Asyl-Streit ist beendet — BLICK erklärt das Chaos
Kompromiss des lieben Friedens willen

Was für ein Chaos in Deutschlands Regierung: Horst Seehofer wollte noch am Sonntag von seinen Ämtern als CSU-Chef und Innenminister zurücktreten. Am späten Montagabend kam es zum Kompromiss mit Kanzlerin Angela Merkel und ihrer CDU. Der Asyl-Streit ist mit der Einigung erst mal vorbei – aber noch warten viele Stolpersteine. BLICK rollt die letzten Stunden in Deutschland nochmals Schritt für Schritt auf und erklärt den Last-Minute-Kompromiss.
Publiziert: 01.07.2018 um 22:51 Uhr
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Aktualisiert: 25.10.2018 um 15:55 Uhr
Nicola Imfeld

Es ist ein Kompromiss in allerletzter Sekunde: Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (63) und Innenminister Horst Seehofer (68) haben sich im Asyl-Streit doch noch zusammengerauft. Seehofer bleibt Minister und Merkel kann aufatmen – vorerst.

Horst Seehofer (Mitte) wollte am Sonntag noch zurücktreten.
Foto: KEYSTONE

Es ist eine Einigung um des lieben Friedens willen. BLICK erklärt den überstandenen Asyl-Streit und den Last-Minute-Kompromiss:

Um was ging es?

Um die deutsche Asylpolitik. Seehofer will in anderen Ländern registrierte Asylbewerber an der deutschen Grenze zurückweisen, notfalls im Alleingang. Kanzlerin Merkel lehnt jedoch einseitige Aktionen Deutschlands ab und pocht auf ein europäisch abgestimmtes Vorgehen.

Am vergangenen EU-Gipfel hatte die unter Druck geratene Kanzlerin eine Verschärfung der EU-Asylpolitik erreicht. Seehofer lehnte die EU-Beschlüsse jedoch als nicht ausreichend ab.

Wann eskalierte der Streit?

Am späten Sonntagabend. Seehofer wollte von seinen beiden Ämtern (CSU-Chef und deutscher Innenminister) zurücktreten. Er sah im Asylstreit mit Merkel und ihrer CDU keine Chance mehr auf eine Einigung. Spätnachts dann die Wende: Seine Partei, die CSU, konnte Seehofer zu einem letzten Versuch überreden. Und dieser endete am Montagabend mit einer Einigung.

Was haben Seehofer und Merkel am Montagabend beschlossen?

Die Einrichtung von Transitzentren an der deutsch-österreichischen Grenze. Sie sind für Asylbewerber bestimmt, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind.

Für was sind diese Transitzentren?

Die registrierten Asylbewerber können so direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden. Dabei will Deutschland nicht «unabgestimmt handeln, sondern mit den betroffenen Ländern Verwaltungsabkommen abschliessen oder das Benehmen herstellen», heisst es im Einigungspapier.

Was passiert, wenn sich ein EU-Land weigert?

In diesem Fall sollen die Asylbewerber direkt an der Grenze abgewiesen werden. Einziger Haken: Dafür muss noch eine Vereinbarung mit Österreich getroffen werden.

Wie steht Österreich dazu?

Das ist derzeit völlig offen. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz hielt sich am Montagabend zurück. Dafür äusserte sich ein anderer Spitzenpolitiker: Der ehemalige Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) rief die ÖVP-FPÖ-Bundesregierung auf, gegen die Pläne von CDU und CSU vorzugehen. Doskozil sagte gegenüber der österreichischen Nachrichtenagentur APA: «Dieser innerparteiliche Kompromiss der Union bedeutet eine einseitige Belastung für Österreich.»

Ist die Einigung zumindest in Deutschland unter Dach und Fach?

Nein. Die SPD muss dem Kompromiss noch zustimmen. Erste Gespräche haben bereits unmittelbar nach der Einigung zwischen CDU und CSU stattgefunden. SPD-Parteichefin Andrea Nahles sagte am frühen Dienstagmorgen, der Vorschlag der Union habe «nur andiskutiert» werden können. «Es gibt da viele Fragen noch, die geklärt werden müssen.» Nahles kündigte ein weiteres Treffen der Koalitionsspitzen für Dienstagabend an.

Ist es wahrscheinlich, dass die SPD der Einigung zustimmt?

Ja, davon ist auszugehen. Obwohl die Transitzentren im Jahr 2015 noch auf massiven Widerstand bei der SPD gestossen sind. Der Unterschied: Jetzt sollen diese Zentren für eine wesentlich kleinere Personengruppe und nicht für alle Flüchtlinge eingerichtet werden.

Ausserdem deuten die ersten Reaktionen auf eine Zustimmung der SPD hin. Parteichefin Nahles bezeichnete den Lauf der Dinge am Montagabend als «insgesamt gut». Auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sagte: «Wir sind weg von der Psychologie und wieder bei der Sache».

Wie haben Merkel und Seehofer reagiert?

Merkel äusserte sich sehr zufrieden über die Einigung: «Ich glaube, dass wir heute nach hartem Ringen und schwierigen Tagen einen wirklich guten Kompromiss gefunden haben», sagte sie in einer ersten Stellungnahme. Damit sei der «Geist der Partnerschaft in der EU gewahrt und gleichzeitig ein entscheidender Schritt getan, um Sekundärmigration zu ordnen und zu steuern».

Auch Seehofer gab sich zufrieden: «Die gefundene Lösung ist nachhaltig. Durch sie wird die illegale Migration an der deutsch-österreichischen Grenze gestoppt.» Die Einigung erlaube es ihm, sein Amt als Innenminister weiterzuführen, führte Seehofer weiter aus und klärte somit die Frage, die sich viele Deutsche am Montagabend gestellt haben: Seehofer bleibt Innenminister!

Ist in der Beziehung zwischen Merkel und Seehofer nun alles Friede, Freude, Eierkuchen?

Nein, ganz und gar nicht. Kurz bevor sich Seehofer mit Merkel am Montagabend in Berlin traf, veröffentlichte die «Süddeutsche Zeitung» ein Interview mit dem Innenminister. Dieser liess im Gespräch Dampf ab. Er sagte: «Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist.» Er befinde sich in einer Situation, die für ihn «unvorstellbar» sei: «Die Person, der ich in den Sattel verholfen habe, wirft mich raus.» 

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