20. Internationales Lyrikfestival Basel
Lyrik will niemand? Von wegen! In jedem Song steckt sie!

In Basel beginnt die 20. Ausgabe des Internationalen Lyrikfestivals. Du glaubst, das sei nichts für Dich? Unser Literatur-Spezialist wird Dich überzeugen – mit sieben Gedichten, die die Welt vielleicht nicht besser, aber sicher poetischer machen.
Publiziert: 24.01.2024 um 17:05 Uhr
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Aktualisiert: 25.01.2024 um 17:21 Uhr
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«Winternacht» ist das beste Gedicht von Gottfried Keller.
Foto: ullstein bild via Getty Images
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Daniel ArnetRedaktor Gesellschaft / Magazin

Das ist ein Gedicht! Diese Aussage ist mehr als eine simple Feststellung, sie ist ein Lob – meist beim Essen eines köstlichen Gerichts geäussert. Ein Gedicht ist also etwas Gutes und etwas zum Einverleiben. Und genauso sollten wir mit gut geschriebener Poesie umgehen: Sie geniessen und verinnerlichen durch Auswendiglernen.

Der frühere Zürcher Germanistikprofessor Paul Michel (76) bezeichnete Verse und Strophen, die im Kopf sind, als «mentales Sugus» – Bonbons, an denen man von Zeit zu Zeit lutschen kann und die süsse Momente bescheren. Folgende gereimte Zeilen aus längeren Gedichten sollen Dich auf den Geschmack bringen.

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Nicht ein Flügelschlag ging durch die Welt,/ Still und blendend lag der weisse Schnee/ Nicht ein Wölklein hing am Sternenzelt,/ Keine Welle schlug im starren See.
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Da läuft es einem kalt den Rücken runter: «Winternacht» ist das beste Gedicht des Schweizer Schriftstellers Gottfried Keller (1819–1890). Und nachher geht es gespenstisch weiter: Das lyrische Ich steht auf dem gefrorenen See und sieht, wie von unten eine Nixe am Seebaum hochsteigt – aber das harte Eis trennt sie. Very spooky!

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Car j’ignore où tu fuis, tu ne sais où je vais,/ Ô toi que j’eusse aimée, ô toi qui le savais!
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«Wohin du fliehst, bleibt mir, mein Ziel dir unerahnt. / O dich hätt ich geliebt – o dich, die es erkannt!»: Auch der grosse französische Poet Charles Baudelaire (1821–1867) besingt in «À une Passante» eine verpasste Liebe – doch er ist nicht nachts auf dem See, sondern sitzt in einem Pariser Café, an dem die Frau vorbeiläuft. Oh là là!

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So dawn goes down to day./ Nothing gold can stay.
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«So geht das Morgenrot in den Tag. / Nichts Goldenes hat Bestand»: Was in der deutschen Übersetzung profan klingt, ist im Originalgedicht «Nothing Gold Can Stay» des US-Dichters Robert Frost (1874–1963) reine Sprachmelodie – nicht umsonst wird Frost im Jim-Jarmusch-Film «Down by Law» (1986) als besten amerikanischen Autor gepriesen.

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Aber ich bin es nicht, und ich suche auch nichts./ Nur im Wind sind so lose Laute –/ Vielleicht bin ich die Züge des lieben Gesichts,/ vielleicht auch das Unvertraute …
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«Nur im Wind so lose Laute» – in diesem Vers aus «Träumerei» hört man die Luft durch die Worte pfeifen. Wenn der Schweizer Lyriker Alexander Xaver Gwerder (1923–1952) länger gelebt hätte, wäre er fürs Gedicht das geworden, was hierzulande Dürrenmatt und Frisch für Theater und Roman waren, sagte der Germanist Peter von Matt (86) einmal über Gwerder.

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Mein Körper hält sich nicht an mich,/ er tut, was ich nicht darf./ Ich wärme mich an Bild, Wort, Klang,/ ihn machen Körper scharf.
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«Siebenmal mein Körper» heisst das witzige Poem des deutschen Dichters Robert Gernhardt (1937–2006), aus dem diese Strophe ist. Siebenmal spielt er die Trennung zwischen Körper und Geist durch – bis es zum Bruch kommt. Gernhardt, eine Art Wiedergeburt von Wilhelm Busch, ist ausgerechnet wegen körperlicher Leiden viel zu früh gestorben.

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The only thing I knew how to do/ Was to keep on keepin' on like a bird that flew/ Tangled up in blue
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«Das Einzige, was ich wusste, wie man es macht, / War weiterzumachen, wie ein Vogel, der flog / Verheddert im Blau.» Mit «Tangled Up In Blue» holt der amerikanische Singer-Songwriter und Literaturnobelpreisträger Bob Dylan (82) die Lyrik aus ihrem Nischendasein und macht sie zum Massenphänomen – sie steckt in jedem Song vom Schlager bis zum Rap.

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Le robinet goutte./ Es Päärli schwigt u isst chli z lut./ Bsteck chlefelet uf Gschir,/ laisse le silence grandir.
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Der Wasserhahn, der tropft, das Besteck, das klappert: Die Berner Schriftstellerin Ariane von Graffenried (45) verdichtet in «D Frou Bovary de Porrentruy» Französisch mit Dialekt. Zu erleben ist sie live am Samstag, 27. Januar, um 21 Uhr im Literaturhaus während des 20. Internationalen Lyrikfestivals Basel.

20. Internationales Lyrikfestival Basel, 25. bis 28. Januar, www.lyrikfestival-basel.ch

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