Die faltbaren Handys erwischten keinen guten Start. Das Samsung Galaxy Fold musste im Frühling mit Mängeln zurück zum Hersteller – zum Glück waren erst Testgeräte von Journalisten betroffen, darunter auch jenes von BLICK. Der Verkaufsstart wurde verschoben, und auch das Konkurrenz-Modell von Huawei ist immer noch nicht auf dem Markt.
Immerhin: Ab Freitag, 18. Oktober, kann man das Galaxy Fold nun endlich in der Schweiz kaufen. Sagenhafte 2100 Franken will Samsung dafür haben. Kein anderes Smartphone der grossen Hersteller ist teurer. Schon der Preis zeigt, dass die neue Technik noch nicht für jeden Nutzer eine gute Idee ist. Und abgesehen davon muss man beim Falt-Telefon mit ganz anderen Widrigkeiten kämpfen. Der zweiwöchige Intensiv-Test von BLICK zeigt aber auch, dass das Gerät immer wieder begeistern kann.
Das Galaxy Fold hat den coolsten Screen der Welt
Auch nach zwei Wochen staunt man als Tester noch über den aufgeklappten 7,3-Zoll-Screen. Darauf Videos schauen, das ist ein Genuss. Fotos durchblättern und Freunden zeigen, da braucht man gar kein Tablet mehr. Und man kann auch richtig gut lesen. News sowieso, aber auch E-Books oder andere Texte. Und natürlich sehen auch Games darauf so gut aus wie auf einem Tablet.
Auch das Klappen macht richtig Laune. Diese bewusste Entscheidung, etwas mit dem Smartphone zu tun. Und danach faltet man mit einem sanften Plopp das Gerät wieder zusammen und steckt es bequem in die Hosentasche. Dass es deutlich dicker ist als alle anderen Smartphones und mit über 260 Gramm auch schwerer, das stört im Alltag überhaupt nicht.
Auch den vor allem bei weissem Screen deutlich sichtbaren Falz vergisst man. Ja sogar die unschöne Aussparung im grossen Bildschirm wegen der Selfiekameras und Sensoren kann man Samsung problemlos verzeihen. Denn der riesige und helle Screen ist einfach geil! So muss die Zukunft sein: Smartphone und Tablet in einem Geräte für unterwegs.
Weniger Spass macht es, dass das Fold das heikelste Smartphone auf dem Markt ist. Nicht wasserdicht, nicht vor Staub und Dreck geschützt – ein richtiges Schönwetter-Telefon. Im Hinterkopf hat man immer die unzähligen Warnhinweise auf der Verpackung und die Tests von Journalisten, die mit dem Fingernagel den Screen problemlos verkratzen konnten.
Zwar ist in den zwei Wochen im BLICK-Test nichts passiert, doch ein ungutes Gefühl bleibt. Schliesslich will man sein 2100-Franken-Smartphone auf keinen Fall verkratzen. Und man erschrickt ziemlich, wenn die mitgelieferte Hülle schon nach ein paar Tagen Kratzer hat. Die sieht zwar aus wie Kevlar, ist aber anfällig. Beim Telefon selber ist der Biege-Bildschirm ein überdurchschnittlicher Staubfänger – und beim Putzen hat man natürlich wieder höllisch Angst vor Kratzern.
Das Potenzial der neuen Technik nur halb ausgenutzt
Auf all das kann man sich als fleissiger Multimedia-Nutzer einlassen, da man als Gegenleistung ein bislang einmaliges Konzept erhält. Doch es gibt auch Kompromisse, die richtig schmerzen und oft auch nerven. So ist der 4,6-Zoll-Bildschirm aussen einfach zu klein, um ihn vernünftig zu nutzen. Die Fläche wäre eigentlich kein Problem, aber das Format.
Der Aussen-Touchscreen ist einfach zu schmal. Man kann darauf nicht vernünftig tippen, und viele Apps werden nicht richtig dargestellt. Schriften sind meist sehr klein, und so nutzt man den kleinen Bildschirm eigentlich nur, um Messages zu lesen oder Musik zu steuern. Sobald man mehr machen will, klappt man den Screen auf.
Aber auch dann bleibt das Problem der Anwendungen, die nicht dem neuen Konzept angepasst sind. Eigentlich sollte man nach dem Aufklappen an derselben Stelle weiterarbeiten können. Doch viele Apps starten dabei nochmals neu, sodass dieser Vorteil dahin ist. Und manche Programme sehen weder auf dem grossen noch auf dem schmalen und kleinen Bildschirm wirklich gut aus. Sie sind einfach nicht für diese Formate gemacht.
Schade auch, können nicht in allen Apps die Videos in voller Grösse angeschaut werden. Das schneidet zwar wegen des fast quadratischen Formats an den Rändern etwas ab. Aber etwa bei Netflix sind Serien und Filme trotzdem sehr gut verfolgbar. Ausgerechnet das Google-eigene Youtube lässt sich aber nicht auf die 7,3-Zoll vergrössern. Hier hat man oben und unten schwarze Ränder.
Weder grosser noch kleiner Screen ist zum Fötelen ideal
Und manchmal merkt man im Test auch, dass so ein Falt-Konzept nicht immer Vorteile bringt – auch wenn man sich das so ausgemalt hat. So ist das Foto-Erlebnis in keiner der zwei Varianten befriedigend. Auf dem kleinen Screen sieht man zu wenig, und die Bedienung der App ist mühsam. Etwa weil der virtuelle Auslöse-Knopf einfach extrem weit vom Gehäuserand weg ist und man sehr lange Finger machen muss.
Nicht besser ist es in voller 7,3-Zoll-Grösse. Da kommt man sich vor, als würde man mit einem Tablet fotografieren. Ein unnatürliches Gefühl, auch noch nach zwei Wochen. Zudem kann man wegen des grossen Formats kaum einhändige Selfies schiessen. Worauf man auf den kleinen Screen ausweicht, der aber mit der schlechtesten der drei Kamerasysteme fotografiert.
Immerhin ist der Frust nicht ganz so gross, weil Samsung seine besten Sensoren eingebaut hat und die Fotos damit gut und meist beim ersten Versuch gelingen – so wie man das auch vom Galaxy S10 oder dem Note 10 kennt.
Auch sonst versucht Samsung, fürs viele Geld auch wirklich etwas zu liefern. Das fängt bei der Ausstattung an, die mit Schnellladegerät, Cover und sogar drahtlosen Galaxy Bud Kopfhörern deutlich umfassender ist als bei der Konkurrenz. Technisch ist alles an Bord, was man sich von einem Topgerät wünscht: ein Snapdragon 855 Prozessor mit sagenhaften 12 GB RAM und 512 GB Arbeitsspeicher. Dazu die modernsten Verbindungsmöglichkeiten, nämlich Wi-Fi 6 und sogar der neue Mobilfunkstandard 5G.
Wer beim Akku Angst hat, der sei nach einem halben Tag leer, der kann beruhigt sein. Die Batterie mit 4380 mAh macht eine gute Figur und hält locker einen Arbeitstag.
Was auch gut funktioniert, ist Multitasking. Man könnte drei Apps nebeneinander nutzen. Das ist etwas zu viel des Guten, aber zwei Apps auf dem grossen Bildschirm gehen wunderbar. Also etwa Whatsapp-Chats und daneben ein Youtube-Video schauen.
Das BLICK-Testfazit: Das Galaxy Fold zeigt, wohin sich Smartphones in Zukunft entwickeln können. Wie so oft bei Pionier-Produkten muss man im Alltag noch einige Abstriche machen – hat aber auch viel Freude am Gerät. Schade einfach, wird das Potenzial des Falt-Phones noch nicht so richtig ausgeschöpft.