Professor Vetterli erklärt
Was ist eigentlich die Erdős-Zahl?

Martin Vetterli ist Präsident der EPFL in Lausanne und führender Experte für Digitalisierung. Jede Woche erklärt er Begriffe aus der digitalen Welt.
Publiziert: 20.04.2018 um 11:07 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 15:56 Uhr
Foto: Getty Images
Martin Vetterli
Martin VetterliPräsident der EPFL Lausanne

In den 90ern verfasste ich zusammen mit ­David Donoho, einem Statistikprofessor an der Stanford University in Kalifornien, ­einen wissenschaftlichen Artikel über «Wavelets». Was ich zu der Zeit aber nicht wusste, war, dass Donoho zuvor auch mit einem Co-Autor von Paul Erdős zusammengearbeitet hatte, was ihn zum glücklichen Träger der ­sogenannten Erdős-Zahl 2 machte.

Er konnte blitzschnell berechnen, wie viele Sekunden ein Mensch schon lebte

Paul Erdős, der Namensgeber der Erdős-Zahl, war ein unga­risches Mathematikgenie. Er wuchs im frühen 20. Jahrhundert in Budapest auf und wurde vor allem von seiner Mutter zu Hause unterrichtet (tatsächlich waren seine beiden Eltern ­Mathematiklehrer an Sekundarschulen). Die Mathematik war also schon in sehr frühen Jahren Teil seines Alltags. Wenn die ­Eltern des kleinen Paul nicht da waren, lernte er allein zu Hause lesen, indem er die Mathematikbücher seiner Mutter und seines Vaters durchging. Und wie die meisten Genies war er auch ein wenig exzentrisch: Im Alter von vier konnte er, wenn ihm jemand sein Alter sagte, auf der Stelle berechnen, wie viele Sekunden dieser Mensch schon am Leben war – im Kopf!

Kurz gesagt, Erdős lebte schon früh und sein ganzes Leben lang nur für die Mathematik, was ihn zu einem der produktivsten Mathematiker aller Zeiten machte. In der Tat veröffentlichte Erdős in seinem Leben über 1500 wissenschaftliche Artikel zu mathematischen Themen. Aber natürlich verfasste er viele ­davon ­gemeinsam mit anderen ­Mathematikern. Und hier kommt die Erdős-Zahl ins Spiel. 

Die Zahl gibt die Distanz zwischen Erdős und einer anderen Person an

Da Erdős über 500 Co-Autoren hatte, wollte ein Mathematikerfreund dieser enormen gemeinschaftlichen Produktion Tribut zollen. Er definierte daher die Erdős-Zahl als eine endliche Zahl, die die Distanz zwischen Erdős und einer anderen Person angibt. Um also eine Erdős-Zahl zu erhalten, muss ein Wissenschaftler einen wissenschaft­lichen Artikel zusammen mit ­einem anderen Wissenschaftler verfassen, der bereits eine ­Erdős-Zahl hat.

Einer weiteren Festlegung zufolge hatte Erdős selbst die Erdős-Zahl 0. Alle anderen erhalten als ­Erdős-Zahl die niedrigste Erdős-Zahl aller ihrer Co-Autoren plus 1. In ­anderen Worten: Hätte ich ­direkt mit Erdős gearbeitet, hätte ich die Erdős-Zahl 1. Und wenn Sie mit mir zusammengewirkt hätten, würden Sie die Erdős-Zahl 2 erhalten, da Sie zwei «wissenschaftliche» Schritte von Erdős entfernt wären, und ­immer so weiter.

Die Erdős-Zahl stellt ein weiteres niedliches Beispiel für ein Thema dar, das wir vor ein paar Wochen besprochen haben, die sogenannten Kleine-Welt-Netzwerke. Aber im Fall des Erdős-Netzwerks ­bezieht sich das Phänomen auf ­Co-Autoren in wissenschaftlichen Veröffentlichungen und ist mit einem berühmten Mathematiker verbunden, der in den späten 90ern verstarb – gerade zur Zeit meiner gemeinsamen ­Veröffentlichung mit David ­Donoho. Und da er die Erdős-Zahl 2 hat, habe ich folglich die Erdős-Zahl 3. Übrigens, falls Sie die Erdős-Zahl 1 haben, würde ich liebend gern einen wissenschaftlichen Artikel mit Ihnen zusammen schreiben!

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