So trickst Huawei die US-Regierung aus
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Apps trotz Boykott:So trickst Huawei die US-Regierung aus

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So trickst Huawei die US-Regierung aus

Nach wie vor fehlen auf den neuen Huawei-Handys Google-Dienste. Viele wichtige Apps kann man nicht einfach so im Store finden. Doch der chinesische Hersteller hat einen Weg gefunden, um die US-Sanktionen zu umgehen. BLICK sagt, wie das funktioniert.
Publiziert: 07.04.2020 um 10:09 Uhr
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Aktualisiert: 04.06.2020 um 21:28 Uhr
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Das P40 Pro von Huawei gibts ab heute zu kaufen – aber ohne Google Services.
Foto: Lorenz Keller
Lorenz Keller

Am Anfang stand der Handelsstreit zwischen den USA und China. Vor knapp einem Jahr setzte US-Präsident Donald Trump chinesische Firmen wie Huawei auf eine schwarze Liste. Amerikanische Unternehmen dürfen diesen Firmen seither ohne spezielle Bewilligung nicht mehr Technologie liefern.

Das trifft Huawei vor allem in einem Bereich, nämlich der Software. Während der Handy-Hersteller Hardware wie den Prozessor schon länger in Eigenregie herstellt, hat man vor dem Boykott intensiv mit dem US-Techkonzern Google zusammengearbeitet. Das ist aber nun vorbei.

Das bedeutet, dass Huawei zwar sein Betriebssystem weiterhin auf der Basis einer Grundversion von Android 10 aufbauen kann, jedoch für Updates und Aktualisierungen selber zuständig ist. Aber: Die Google Services sind weder vorinstalliert und noch einfach so verfügbar. Man muss also auf die Google-Apps von Maps über Mail bis Youtube verzichten. Noch schlimmer ist, dass der Play Store fehlt.

Stattdessen setzt Huawei auf eigene Services und einen eigenen Store namens «AppGallery». Mit grossem Aufwand versucht der chinesische Hersteller nun möglichst viele Entwickler dazu zu bewegen, ihre App auf Android-Basis auch dort einzuspeisen. So ist etwa auch die BLICK-App direkt bei Huawei zu finden.

Allerdings sind noch längst nicht alle Lieblings-Apps der Schweizer direkt abrufbar. Problematisch vor allem die Anwendungen von US-Firmen, die ja ebenfalls nicht direkt für Huawei entwickeln dürfen. Instagram, WhatsApp, Facebook – alle sehr beliebt in Europa, alle nicht als normaler Download verfügbar. Und das ist etwa für potenzielle Käufer des brandneuen P40 Pro ein Problem.

Natürlich gibts für versierte Anwender Wege, alle Apps zusammenzusuchen. Und sogar Google Services kann man installieren, wenn man bereit ist, den doch recht komplexen Anleitungen im Internet zu folgen. Digitec etwa hat eine solche aufgeschaltet.

Dem Durchschnittsnutzer sollte man das aber nicht zumuten. Das weiss auch Huawei. Darum wird nicht nur der Store ausgebaut, sondern verlinkt nun auch direkt auf Download-Seiten. Sprich: Sucht man nach «Facebook», wird ein Link auf die offizielle Download-Seite angegeben. Von wo man die App direkt installieren kann. Laut Huawei gibts auch Hinweise darauf, wann man Updates machen kann.

BLICK hat das mit einigen bei uns populären Apps ausprobiert. Und sagt auch, wie es mit den aktuellen Android-Topcharts aussieht.

Populäre Apps wie WhatsApp funktionieren

Facebook oder auch WhatsApp kann man via Link problemlos herunterladen und normal nutzen. Und zwar von den offiziellen Seiten der US-Anbieter. Aber Achtung: Man findet in der App Gallery mit den Begriffen Dutzende Einträge, die vom Design her teilweise auf den ersten Blick wie die App selber aussehen. Das ist für die User sehr verwirrend.

Amazon ist, obwohl eine US-Firma, sogar mit der App direkt im Huawei Store vorhanden. Das gilt auch für TikTok, was aber bei einer chinesischen App weniger erstaunt. Microsoft hat gar trotz US-Sanktionen einen Vertag mit Huawei abschliessen dürfen und kann seine Apps ganz offiziell anbieten. Office, Bing oder Translator sind auf dem P40 Pro sogar schon beim Aufsetzen installiert.

Allerdings muss man auch hier auf Details achten. So kann man sein WhatsApp-Backup aus der Google Cloud nicht wiederherstellen. Und auf dem Huawei selber kann man nur lokal sichern.

Plötzlich doch Probleme, nicht nur bei Google

Bei Instagram funktioniert das komischerweise nicht. Kein Link ist verzeichnet, nur viele Apps, die Inhalte herunterladen. Ganz zuunterst auf der ersten Seite findet man einen Downloader für die App. Trotz Sicherheitsbedenken testen wir ihn und tatsächlich kommen wir so zur App. Aber einerseits werden wir mit Werbung eingedeckt, andererseits ist das einfach nicht vertrauenerweckend.

Netflix haben wir gar nicht zum Laufen gebracht. Im Store gibts nichts. Auf der Webseite kann man sich zwar einloggen, will man eine Serie starten, wird auf die App verwiesen. Und diese gibts nur im Play Store. Zu den Top20 der in der Schweiz genutzten Apps gehören auch McDonalds, Zalando, Wish oder Shazam. Alle nicht vorhanden.

Sucht man nach «Youtube» wird man auf die mobile Webseite des Videodienstes verwiesen. Das klappt eigentlich gut, man kann die Webseite auch als Favorit auf dem Bildschirm speichern. Das ist aber natürlich nicht so komfortabel wie eine App. Auf diese Art lassen sich auch viele andere Google Dienste nutzen.

Schweizer Apps nur mit Glück

Die meisten grossen Medienunternehmen wie der BLICK sind inzwischen direkt im Huawei Store vertreten. Aber es fehlen auch wichtige Apps wie etwa jene der NZZ. Nicht mal ein Link zur Webseite findet man. Die SBB App gibts als WebApp, die für den mobilen Browser optimiert ist. Die Fahrplanabfrage kann man sich so direkt als Lesezeichen auf dem Start-Bildschirm ablegen.

Andere beliebte Programme wie etwa die Wetter-App von Meteo Schweiz oder die Einkaufsliste Bring sind nicht auffindbar. Da muss man sich selber auf die Suche machen und wird eventuell über alternative App-Stores wie APKPure fündig. In diesem Artikel hier steht beschrieben, wie das funktioniert. Auch hier muss man aber genau schauen, was man wo herunterlädt, sonst hat man plötzlich eine Werbeschleuder oder einen Passwortspion auf dem Gerät.

Auch in der Hitparade ein durchzogenes Bild

Die aktuellen Charts des Play Stores zeigen jene Apps, die momentan in der Schweiz am meisten gefragt sind. Auch hier ist man je nach App unterschiedlich erfolgreich.

Bei der Videomeeting-App Zoom, der Nummer eins bei den Downloads, wird man auf die Webseite verwiesen und kann sich dort die App holen.

Nicht aufzufinden sind die Nummer zwei und drei der Hitparade, nämlich Alertswiss vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz sowie das Homeoffice Programm Microsoft Teams. Und das, obwohl andere Microsoft Anwendungen direkt schon installiert sind. Ebenfalls fehlen Houseparty, Disney+ und Skype.

Direkt im Huawei App Store vorhanden sind etwa TikTok oder die Bezahl-Fotoapp TouchRetouch.

Das BLICK-Testfazit: Gut gemeint, aber noch nicht genug

Huawei bemüht sich, die Lücken zu schliessen. Trotzdem würden wohl fast alle Android-Nutzer in Europa, die etwa auf das neue P40 Pro umsteigen wollten, einige oder gar viele Kompromisse machen müssen.

Ob man mit dem Angebot klarkommt oder sich notfalls auf anderen Plattformen die nötigen Apps zusammensucht, das dürfte sehr individuell sein. Allerdings: Manche Android-Apps brauchen Google Services, damit sie normal laufen. Hier hilft es auch nicht, wenn man die App irgendwie zum Herunterladen findet.

Was klar ist: Wer unkompliziert von seinem Android-Gerät umsteigen will, der wird die aktuellen Huawei Devices links liegen lassen. Dazu gibts einfach zu viele Schwierigkeiten und Probleme, mit denen man sich herumschlagen muss.

Vielleicht sieht das in den nächsten Monaten aber schon anders aus. Denn Huawei bemüht sich darum, alle Google Apps in den eigenen Store zu bekommen. Damit könnte sich Huawei mittelfristig neben Apple und Google tatsächlich zur dritten Kraft bei Apps, Games und Programmen entwickeln.

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