Eigentlich hat sich LG ja aus dem Wettbewerb genommen. Man wolle nicht jedes Jahr im Wettstreit mit Apple, Samsung, Huawei und Co. das Smartphone neu erfinden. Lieber gehe man den eigenen Weg – und entwickle seine Modelle lieber Schritt für Schritt weiter.
So tönte es am Mobile World Congress in Barcelona im Februar. Und tatsächlich kam dann das neue G7 Thinq auf leisen Sohlen. Keine grosse Show, nur eine Pressemitteilung und ein paar wenige ausgewählte Journalisten, die das Gerät vorab ausprobieren konnten.
Es war nicht ganz so klar: Ist das G7 wirklich nur eine Weiterentwicklung, ein Mix aus V30 Thinq und G6? Oder doch ein neues Flaggschiff, wie es der offizielle Verkaufspreis von recht heftigen 849 Franken suggeriert?
Im Test zeigt sich ein differenziertes Bild. Schon allein, weil der Preis inzwischen deutlich gefallen ist. Im Online-Handel ist das G7 bereits für 600 bis 650 Franken erhältlich. Für LG wohl kein gutes Zeichen, für die Kunden aber sehr erfreulich.
Denn dafür bekommen sie ein Gerät mit Top-Ausstattung. So gibts den neusten Qualcomm Snapdragon 845 Prozessor mit 4 GB Arbeitsspeicher. Die 64 GB Speicher sind erweiterbar, das Gehäuse gemäss IP68-Standard wasserdicht. Es gibt einen schnellen Fingerabdruckscanner und einen Kopfhöreranschluss – das ist ja nicht mehr selbstverständlich in dieser Klasse. Nur ein Feature fehlt im Vergleich zu anderen Topgeräten, nämlich das drahtlose Laden.
Das LG G7 ist nicht nur optisch unterbewertet
Auch optisch gefällt das LG ausgezeichnet. Vorne und hinten leicht gegen aussen abgerundetes Glas, ein fast randloser Screen. Kein auffälliges Handy, aber hochwertig und angenehm zu halten. Im Detail fällt allerdings auf, dass die Übergänge zwischen Glas und Metallrahmen etwas weniger fein sind als etwa bei den Samsung-Geräten.
Der 6,1-Zoll-Bildschirm hat dem Trend in diesem Jahr entsprechend einen mittelgrossen Notch, also eine Aussparung für Selfie-Cam und Sensoren. Die Auflösung ist mit 3120 auf 1440 Pixeln sehr hoch und sorgt für ein scharfes Bild. LG verzichtet auf einen Oled-Screen, aber das ist kein Nachteil.
Schade, stellt die Automatik oft den Bildschirm sehr dunkel ein. Zu oft mussten wir im Test manuell nachhelfen. Genug hell wäre der Bildschirm nämlich schon. Es gibt sogar einen Boost-Mode, der bei starkem Sonnenschein ideal ist. Aber auch hier reagiert die automatische Helligkeitseinstellung viel zu zögerlich.
Das LG G7 ist intelligent, die Kamera gewollt anders
Das Thinq im Namen des G7 bezieht sich auf die integrierte künstliche Intelligenz. Die kommt primär im Kamera-Modus zum Einsatz. Das System erkennt ganz unterschiedliche Szenen wie Essen, Architektur oder Pflanzen und stellt sich darauf ein.
Im «AI Cam»-Modus sieht man ganz genau, was die Kamera gerade zu erkennen glaubt. Es wird laufend als kleine Legenden eingeblendet. Faszinierend – aber man erkennt auch klar die Grenzen und sieht, wie viel noch falsch erkannt wird.
Trotzdem ist die Automatik im G7 insgesamt gut, die Farben der Bilder sind oft sehr kräftig. Zudem sortiert die künstliche Intelligenz alle Fotos automatisch in 1200 Kategorien ein, die man danach in der Galerie durchsuchen kann. So hat man etwa auf einen Klick alle Bilder mit einem Auto in einer Übersicht. Das kann Google Fotos auch, LG macht das aber lokal auf dem Gerät, keine Bilddaten werden ins Internet geschickt.
Die Dual-Cam auf der Rückseite hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Die zwei 16-Megapixel-Sensoren machen ordentliche Bilder – aber das LG kann mit den besten Kamera-Handys auf dem Markt nicht mithalten. Dazu zeigt das G7 in den Details zu wenige Feinheiten und muss bei wenig Licht stark mit der Software nachhelfen. So wird zwar das Bildrauschen reduziert, was aber auch hier zulasten der Details geht.
Die zweite Linse nimmt im Weitwinkel auf, und zwar in einem Winkel von 107 Grad. Das ist ziemlich einmalig auf dem Markt und somit ein Alleinstellungsmerkmal des G7. Wer gerne Weitwinkel nutzt, freut sich darüber. Wer lieber einen Zoom hätte, wird enttäuscht sein. Schlussendlich ist das eine Geschmacksfrage.
Weitwinkel-Fans hätten sich aber durchaus etwas mehr Blickwinkel gewünscht, etwa 125 Grad wie beim Vorgänger. Die eingebaute Linse verzieht zwar die Fotos fast gar nicht mehr an den Rändern, doch mit dem G6 gabs die spannenderen Bilder. Sehr gut gefällt die recht weitwinklige Selfie-Cam mit 8 Megapixeln, die wie die Hauptkamera schöne Porträts schiesst.
Der Akku misst recht knappe 3000 mAh. Allerdings muss man nicht befürchten, dass einem dauernd der Saft ausgeht. Im Normalfall kommt man durch den Tag ohne nachzuladen. Viel mehr liegt dann aber auch nicht mehr drin.
Das BLICK-Testfazit: Ist das G7 ein Geheimtipp? Jein. Klar, der Preis ist inzwischen sehr attraktiv und man bekommt ein gutes Smartphone fürs Geld. Allerdings kann sich das LG nirgends so richtig von der Konkurrenz abheben. Es bleiben zwei gute Argumente fürs koreanische Flaggschiff: die Weitwinkel-Kamera, die eine andere Perspektive bietet. Und der Exoten-Status. Das G7 ist weniger verbreitet als die populären Konkurrenten von Samsung, Huawei oder Apple.