Professor Vetterli erklärt
Wie funktioniert der Turing-Test?

Martin Vetterli ist Präsident der EPFL in Lausanne und führender Experte für Digitalisierung. Jede Woche erklärt er Begriffe aus der digitalen Welt.
Publiziert: 12.03.2018 um 09:57 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 01:30 Uhr
Martin Vetterli
Martin VetterliPräsident der EPFL Lausanne

Als ich mich kürzlich über mein Konto bei einer Webseite anmelden wollte, wurde ich aufgefordert, eine visuelle Aufgabe zu lösen. Ich sollte eine Reihe von Buchstaben in verschiedenen Formen und Verzerrungen vor einem verwirrenden Hintergrund aus Linien und Punkten identifizieren. Sicherlich sind Sie ebenfalls schon auf diese sogenannten Captchas gestossen. Und genau wie ich haben Sie, spätestens auf den zweiten Blick, die richtigen Buchstaben erraten.

Ein Captcha wird eingesetzt, um festzustellen, ob Sie ein Mensch sind, da es für Computer schwer zu lösen ist. Wenn Sie ein solches Captcha korrekt lösen, bestehen Sie eigentlich eine grundlegende Aufgabe der Informatik namens Turing-Test, die nach dem «Vater» der Informatik, Alan Turing, benannt ist. Aber wie kam es zur Entwicklung des Turing-Tests?
Schon kurz nach der Erfindung der Computer in den 1950er-Jahren begannen Forscher, über die Bedeutung von künstlicher Intelligenz nachzudenken. Schnell wurde klar, dass Computer fähig sein würden, Schach zu spielen (und eines Tages sogar zu gewinnen), und dass sie gut darin waren, Muster zu identifizieren, was wiederum Bild- und Spracherkennung ermöglicht. Dadurch stellte sich die Frage, inwieweit Computer die menschliche Intelligenz nach-ahmen können würden.

Computer übertreffen Menschen

Als Lösung für dieses Problem entwickelte Alan Turing einen theoretischen Test, der Menschen und Computer unterscheiden können sollte. In der einfachsten Form sieht das folgendermassen aus: Sie stellen einem Computer Fragen. Falls Sie nicht erkennen, dass die Antworten von einem Computer stammen, dann hat der Computer den Test bestanden. Tatsächlich bestehen Computer in vielen Bereichen den Turing-Test und übertreffen dabei sogar oft die Leistungen von Menschen. Ein solches Beispiel ist Schach. 1996 musste sich Weltmeister Garri Kasparow einem von IBM entwickelten Computer namens Deep Blue geschlagen geben.

Auch in den 1960ern hatte sich schon eine amüsante Begebenheit zugetragen, als eine von ­Joseph Weizenbaum vom Massachusetts Institute of Technology entwickelte Chat-Software viele Anwender zu dem Glauben verleitete, dass sie sich mit einer echten Person unterhielten – obwohl es sich um ein Programm handelte! Demzufolge hatte die Chat-Software den Turing-Test in vielen Fällen bestanden.

Wann immer Sie eine Captcha-Aufgabe lösen müssen, um sich bei einer Webseite anzumelden, bittet der Anbieter Sie also darum, einen Turing-Test zu bestehen, um sicherzugehen, dass es auch wirklich Sie, ein Mensch, sind, der die Webseite aufruft und nicht ein Bot – und bisher haben Sie dabei die Nase vorn! Dadurch wird Ihr Konto geschützt. Allerdings ist es einigen Informatikern aus den Vereinigten Staaten 2017 gelungen, ein Computerprogramm zu entwickeln, das Captchas lösen kann. Hacker können nun wieder auf Bots zurückgreifen, um automatisierten Zugriff auf Webseiten zu erhalten und für Probleme zu sorgen. Der Kampf zwischen Mensch und Maschine scheint in die nächste Runde zu gehen … 

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