Bevor GPS-basierte Navigationssysteme allgegenwärtig wurden, liess man sich noch Wegbeschreibungen geben. Diese Art und Weise, an ein Ziel zu gelangen, führte oft zu Meinungsverschiedenheiten mit Mitfahrern. Währenddessen arbeitet das Hirn mit einer Reihe hochkomplexer kognitiver Prozesse daran, gedanklich eine Landkarte der Umgebung zu kreieren und gleichzeitig die eigene aktuelle Position auf dieser Karte zu bestimmen.
Tiere haben festgelegte Orientierungsmuster
Das können nicht alle Lebewesen. Wenn man versucht, eine Fliege aus dem Fenster zu scheuchen, stellt man fest, dass das Tier die nur wenige Zentimeter entfernte Freiheit nicht zu erkennen vermag. Natürlich sind auch Insekten zur räumlichen Orientierung fähig, aber sie verwenden dafür festgelegte Erkundungsmuster, wie zum Beispiel willkürlich im Zickzack zu fliegen (diese Strategien bildeten die Grundlage für den ersten jemals verkauften erfolgreichen Haushaltsroboter, den Roomba-Staubsauger).
Menschen hingegen müssen in der Lage sein, sich effizienter durch komplexes und manchmal unbekanntes Gelände mit ständig wechselnden Eigenschaften zu bewegen. Hierzu muss in unseren Köpfen eine gedankliche Karte der Umgebung angelegt und kontinuierlich aktualisiert werden. Diese Abstimmung zwischen Karte und Position ist das Herzstück einer Rechenlösung namens SLAM («Simultaneous Localization and Mapping» – simultane Lokalisierung und Kartenerstellung). Damit werden selbstfahrende Autos möglich.
Fehler minimieren
Und so funktionieren SLAM-Algorithmen: Nehmen wir an, Sie fahren wie in alten Zeiten ein Auto ohne GPS, und die Wegbeschreibung lautet wie folgt: «Fahren Sie auf die Hauptstrasse, folgen Sie ihr etwa zwei Kilometer und biegen Sie hinter dem roten Gebäude links ab.» Sie haben zwei Informationen, aus denen Sie Ihre innere Landkarte erzeugen, nämlich die Wegstrecke (zwei Kilometer) und den Orientierungspunkt (rotes Gebäude). Jetzt werden Sie versuchen, die Fehler im Hinblick auf diese innere Karte und Ihren Standort zu minimieren, während Sie gleichzeitig neue visuelle Informationen berücksichtigen.
Wenn Sie etwa ein rotes Gebäude sehen, direkt nachdem Sie auf die Hauptstrasse abgebogen sind, werden Sie wahrscheinlich nicht links abbiegen. Dies würde nämlich bedeuten, dass die Information über die Wegstrecke völlig falsch war. Wenn Sie der Zwei-Kilometer-Marke aber näher kommen, würde jedes rote Gebäude als Hinweis zum Abbiegen interpretiert werden. Ein selbstfahrendes Auto funktioniert genau so. Es integriert ungenaue Positionsinformationen, die es vom GPS erhält, und verwendet gleichzeitig Orientierungspunkte, die Kameras und laserbasierte Erkennungsgeräte wahrnehmen.
Übrigens: Der Medizin-Nobelpreis 2014 ging an drei Forscher, welche die Existenz eines GPS-ähnlichen Systems im menschlichen Gehirn entdeckt haben. Es ist für die Erzeugung kognitiver Karten verantwortlich, mit deren Hilfe wir uns im Raum orientieren können – genau wie die selbstfahrenden Autos.