Einst gehörte Sony zu den festen Grössen im Smartphone-Geschäft. Inzwischen sind die Japaner gegen Samsung, Huawei und Apple nur noch Aussenseiter. Und Sony machte in den letzten Jahren vieles falsch: Innovationen wie Mehrfachkameras und randlose Screens wurden verschlafen, stattdessen wurde gefühlt jedes Jahr das Konzept der Modellreihen und die Bezeichnungen verändert.
Nun gibt es erneut einen Neustart. Das aktuelle Flaggschiff heisst Xperia 1 – der Name ist dabei durchaus symbolisch und endlich wieder mal eingängig. Und auch sonst hat Sony auf den ersten Blick vieles richtig gemacht.
Das neue Modell erfüllt auf dem Datenblatt alle Voraussetzungen für ein Flaggschiff: neuster Snapdragon 855 Prozessor mit 6 GB, erweiterbare 128 GB Speicher, ein 6,5-Zoll-Oled-Screen mit toller Auflösung von 3840 auf 1644 Pixel sowie erstmals bei Sony eine Dreifach-Kamera.
Soweit so gut, doch schon auf dem Datenblatt fehlen Features, welche die Konkurrenz bietet. Nicht schlimm ist, dass Sony keinen Fingerabdruck-Scanner unter dem Display hat. Denn der Scanner beim Xperia 1 ist auf der Seite platziert, ideal erreichbar und ultraschnell. Sony wählt hier nicht untypisch eine weniger moderne, dafür bewährte und effiziente Methode.
Akku ist klein und lässt sich nicht drahtlos laden
Dass man allerdings den Akku nicht drahtlos laden kann, das ist dann doch eine Enttäuschung. Auch auf eine Gesichtserkennung verzichtet Sony. Schade. Beides sind Features, die Kunden heute einfach erwarten.
Das Thema Batterie ist auch sonst Enttäuschung. Die Kapazität von 3300 mAh reicht nicht aus, um mit der Android-Konkurrenz von Huawei oder Samsung mitzuhalten. Zwar kann man damit das Handy gut einen Tag nutzen, viel mehr aber dann eben auch nicht. Immerhin ist die Stand-by-Zeit gut und Sony hat Schnellladung eingebaut.
Beim Design hat sich der japanische Hersteller dem Massengeschmack etwas angenähert, bleibt aber weiter eigenständig. Das Xperia 1 ist etwas kantiger als die Konkurrenz, aber inzwischen auch recht dünn geworden. Der Nachteil: Die Kameras stehen nun doch recht deutlich heraus.
Weiterhin verzichtet Sony auf eine Notch, also einen randlosen Screen mit Aussparung für die Selfiecam. Stattdessen gibts oben und unten einen recht dicken Gehäuserand. Und auch auf der Seite ist ein deutlicher schwarzer Rand zu sehen. Stimmig ist das schon, aber es wirkt halt weiterhin im Direktvergleich mit der Konkurrenz etwas altbacken.
Respekt für Sony, dass an diesem Konzept festgehalten wird. Die Fans von schnörkelloser und zeitloser Optik wirds freuen. Allerdings war die Konkurrenz mit anderen Designansätzen in den letzten Jahren deutlich erfolgreicher.
Der 21:9-Screen gehört zu den besten auf dem Markt
Natürlich bleiben die Japaner nicht in jedem Bereich konservativ. Beim Display etwa wagen die Japaner durchaus etwas. Der gehört nämlich mit der grandiosen Auflösung, der tollen Helligkeit und den starken Farben nicht nur zu den schönsten Screens auf dem Markt, sondern er bietet auch ein ganz neues Format. Nämlich statt 16:9 oder neu 18:9 wie die meisten Smartphones gleich 21:9. Darum ist das Xperia 1 auch deutlich länger als andere grosse Handys – aber trotzdem schmal.
Das Format hat Vor- und Nachteile. Im Bereich Videos kommen Kinofilme, die ja genau in diesem 21:9-Bildverhältnis gedreht werden, natürlich so richtig schön zur Geltung. Bei Newsapps passt noch mehr Text auf einmal auf den Bildschirm. Und auch Multitasking geht so gut wie sonst kaum auf einem Gerät. Zwei Apps passen perfekt nebeneinander, egal ob hochkant oder quer. Sony hat dafür ein paar gute Tools entwickelt.
Aber nicht immer überzeugt das Konzept: So ist etwa die Tastatur deutlich kleiner als bei Konkurrenz-Modellen mit gleichen Screen-Grössen – weil eben das Xperia schmaler ist. Und das häufigste Videoformat auf Netflix oder Youtube, nämlich 16:9, hat beim Abspielen rechts und links dicke schwarze Balken. Zoomt man auf volle Breite hinein, sieht das zwar dann cool aus, es wird aber doch einiges an Bildinformation abgeschnitten.
Schade auch, sind die Lautsprecher höchstens Durchschnitt. Bei einer Fokussierung auf den Screen hätte man hier mehr erwartet. Da nützen auch die einstellbaren Vibrationen nichts, die passend zum Sound ausgelöst werden. Das mag bei Games spassig sein, bei Videos nervt es spätestens nach einer halben Stunde.
Die Tripple-Cam überholt die Konkurrenz nicht
Und wie schlägt sich die Kamera im Vergleich? Erstmals baut Sony in ein Massenmodell drei Linsen ein. In der Kombination, wie sie auch die Konkurrenz haben. Nämlich mit Weitwinkel, Normalformat und optischem Zoom.
Insgesamt bietet das Xperia 1 so endlich eine Kameraqualität, die mit Apple, Samsung oder Huawei mithalten kann. Es ist doch erstaunlich, wie lange Sony als Hersteller der Sensoren, die auch alle anderen verwenden, daran rumbasteln musste.
Allerdings: Die Japaner haben nur aufgeholt und können sich nirgends so richtig von der Konkurrenz absetzen. Gelobt wird zu Recht etwa die 4K-Videoaufnahme, bei der allerdings die Stabilisierung nur mässig gut ist. Auch bei Gegenlicht schafft es Sony, erstaunlich viele Details herauszuholen. Und ganz allgemein gefallen die natürlichen Farben und die vielen Details.
In der Dämmerung oder gar nachts dagegen sind Huawei und Samsung deutlich stärker. Die Kamera-App ist nach wie vor unübersichtlich und nutzt die Möglichkeiten des breiteren Screens gar nicht aus. Ja, man kann nicht mal Fotos oder Videos im 21:9-Format machen.
Das BLICK-Testfazit: Das Sony Xperia 1 für rund 1000 Franken ist ein Exot unter den Flaggschiffen. Das könnte eine Chance sein, ist es aber in diesem Fall nicht unbedingt. Denn die Stärken des Xperia 1 sind für den Durchschnittsnutzer nicht so überzeugend, dass sie die rund 100 Franken Aufpreis rechtfertigen, die man etwas gegenüber einem Samsung S10 Plus oder einem Huawei P30 Pro bezahlt.
Die Konkurrenz bietet rundere und modernere Gesamtpakete. Sony bleiben die Fans der Marke, die mit dem Xperia 1 das beste Handy erhalten, das die Japaner seit langem gebaut haben. Interessant kann das Handy auch sein, wenn man viel Kinofilme darauf schaut oder regelmässig Multitasking nutzt.