:56 Uhr
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Der ehemalige Fussballer und Multimillionär Alf-Inge Haaland (50) ist im Juni diesen Jahres in die Schweiz gezogen.
Foto: Getty Images
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Lea ErnstRedaktorin Gesellschaft

Es sträzt an der Westküste Norwegens. Noch keine Sekunde hat der Wind heute aufgehört, an Jacken und Schirmen zu zerren und den Regen gegen die weissen Schindelhäuser der Kleinstadt Bryne zu peitschen.

Rund 12’000 Menschen leben in dem verschlafenen Städtchen, eine halbe Stunde südlich von Stavanger. Seit diesem Juni ist es einer weniger: Alf-Inge Haaland (50) ist in die Schweiz gezogen. Der Multimillionär, ehemaliger Fussballer und Vater von Manchester-Star Erling Haaland (22) wohnt jetzt in Andermatt UR.

«Sveits-bølge», die Schweizer Welle, nennen hier oben die Menschen das relativ neue Phänomen, bei dem immer mehr reiche Landsfrauen und -männer Norwegen in Richtung Schweiz verlassen. Man könne mit etwa einem Steuerflüchtling pro Woche rechnen, schreibt das norwegische Wirtschaftsblatt «Kapital».

Ein Land fühlt sich verraten

Gleich neben dem Bahnhof leuchtet es gelb und schwarz. Auf einem gigantischen Gemälde jubelt Alf-Inges Sohn Erling im Dortmund-Trikot von der Wand einer Molkerei. Die nächste Ecke zeigt den jungen Fussballhelden im Hellblau des Vereins Manchester City, bei dem er inzwischen unter Vertrag steht. Auf dem Marktplatz, wo sich das Städtchen bei schönem Wetter auf ein Bier trifft, winkt auch Papa Alf-Inge von der Mauer.

Etwas weiter neben dem Bahngleis steht das Fussballstadion, in dem vor über dreissig Jahren alles angefangen hat. Alf-Inge Haaland mauserte sich zum Führungsspieler des lokalen Vereins Bryne FK, zog 1993 weiter zu Nottingham Forest, schliesslich zu Manchester City. Wegen einer schweren Knieverletzung musste er 2002 seine Karriere beenden und zog zurück in seine Heimatstadt.

Dass Papa Haaland Bryne diesen Juni verlassen hat, hat viele Norwegerinnen und Norwegern schwer verärgert. «Norwegen hat ihm und seinem Sohn alles gegeben. Dank der norwegischen Sportbewegung war es den beiden möglich, zu trainieren. Und jetzt haut er ab, um Steuern zu sparen», sagte Agnes Viljugrein (26), Abgeordnete und Angehörige der sozialdemokratischen Partei Norwegens gegenüber der norwegischen Tageszeitung «Dagbladet».

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«Ein Fussballmillionär entgeht der Steuerlast, während viele Kinder gezwungen sind, den Sport aufzugeben.»
Marie Sneve Martinussen, linken Partei Rødt
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Marie Sneve Martinussen (37) von der linken Partei Rødt fügt an: «Ein Fussballmillionär entgeht der Steuerlast, während viele Kinder gezwungen sind, den Sport aufzugeben, weil sie es sich nicht leisten können – das ist moralisch verwerflich.»

Die Haalands haben Bryne auf der Karte eingezeichnet

Im Einkaufszentrum riecht es nach Zimt. Die Brynerinnen und Bryner haben hier drinnen Zuflucht vor dem Regen gesucht. Sie trinken Kaffee, essen Boller (Brötchen) oder Bløtkake (Sahnekuchen). Andere kaufen bei Extra Lekert Strandbälle für die Sommerferien oder bei Felleskjöped Gartenutensilien – in der Hoffnung auf schönere Tage. Vor dem Sportladen schimmern hellblaue Fussballshirts – Manchester-City-Trikots von Erling Haaland.

Jede und jeder hier kennt die Haalands. «Sie haben Bryne auf die Weltkarte gesetzt», ist man sich einig. Das heisst, dass sie das verschlafene Städtchen im ganzen Land bekannt gemacht haben. In Bryne ist man dafür dankbar und stolz. Trotz Steuerflucht. «Was die Haalands für uns geleistet haben, ist unglaublich», sagt einer.

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«Die Haalands mögen Bryne. Ich glaube, dass sie auch weiterhin gute Dinge für uns tun werden.»
Einwohner von Bryne
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Ein älterer Herr mit weissem Haar und schwarzer Brille bedauert, dass Alfie, wie Alf-Inge hier liebevoll genannt wird, in die Schweiz gezogen ist. «Ich hoffe, dass er zurückkommt und wieder hier lebt.» Ein junger Mann glaubt nicht, dass sich Alf-Inge komplett von Bryne abwenden wird. «Die Haalands mögen Bryne. Ich glaube, dass sie auch weiterhin gute Dinge für uns tun werden.»

Die Arbeitermentalität aus Bryne

Dicke Tropfen prasseln gegen blaues Fensterglas. In der Volkskirche des Städtchens sitzt Pastor Stein Ødegaard (66) auf einem Stuhl. Hier, an der Südwestküste, liegt der Bibelgürtel Norwegens – die Staatskirche ist evangelisch-lutherisch. Mehr als 75 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner bezeichnen sich als gläubig, das Christentum prägt die Region bis heute stark.

Ødegaard ist in Bryne aufgewachsen und erinnert sich gut an die 60er-Jahre, als die heutige Stadt aus ein paar Bauernhöfen bestand. «Die Erde ist fruchtbar, aber steinig», so Ødegaard. Um im Herbst ernten zu können, musste man extrem hart arbeiten.

Das sei die Mentalität, die noch heute tief in den Brynerinnen und Brynern verwurzelt sei, ist sich der Pastor sicher. Er lächelt. «Wer weiss, vielleicht hat diese Mentalität auch die Familie Haaland geprägt und ihnen zum Welterfolg verholfen?» Als Erling Haaland dieses Jahr die Meisterschaft mit Manchester gewann, stand der Pfarrer auf dem Marktplatz und jubelte. Und dasselbe werde er auch in Zukunft tun.

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